Eckhard Cordes "Die Fortschritte sind gering"

Der Chef-Lobbyist des Osthandels und Ex-Metro-Chef Eckhard Cordes über die Reformen des künftigen russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Proteste in Moskau.

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WirtschaftsWoche: Herr Cordes, fürchten deutsche Konzernchefs die Zeit nach Wladimir Putin?

Cordes: Nein, wieso denn? Wir gehen davon aus, dass Herr Putin am 4. März für weitere sechs Jahre in den Kreml gewählt wird. Für alle anderen Prognosen wäre die Wettquote extrem hoch.

Unternehmen wie Ihr früherer Arbeitgeber Metro suchen den Kontakt zu Putin, da er sich um große Investitionen gern selbst kümmert.

Herr Putin ist ein kompetenter Gesprächspartner, der sich bis ins Detail mit komplizierten Fragestellungen auskennt. Ich finde es positiv, wenn ein Spitzenpolitiker in wirtschaftlichen Fragen firm ist, denn Politik ist zum großen Teil immer auch Wirtschaftspolitik.

Viele deutsche Unternehmer sehen in Putin den Garanten eines stabiles Russland-Geschäfts. Sie auch?

Herr Putin hat ja auch für Stabilität gesorgt. Die Jahre unter Vorgänger Boris Jelzin standen über weite Strecken für Chaos. Mit Putin kam der Wohlstand für breitere Bevölkerungsschichten, wobei ihm steigende Öl- und Gaspreise in die Hände spielten. Jetzt steht das Land vor einem neuen Entwicklungsschritt: Russland muss ein neues Wirtschaftsmodell implementieren, um unabhängig von Rohstoffpreisen stabiles Wachstum zu erreichen.

Wie soll das gelingen?

Russland braucht eine ernsthafte Modernisierung, die zu einer Erneuerung der veralteten Produktionsbasis führt. Nur so können russische Unternehmen globale Wettbewerbsfähigkeit erreichen und langfristig erfolgreich sein. Das setzt auch voraus, dass sich Russland für ausländische Investoren öffnet und das Investitionsklima so stark verbessert, dass auch inländische Unternehmen wieder investieren.

Putins beste Sprüche
Putins beste Sprüche„Ich weiß nicht, womit sie heizen wollen. Atom wollen sie nicht, Gas wollen sie nicht. Wollen sie wieder mit Holz heizen?“ Putin über die Energiedebatte in Deutschland, November 2010
„Wir werden unser Volk nicht vergiften.“  Zum Importverbot für EU-Gemüse wegen Ehec, 11.6.2011
„Wo man nicht zusammen kommen kann, bekommt man den Knüppel auf die Rübe“   Zum Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, 6.9.2010.
„Wer das getan hat, wird den Preis dafür bezahlen und im Suff oder Drogenkonsum enden“ Über den Verrat russischer Spione in den USA, 2.8.2010.
„Ich habe vielleicht in der Universität nicht das allermeiste gelernt, weil ich in der Freizeit viel Bier getrunken habe. Aber einiges habe ich doch behalten, weil wir sehr gute Dozenten hatten.“ Über sein Studium, Mai 2005.
„Die Russen kommen hier nicht mit Kalaschnikow und mit Panzern her, sondern Russland bringt das Geld mit.“ Zu Investitionen russischer Unternehmen in Deutschland, Oktober 2006.
„Niemand will, dass die G8 zu einer Ansammlung fetter Kater wird.“ Über die Rolle Russlands in der Gruppe der führenden Industrienationen, Januar 2006.

Das Gegenteil ist der Fall: Im Jahr 2011 floss aus Russland Kapital in Höhe von 85,4 Milliarden Dollar ab. Die Russen parken ihr Geld auf Schweizer Bank-konten oder kaufen Häuser an der Côte d’Azur.

Das ist in der Tat ein Problem. Die Kapitalexporte fehlen beim Umbau der russischen Wirtschaft, und sie können für den Osthandel ein Problem werden, da Währungsrisiken steigen. Aber die Ursache des Kapitalabflusses ist dieselbe wie für die relativ verhaltenen Direktinvestitionen: Russische und ausländische Investoren sehen einen hohen Reformbedarf...

...anders gesagt: Sie trauen dem Wirtschaftssystem nicht.

Jedenfalls muss das Investitionsklima verbessert werden, indem die Rechtssicherheit erhöht, Korruption und Bürokratie abgebaut werden.

Präsident Dmitri Medwedew hat seit vier Jahren genau das gepredigt. Hat er irgendetwas erreicht?

Die messbaren Fortschritte sind in der Tat gering. Aber für Russland ist es neu, dass Probleme wie Korruption oder mangelnde Rechtssicherheit überhaupt angesprochen werden.

Putin nimmt das Wort Korruption erst seit ein paar Wochen in den Mund. Viel lieber erzählt er immer wieder von der Stabilität, die nur er garantieren kann.

Für die Öffentlichkeit mag das zutreffen, im kleinen Kreis hat er das durchaus früher schon angeschnitten. Ich glaube, es war im Jahr 2008, als er das Thema Korruption am runden Tisch mit deutschen Wirtschaftsvertretern erstmals ansprach. Hinterher hat er uns auch nicht gebeten, dazu zu schweigen. Es dauert nur zu lange, bis Reformen in Gang kommen.

Putin hat im Oktober bei Ihrem Treffen erklärt, dass er für Kontinuität steht. Das klingt nicht nach Wandel.

Ich glaube, Herr Putin sieht ein, dass er Russland umbauen muss, um die Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Es gibt ja schon böse Zungen, die Russland nicht mehr als Teil der BRIC-Staaten betrachten. Tatsächlich hat Russland nicht die Wachstumsdynamik, die es haben könnte. Die Wirtschaft wächst um vier Prozent, das ist mehr, als Deutschland schafft. Aber Maßstab für Russland sollten Indien oder China sein, wo die Wirtschaft um fünf bis zehn Prozent wächst.

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