Energiewende Steigt Frankreich aus der Atomkraft aus?

Per Gesetz will Frankreich den Atomanteil an der Stromproduktion bis 2025 auf 50 Prozent senken. Dafür könnten in den kommenden acht Jahren bis zu 17 Atomreaktoren abgeschaltet werden. Doch wie wahrscheinlich ist das?

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Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot will en Stromverbrauch in seinem Land senken und die Produktion diversifizieren. Quelle: Reuters

Paris Deutschland gilt als Vorreiter bei der Energiewende – und nun auch als Vorbild für den Nachbarn Frankreich? Gedankenspielereien des französischen Umweltministers Nicolas Hulot über die mögliche Schließung von 17 Atommeilern legen die Schlussfolgerung nahe. Doch es gibt noch längst keinen abgestimmten Plan, und der zähe Widerstand des Stromkonzerns EDF gegen das Abschalten des Atomkraftwerks Fessenheim ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen, die dem Land bevorstehen.

Hulot ist einer der beliebtesten französischen Minister. Seine Popularität verdankt er der Natursendung „Ushuaia“, benannt nach der argentinischen Stadt am Beagle-Kanal, die er viele Jahre lang im Privatsender TF1 präsentiert hat. Lizenzgebühren aus der Vermarktung gleichnamiger Duschgels und Shampoos, von denen einige bei Ökotests durchfielen, haben Hulot über Jahre hinweg viele hunderttausend Euro eingebracht. Zum monetären Erfolg des Umweltaktivisten hat auch der Atomkonzern EDF beigetragen, der seine Stiftung mitfinanzierte. Die Veröffentlichung seiner finanziellen Interessen hat Hulots Image etwas ramponiert.

Vielleicht fühlte er sich auch deshalb bemüßigt, Anfang der Woche den Kampf gegen die Atomkraft zumindest verbal zu intensivieren. Er verwies darauf, dass Frankreich den Beitrag des Nuklearstroms zur Elektrizitätsversorgung des Landes bis 2025 von derzeit 71 Prozent auf 50 Prozent verringern will.

Und dann dachte er vor dem Mikrofon eines Radiosenders laut nach: „Jeder kann nachvollziehen,  dass wir eine Reihe von Reaktoren schließen werden, um dieses Ziel zu realisieren, übrigens ist noch keiner geschlossen worden.“ Anschließend fügte der Minister hinzu: „Lassen Sie mich das planen, oh, vielleicht werden es bis zu 17.“ Frankreich werde seinen Stromverbrauch verringern und die Erneuerbaren ausbauen, „daraus folgt mechanisch, dass wir Reaktoren schließen.“ Schon hatte Hulot seine Schlagzeile: Die französische Regierung schließt 17 Atomreaktoren.

Doch schon seit fünf Jahren verfolgt Frankreich offiziell das Ziel, den Beitrag seiner Atomkraftwerke zur Stromversorgung auf 50 Prozent herunterzufahren. Geschehen ist so gut wie nichts. Hollande wollte in seiner Amtszeit zumindest ein Atomkraftwerk abschalten, großes Ehrenwort! Wenige Tage, bevor er aus dem Amt schied, fiel ihm ein, dass er auch dieses Versprechen gebrochen hatte und schob einen Eil-Erlass nach, damit Fessenheim vom Netz gehe. Doch EDF hat es geschafft, das Kraftwerk an der deutschen Grenze weiterlaufen zu lassen, bis ein neuer Atommeiler in Flamanville an der Kanalküste anläuft. Das könnte 2019 der Fall sein. 

Schon Gerhard Schröder spottete zu seiner Zeit als Bundeskanzler gerne: „Die Grünen sagen mir ständig, ich solle die Atomkraftwerke abschalten, aber ich finde den Knopf dafür nicht an meinem Schreibtisch!“ In Frankreich ist es nicht so viel anders: EDF ist zwar zu 83 Prozent im Staatsbesitz, pocht aber auf seine erworbenen Rechte als Betreiber von 58 Reaktoren an 19 Standorten.

Die werden in zehn Jahren bis auf wenige Ausnahmen alle älter als 40 Jahre sein. Dann kommt ein neuer Faktor zum Zuge: Für den Weiterbetrieb über 40 Jahre hinaus gibt es keine Genehmigung. Sollte die Atomaufsicht sie erteilen, ist mit Kosten für die Modernisierung von 30 bis 40 Milliarden Euro zu rechnen. Schließung und Rückbau wären mit erwarteten acht Milliarden Euro deutlich günstiger.

Doch so lange der Staat keine klaren Vorgaben macht und Frankreich mit dem Ausbau der Erneuerbaren zurückhängt – deren Anteil liegt jetzt bei 17 Prozent –  kann kein Unternehmen vernünftig planen, auch EDF nicht. 

 

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