Embargo gegen Katar Anatomie der Krise am Golf

Auf der arabischen Halbinsel haben sich die Kontrahenten Saudi-Arabien und Katar ineinander verkeilt. Noch nie hat es am Golf ein solch schweres Zerwürfnis gegeben – und der superreiche Zwergstaat wird nicht nachgeben.

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Menschen kaufen in einem Supermarkt in Katars Hauptstadt Doha auf Vorrat ein. Mehrere arabische Golfstaaten und Ägypten haben die diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Quelle: dpa

Binnen Stunden war alles Gerede von den arabischen Mitbrüdern verdampft, wutentbrannt liegen sich die betuchten Kontrahenten an der Gurgel. Noch nie seit der Existenz der Ölstaaten gab es ein solches Zerwürfnis am Golf. Kuwaits Emir reiste am Dienstag nach Riad, um zu vermitteln. Doch ein schneller Erfolg ist nicht in Sicht, zu tief eingenistet haben sich das Misstrauen und die gegenseitigen Frustrationen der verfeindeten Ölprinzen.

Vor drei Jahren inszenierte Saudi-Arabien schon einmal einen neunmonatigen diplomatischen Boykott Katars. Diesmal jedoch hat das konzertierte Vorgehen eine ganz andere Dimension, weil die aufgebrachten Nachbarn versuchen, Katar von allen Verkehrsverbindungen abzuschneiden, es wirtschaftlich zu isolieren und so zur politischen Kapitulation zu zwingen. Der Flugverkehr liegt am Boden, die Grenzen sind dicht. Menschen in Doha kaufen in Panik die Supermärkte leer.

Die Gründe für diese plötzliche Eskalation sind nicht einfach zu ermitteln in den verschwiegenen und intransparenten politischen Milieus der Herrscherclans. Offenbar kommt bei dem Zornausbruch des saudischen Nachbarn über den widerspenstigen Halbinselstaat vieles zusammen, angefangen von Katars freundlichen Beziehungen zum Iran, über seine Finanzierung der TV-Sender „Al Dschasira“ und „Al Araby Al Jadeed“ bis hin zu seiner Rolle als Schutzpatron der Muslimbrüder, der Hamas-Bewegung und sonstiger Vertreter des politischen Islams in der Region.

Das Fass zum Überlaufen brachte im April wohl eine Lösegeldzahlung Katars von einer Milliarde Dollar, um im Südirak zwei Dutzend katarische Falkenjäger aus den Händen schiitischer Milizen sowie in Syrien 50 Gefangene radikaler Dschihadisten freizukaufen. 700 Millionen gingen an iranhörige Milizen, die übrigen 300 Millionen an Al-Qaida-Terrorkommandos. Der Löwenanteil floss damit quasi direkt an den Islamischen Staat, und das ausgerechnet zu einer Zeit, als Saudi-Arabien zum großen Showdown gegen den schiitischen Erzrivalen blies.

Lösegeldzahlungen gelten in den nahöstlichen Wirren schon immer als Methode zur indirekten Finanzierung von Extremisten. Die Unterhändler stehen mit sauberen Händen da und die Auftraggeber – darunter auch westliche Staaten – sind froh, ihre Landsleute vor dem Tod gerettet zu haben. Eine solch enorme Summe jedoch, wie für die entführte Jagdgesellschaft des Emir-Clans sowie die Al-Qaida-Geiseln, ist bisher noch nie geflossen. Allerdings steht Katar bei der Finanzierung radikaler Gruppen keineswegs allein. Auch reiche Bürger und religiöse Stiftungen aus Kuwait und Saudi-Arabien gelten als wichtige Sponsoren in der Unruheregion, wo viele Transaktionen noch immer in bar abgewickelt werden.


Wie reagiert Trump?

Vieles am Golf wird davon abhängen, wie sich die USA in den nächsten Wochen zu der Eskalation verhalten, die in Katar ihre größte Militärbasis im Nahen Osten besitzen. Donald Trump applaudierte am Dienstag per Twitter, während Europa weitgehend stumm blieb.

Zudem drängen die Emirate das Pentagon bereits seit Jahren, die US-Kommandozentrale von Katar nach Abu Dhabi zu verlegen. Vor allem der pompöse Riad-Besuch des US-Präsidenten dürfte das Königshaus bestärkt haben, jetzt den offenen Krach mit Katar zu suchen und endlich – wie schon im Konflikt mit den Huthis im Jemen – aufs Ganze zu gehen.

Doch der superreiche Zwergstaat wird nicht nachgeben, wenn er nur die Wahl hat, seiner bisherigen Politik in demütigender Weise abzuschwören. Die Halbinsel mit ihren 300.000 Einwohnern hat Staatsreserven in Höhe von 335 Milliarden Dollar, ihre Hafenanlagen wurden kürzlich erst erweitert. Auch die Millionenverluste von Katar Airways dürfte die reichste Nation der Erde verschmerzen. Hunderte von Firmen rund um den Globus wollen an der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 mitverdienen, mehr als 200 Milliarden Dollar investiert Katar derzeit in Stadien, Hotels, Straßen und öffentlichen Nahverkehr. Der Iran bot bereits an, für die von Saudi-Arabien blockierten Lebensmitteltransporte einzuspringen.

Und so könnte sich der frontale Versuch, Katar in die Knie zu zwingen, für Saudi-Arabien und seine Golfverbündeten schon bald als Bumerang erweisen. Doha könnte eine neue Sicherheitspartnerschaft mit der Türkei anstreben, seine Beziehungen zu Russland und China intensivieren und sich stärker als bisher an den Iran anlehnen. Saudi-Arabien dagegen hat sich bereits seit zwei Jahren in einen desaströsen Krieg gegen die Huthis verrannt. Nun auch das Problem Katar militärisch zu lösen, das werden die Herrscher in Riad wohl nicht riskieren. Und so könnten bei dieser erbitterten Golf-Fehde am Ende alle verlieren. Und die arabische Welt wird noch zerrissener sein als zuvor.

 

 

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