E-Commerce-Unternehmen Internetkontrolle durch Chinas Führung bremst die Wirtschaft

Die chinesische Regierung will wissen, was ihr Volk im Internet tut. Mit seiner Kontrolle verhindert Peking jedoch den Wandel des Landes zur technologisch hoch entwickelten Gesellschaft. Und blockiert die Onlinehändler.

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Die Kontrolle über Informationen ist gerade in diesen Wochen ein sensibles Thema. Denn Chinas Präsident will beim Nationalen Volkskongress im Oktober für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigt werden. Quelle: Reuters

Peking Das E-Commerce-Unternehmen von Frank Chen hat nichts mit Politik zu tun. Trotzdem sorgt er sich, dass es den Bestrebungen der Kommunistischen Partei zur Kontrolle des Internets zum Opfer fallen könnte. Chens Firma mit 25 Angestellten in der Stadt Chengdu im Westen des Landes verkauft über das Internet Kleidung und Haushaltsgeräte an Kunden in den USA und Europa. Doch die Webseiten, die er dafür nutzt, kann er womöglich bald nicht mehr erreichen.

Seiten wie Facebook oder Google werden von chinesischen Webfiltern blockiert. Chen konnte sie bislang aber über eine Virtual-Private-Network-Verbindung (VPN) erreichen. Doch dieses Fenster könnte sich bald schließen. Denn im Januar startete die chinesische Regierung eine Kampagne, um den Gebrauch von VPNs auszurotten, damit die „Große Firewall“ um das Reich der Mitte nicht mehr umgangen werden kann.

„Unser gesamtes Geschäft könnte lahmgelegt werden“, sagt Chen in einem Telefonat. Später schickt er noch eine SMS hinterher, um seine Aussage zu relativieren. „Die nationale Politik verdient ein positives Echo, und wir unterstützen sie voll und ganz“, heißt es darin.

Von der Kampagne der Regierung sind nicht nur Geschäftsleute betroffen – und es geht dabei auch nicht nur um Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter oder Youtube. Wissenschaftler und Studenten sind auf Dienste wie Dropbox oder Google Scholar angewiesen, die sie nur mit einer VPN-Verbindung nutzen können – sei es zum Austausch mit Kollegen im Ausland oder zur Recherche.

Die VPN-Technologie wurde dazu entwickelt, sichere und verschlüsselte Verbindungen zwischen Computern herzustellen. Sie verbirgt die Adresse, so dass Nutzer Seiten aufrufen können, die von den chinesischen Webfiltern blockiert werden.

Die Kontrolle über Informationen ist gerade in diesen Wochen ein sensibles Thema, ist doch für Oktober der Nationale Volkskongress angesetzt, bei dem Präsident Xi Jinping für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigt werden soll.

Der Feldzug gegen die VPN-Verbindungen ist nach Einschätzung von Aktivisten Teil der bislang umfassendsten Kampagne zur Verstärkung der politischen Kontrolle seit der Niederschlagung der Pro-Demokratie-Bewegung auf dem Platz des himmlischen Friedens im Jahr 1989.

Dutzende Aktivisten und Anwälte wurden in den vergangenen Monaten verhaftet. Das Cyber-Sicherheitsgesetz, das im Juni in Kraft trat, verstärkt die Kontrolle über Daten im Internet. Die Zensur von Sozialen Medien und Video-Webseiten wurde verschärft.

Wie viele Menschen von der Anti-VPN-Kampagne betroffen sind, kann nur geschätzt werden. Eine Erhebung des Unternehmens Global Web Index geht davon aus, dass in diesem Jahr täglich etwa 8,8 Prozent der 731 Millionen chinesischen Webnutzer über VPN eingeschränkte Seiten aufgerufen haben. Das entspräche rund 65 Millionen Menschen – so viel wie der Bevölkerung Großbritanniens.

Die kommunistische Führung ermuntert das Volk zur Nutzung des Internets für Handel und Bildung. Mit dem E-Commerce soll China von einem auf Produktion ausgerichteten Niedriglohnland zu einer Gesellschaft mit hoch technisierten Verbrauchern umgestaltet werden.


Freies Internet ist nicht vorgesehen

Doch ein grenzenloses Internet und der freie Fluss von Informationen ist dabei nicht vorgesehen. Mit dem Vorgehen gegen die VPN-Verbindungen unterstreicht Peking seine Vorstellung einer „Internet-Souveränität“, die bedeutet, dass die Regierung das absolute Recht darüber hat zu bestimmen, was die Menschen online tun und sehen können.

Zwar sind auch bisher schon nicht autorisierte VPNs verboten, die Behörden ignorierten Verstöße jedoch weitgehend. Inzwischen werden solche Verstöße jedoch streng geahndet. Wie es weitergeht, ist unklar. Die Behörden haben noch nicht erklärt, wer von der Regierung zugelassene VPN-Verbindungen benutzen darf und was er darüber im Internet sehen kann. Anfragen an die Regierung und die Internet-Behörde des Landes zu diesem Thema blieben ohne Antwort.

In einem Schreiben des Providers China Telecom an einige Geschäftskunden steht jedoch, dass mit diesen VPNs nur die Verbindung zu einem Hauptquartier einer Firma ins Ausland hergestellt werden kann. Andere Seiten seien nicht vorgesehen. Bei Verstößen werde der Anschluss gesperrt.

Bislang funktionierten die Kontrollen des Internets wie eine Steuer. Nutzer konnten für einen VPN-Zugang bezahlen und waren dann in der Lage, blockierte Seiten aufzurufen, wie die Politikwissenschaftlerin Margaret E. Roberts von der University of California in San Diego sagt. „Wenn die VPNs schwerer zugänglich werden, ist das so, als würde die Regierung die Steuern erhöhen“, erklärt sie weiter.

Online-Händler Chen sagt, er habe von Privatunternehmen gehört, die eine Erlaubnis erhalten sollten. Er müsse sich dafür noch bewerben. „Ich habe mit einigen Freunden gesprochen. Wenn eine große Zahl von VPNs verboten wird, dann – so die einhellige Antwort – wird das große Folgen für ihre Geschäfte haben“, sagt er.

Das European Center for International Political Economy schätzte bereits im Jahr 2014, dass die bestehenden und geplanten Einschnitte der Bewegungsfreiheit im Internet die chinesische Wirtschaft bis zu 1,1 Prozentpunkte Wachstum pro Jahr kosten. Das entspricht bei der Wirtschaftskraft des Landes von zwölf Billionen Dollar (knapp zehn Billionen Euro) einem Betrag von rund 130 Milliarden Dollar (107 Milliarden Euro).

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