Ende September Gremium legt Bericht zu Kiewer Todesschüssen vor

Wer waren die Scharfschützen auf dem Maidan? Nach wie vor herrscht Unklarheit darüber, wer für die Todesschüsse in Kiew Anfang des Jahres verantwortlich ist. Jetzt könnte Bewegung in die Sache kommen.

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Bei den blutigen Zusammenstößen waren etwa 100 Menschen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden. Quelle: AFP

Berlin In die Aufklärung der Todesschüsse auf dem Maidan-Platz in Kiew Ende Februar kommt möglicherweise Bewegung. Das auf Initiative des Europarats zur Untersuchung der gewaltsamen Zwischenfälle eingesetzte internationale Beratergremium unter der Leitung des ehemaligen Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Sir Nicolas Bratza, will offenbar noch in diesem Monat über den Ermittlungsstand informieren. Das geht aus einer dem Handelsblatt (Online-Ausgabe) vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor.

„Die Veröffentlichung eines Zwischenberichts über die bisherige Tätigkeit des Gremiums wird für Ende September erwartet“, schreibt der Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPS), auf die Frage, inwieweit die Bundesregierung Erkenntnisse über die Ermittlungsergebnisse seitens der Vereinten Nationen und des Europarats habe. Laut Roth beschränkt sich das Mandat des Gremiums allerdings lediglich darauf, „zu kontrollieren, ob die Untersuchung der gewaltsamen Zusammenstöße durch die ukrainischen Behörden den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht“.

100 Todesopfer gab es bei den blutigen Zusammenstößen in Kiew. Aufgeklärt sind die Taten bis heute nicht. Deswegen forderte die Bundesregierung schon im März eine internationale Aufklärung. Damals erklärte der Europa-Staatsminister Roth (SPD) auf eine Anfrage der Vize-Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht: „Die Bundesregierung setzt sich – auch gemeinsam mit ihren Partnern in der Europäischen Union – für eine umfassende und transparente, unter Einbeziehung internationaler Institutionen erfolgende, Aufklärung aller Gewaltakte in Kiew ein.“

In seiner jetzigen Antwort an die Linksfraktion zitiert Roth einen Bericht der Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte, in dem von bislang 84 eingeleiteten Strafverfahren im Zusammenhang mit den Protesten in Kiew und anderen Städten die Rede ist. Als Drahtzieher der Maidan-Vorfälle gelten demnach der ehemalige Staatspräsident Viktor Janukowitsch sowie einige weitere ehemalige hochrangige Offizielle. Der Uno-Bericht bezieht sich laut Roth auf Aussagen aus dem Büro des ukrainischen Generalstaatsanwalts. „Die Ermittlungen würden durch den Umstand erschwert“, erläutert der SPD-Politiker, „dass die mutmaßlichen Drahtzieher aus der Ukraine geflüchtet seien.“ Allerdings, so Roth weiter, seien drei ehemalige Polizisten, die für die Tötung von 39 Protestierenden im Zeitraum vom 18. Bis 20. Februar 2014 verantwortlich sein sollen, verhaftet worden. Nach 24 weiteren werde gefahndet.

Die Linksfraktion-Abgeordnete Sevim Dagdelen nannte die bisherigen Ermittlungen der Ukraine zu den Todesschüssen auf dem Kiewer Maidan eine Farce. „Die Bundesregierung muss endlich auf eine unabhängige internationale Untersuchung dringen“, sagte Dagdelen dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Es darf nicht sein, dass man sich die Verschleierungspraxis rechtsradikaler Akteure in der ukrainischen Exekutive in Bezug auf die Todesschüsse zu eigen macht“, warnte die die Linke-Politikerin und fügte hinzu: „Wer sich, wie die Bundesregierung, hier auf die Informationen der ukrainischen Regierung verlässt, läuft Gefahr sich für deren unheilvolle Ziele instrumentalisieren zu lassen.“

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