Einblick

Zu schön ist Panama

Der moralische Abgrund ist in Steueroasen besonders tief. Dennoch sollten wir nicht alles hineinkippen, was medial am Wege liegt.

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Die Köpfe der Panama-Connection
Emma WatsonIn der Vergangenheit glänzte die britische Schauspielerin Emma Watson in den Harry-Potter-Filmen als charmante und äußerst begabte Hermine Granger. Nun taucht der Name der britischen Schauspielerin in Verbindung mit den „Panama Papers“ auf. Medienberichten zufolge soll sie eine Wohnung über eine Briefkastenfirma gekauft haben. Ihr Sprecher bestätigte gegenüber „The Spectator“, dass Watson eine im Datensatz erwähnte Firma gegründet habe – dabei gehe es allerdings um den Schutz der Privatsphäre, da britische Firmen die Namen ihrer Teilhaber und Anteilseigner veröffentlichen müssten. Finanzielle Vorteile habe sie dadurch nicht gehabt, so der Sprecher. Quelle: AP
Malcolm Turnbull Nach der Veröffentlichung der Rohdaten der „Panama Papers“ werden Vorwürfe gegen Malcolm Turnbull laut. Der amtierende australische Ministerpräsident soll früher Direktor einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln gewesen sein, heißt es in den Unterlagen. Turnbull und sein Sprecher wiesen die Vorwürfe zurück – beim bereits bekannten Vorgang seien keine „Unregelmäßigkeiten“ aufgetreten. Quelle: dpa
Sigmundur David GunnlaugssonEr ist der erste, der nach den Enthüllungen der Panama Papers zurück getreten ist. Der isländische Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson soll bis Ende 2009 zusammen mit seiner heutigen Ehefrau eine Briefkastenfirma besessen haben, in der unter anderem Anleihen wichtiger isländischer Banken deponiert waren. Gunnlaugsson hatte vor seinem Rücktritt den Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson um Erlaubnis gebeten, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Grímsson wollte die Erlaubnis aber zunächst nicht erteilen, sondern erst mit der Unabhängigkeitspartei sprechen, Gunnlaugssons Regierungspartner. Zuvor hatten Tausende Isländer gegen Gunnlaugsson protestiert. Die Unterlagen sollen Informationen über eine Offshore-Firma auf den Britischen Jungferninseln enthalten, die Gunnlaugssons Frau gehört. Der Politiker wies die Vorwürfe zurück. Quelle: REUTERS
Mauricio MacriDer frisch gewählte argentinische Ministerpräsident ist der Hoffnungsträger des wirtschaftlich angeschlagenen Landes. Doch die Mossack-Dokumente könnten für Mauricio Macri nun zum Stolperstein werden. Eine Stellungnahme hat Macri zu den Vorwürfen nicht abgegeben. Lediglich sein Sprecher Ivan Pavlovsky hat den Vorwürfe widersprochen. Der Präsident hätte an der betrügerischen Offshore-Firma keinen Anteil gehabt. Die Firma verfolge Interessen in Brasilien und hätte eine Verbindung zu den Familiengeschäften. Deshalb sei Macri auch der Direktor der Firma. Schwer vorstellbar, dass Macri als Direktor keine Ahnung über die Machenschaften der Offshore-Firma gehabt habe. Quelle: AP
Petro PoroschenkoSollten die Vorwürfe stimmen, dürfte es auch für Ukraines Ministerpräsident Petro Poroschenko unangenehm werden. Eigentlich wollte sich der Oligarch von seinem Schokoimperium trennen, nachdem er zum Präsidenten des vom Krieg mit Russland zerrütteten Landes geworden ist. Doch die Mossack-Dokumente zeichnen nun ein anderes Bild. Während in der Ostukraine seine Soldaten starben, gründete er laut der „Süddeutschen Zeitung“ in Panama die Briefkastenfirma „Prime Asset Partners Limited“, in die die zyprischen und ukrainischen Firmen von Poroshenkos Roshen-Gruppe überführt wurden. Die Gründung der Briefkastenfirma wurde nicht öffentlich gemacht. Quelle: REUTERS
Bjarni BenediktssonNicht nur der Ministerpräsident Islands ist in die Briefkastenaktivitäten verwickelt. Auch der isländischen Finanzminister steht in den geleakten Dokumenten. Der aus einer der reichsten Familien Islands stammende Politiker hält 33 Prozent an der Briefkastenfirma „Falson & Co.“, die 2005 in den Seychellen gegründet wurde. Auch nachdem er 2009 ins Parlament einzog, meldete Benediktsson die Firma nicht an. Der Minister bestreitet die Vorwürfe. Zum einen soll er nicht gewusst haben, dass die Firma auf den Seychellen registriert war, zum anderen sei die Firma steuerlich gemeldet gewesen. Komplettiert wird das betrügerische Dreigestirn in Island durch die Innenministerin Olöf Nordal, die zusammen mit ihrem Ehemann in Panama die Firma „Dooley Securities“ gegründet hat. In Island ist die Wut auf die Politiker groß. Es finden auf den Straßen bereits erste Proteste statt. Quelle: AP
Ian CameronDer 2010 verstorbene Vater des britischen Premierministers David Cameron (links) ist mit Aktiengeschäften und als Investor zu großem Reichtum gelangt. Die nun veröffentlichten Panama-Papers zeigen nun, dass er es mit der Versteuerung seines Vermögens nicht ganz so genau genommen hat. Ian Cameron soll mithilfe seiner 1999 gegründeten Firma auf den Bahamas Steuern hinterzogen haben. David Cameron hat zu den Vorwürfen gegen seinen Vater keine Stellungnahme abgegeben. Quelle: dpa

Es war am 30. Juli 1914, kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs. Der SPD-Parteivorstand traf sich zu Beratungen über den bevorstehenden Kriegsfall. Friedrich Ebert und Schatzmeister Otto Braun entschieden, die Parteikasse in die Schweiz zu bringen. Das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, das von 1878 bis 1890 galt, war ein unvergesslicher Warnschuss gewesen. Die Parteimitglieder wussten, im Kriegsfalle würde die Partei verboten, führende Mitglieder verhaftet und das Geld beschlagnahmt.

Das müssen Sie zu den Panama Leaks wissen

Geschichte wiederholt sich nicht, und es verbietet sich, historische Situationen zu vergleichen. Und dennoch kann geschichtliche Erfahrung Anlass sein, sorgsam nach Ursache und Wirkung, nach Gesetzmäßigkeit und Rechtmäßigkeit, nach Legalität und Moralität zu unterscheiden.

Die Berichterstattung des internationalen Recherchekonsortiums zum Massengeschäft mit Briefkastenfirmen in Panama ist ein Coup. In der Sache und in eigener Sache. Und die Diskussion verläuft ganz wie erwartet: Entrüstung auf der ganzen Linie. Die Regulierer müssen ran, Gesetze müssen verschärft werden, Begründer von Briefkastenfirmen gehören geächtet.

Der moralische Abgrund ist bei Steuerhinterziehung besonders tief, weil sie oft mit organisierter Kriminalität, Geldwäsche und Korruption einhergeht. Und doch ist er nicht geeignet, alles hineinzukippen, was gerade in thematischer Näherung des medialen Weges kommt.

Diese Banken sind in die Panama-Affäre verwickelt
Ein internationales Recherchenetzwerk hat Daten der Kanzlei „Mossack Fonseca“ aus Panama ausgewertet, die sogenannten Offshore-Firmen in Steueroasen registriert. Im Auftrag von Banken hat die Kanzlei für viele Kunden solche Konstrukte angelegt, die oftmals der Steueroptimierung dienen. Laut Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung seien auch deutsche Banken in die Geschäfte verwickelt. Er sagte am Sonntagabend: „Wenn Sie mich fragen würden, welche der deutschen Banken eigentlich nicht dabei gewesen ist, Kunden zu helfen, zu „Mossack Fonseca“ zu gehen, müsste ich lange nachdenken, ob mir überhaupt eine einfällt. “ Die Commerzbank hatte beispielsweise im vergangenen Jahr bereits 17 Millionen Euro Bußgeld wegen umstrittener Geschäfte in Panama und Luxemburg gezahlt. Quelle: dpa
Die Funktionsweise von Mossack Fonsecas Geschäft: Für nur wenige Tausend Dollar bekommt der Kunde eine anonyme Firma. Die Kanzlei stattet die Firma mit Scheindirektoren aus und verschleiert damit den wahren Eigentümer. Dieses Geschäftsmodell ist moralisch zweifelhaft, sie sind aber nicht per se illegal. Der ausgewertete Datensatz zeigt, welche Institute über die Kanzlei in Panama die meisten Schattenfirmen registrierten. Auf Platz 10 landet die Investmentbank Rothschild, eine Tochtergesellschaft des Unternehmens registrierte für seine Kunden 378 Offshore-Unternehmen. Quelle: ICIJ Quelle: dpa
Die Landsbanki Luxembourg ließe den Daten zufolge 404 Schattenfirmen registrieren. Quelle: dpa
Die Luxemburg-Tochter der französischen Großbank Société Générale hat 465 Offshore-Unternehmen für seine Kunden registriert. Quelle: REUTERS
Die britische Privatbank kommt auf eine Zahl von 487 Schattenfirmen, die für ihre Kunden registriert wurden. Quelle: REUTERS
Die Schweizer Großbank UBS ließ im Auftrag seiner Kunden 579 Schattenfirmen registrieren. Quelle: REUTERS
Die Schweiz-Tochter der britischen Großbank HSBC wickelte Deals mit 733 Schattenfirmen ab. Fasst man alle HSBC-Töchter zusammen, landet die britische Bank sogar auf Rang 1 der Geschäftspartner von Mossack Fonseca – mit mehr als 2.300 registrierten Firmen. Quelle: dpa

Es gibt Fälle, so betont auch der neue Chef des ifo Instituts, Clemens Fuest, in denen Briefkastenfirmen nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch rechtlich unbedenklich sind. Das gilt beispielsweise für Dissidenten in China oder anderen Staaten, in denen Regierungsgegner als Maßnahme politischer Willfährigkeit gerne enteignet werden. Es gilt auch für Unternehmer in der Ukraine. Bei einem weiteren Einmarsch der Russen wäre das Unternehmensvermögen schnell weg. Und selbst bei einem Oligarchen wie Petro Poroschenko sollte nach dem Rechtsstaatsprinzip die Unschuldsvermutung so lange gelten, bis das Gegenteil bewiesen ist. Poroschenko ist kein Sympath. Aber das ist nicht gesetzeswidrig. Poroschenko hat gravierende politische Fehler gemacht, als er im Wahlkampf versprochen hat, sein Unternehmen zu verkaufen und ganz dem Land zu dienen. Dass er dieses Versprechen als Präsident der Ukraine nicht gehalten hat, muss sein Volk, nicht aber die Steuerbehörde ahnden. Die kommt ins Spiel, wenn er tatsächlich Steuern hinterzogen hat.

Vorschnell sind die schäumenden Forderungen nach strengeren Gesetzen. Sie kommen in vielen Fällen ohne saubere Trennung zwischen Legalität und Moralität aus, die eine demokratische Gesellschaft dringend braucht. Man muss sich als Mitglied einer Gesellschaft an die Gesetze halten. An die Moralvorstellungen nicht.

Die OECD hat den Common Reporting Standard zum Austausch von Steuerdaten entwickelt. Das Abkommen tritt 2017 in Kraft und soll genau die Probleme lösen, die in den Panama-Papieren dokumentiert sind. Nicht mit dabei sind bislang übrigens die USA, die zwar gerne Daten sammeln, aber keine herausgeben. Man muss nicht bis zum Ersten Weltkrieg zurückgehen, um zu erkennen: Feines Unterscheiden hilft. Und Doppelmoral ist keine Erfindung aus Panama.

Die WirtschaftsWoche ist nicht nur lesbar, sondern auch hörbar. Hier können Sie sich den Artikel von professionellen Sprechern vorlesen lassen:

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