Entmachtung Kataloniens Widerstand gegen Spaniens Plan

Spaniens Ministerpräsident Rajoy hat die Übernahme der Regierungsgewalt in Katalonien eingeleitet. Doch Kataloniens Regierungschef Puigdemont will sich Madrid nicht beugen und spricht von einem „Staatsstreich“.

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Der katalanische Präsident der Regionalregierung, Carles Puigdemont (erste Reihe, 3.v.l) demonstrierte am Samstag in Barcelona. Quelle: dpa

Madrid Drei Wochen nach dem umstrittenen Votum der Katalanen für eine Abspaltung von Spanien treiben die Regierungen in Barcelona und Madrid ihren Konflikt auf die Spitze. Die von Ministerpräsident Mariano Rajoy angestoßene Entmachtung der Separatisten löste in Katalonien am Wochenende Widerstand und scharfe Kritik aus. Der Chef der dortigen Regionalregierung, Carles Puigdemont, signalisierte in einer ersten Reaktion, dass er sich Madrid nicht beugen werde. Die Präsidentin des katalanischen Parlaments, Carme Forcadell, sprach von einem „Staatsstreich“. Zehntausende Befürworter einer Unabhängigkeit trugen ihren Ärger auf die Straße. Die Zentralregierung rechtfertigte ihr Vorgehen am Sonntag als notwendig und forderte die Katalanen auf, die Autorität der spanischen - aber nicht der örtlichen - Behörden anzuerkennen.

Puigdemont sprach von dem schwersten Angriff auf die Institutionen und das Volk Kataloniens seit der Militärdiktatur von Francisco Franco. Rajoys Kabinett hatte am Samstag in einer Sondersitzung die Übernahme der Regierungsgewalt in Barcelona beschlossen. Die Entscheidung muss noch vom spanischen Senat bestätigt werden. Seine Zustimmung am Freitag gilt als sicher. Seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie vor rund 40 Jahren ist noch nie eine Region unter Kuratel Madrids gestellt worden.

Puigdemont erklärte weiter, das Regionalparlament werde nun über das weitere Vorgehen beraten. Es wird erwartet, dass die Abgeordneten schon am Montag darüber entscheiden, ob sie nach Puigdemonts symbolischer Unabhängigkeitserklärung auch offiziell eine Republik Katalonien ausrufen werden. Puigdemont nahm an den Protestkundgebungen in Barcelona teil. Dort riefen die Demonstranten „Freiheit! Freiheit!“ und hielten Schilder mit Aufschriften wie „Lasst uns die Republik ausrufen“ in die Höhe.

Der Widerstand der Separatisten gegen ihre Entmachtung durch die Zentralregierung schürt Befürchtungen, dass der seit Jahren schwelende und nun offen ausgebrochene Konflikt in Unruhen ausufern könnte. So könnten sich die Regionalpolitiker ihrer Amtsenthebung widersetzen und die Katalanen zum zivilen Ungehorsam gegenüber Madrid auffordern.

Diese Sorge treibt offenkundig die Regierung in Madrid um. Außenminister Alfonso Dastis verlangte am Sonntag von den Katalanen, nach einer Übernahme der Regierungsgewalt in Barcelona nur noch Anweisungen aus Madrid Folge zu leisten. Er hoffe, die Bürger ignorierten dann alle denkbaren Anordnungen der Regionalregierung. Dastis verteidigte die Pläne von Rajoy: „Alles, was die Regierung - und zwar nur widerstrebend - versucht, ist das Recht und die Verfassung wieder in Kraft zu setzen“, sagte der Außenminister der BBC.

Rajoy hatte am Samstag erklärt, das Kabinett in Barcelona werde entlassen und binnen sechs Monaten eine Neuwahl angesetzt. Nach der Zustimmung des Senats hätte die Zentralregierung grünes Licht dafür, die vollständige Kontrolle über die Polizei, Finanzen und öffentlich-rechtlichen Medien Kataloniens zu übernehmen. Auch die Befugnisse des Parlaments werden beschnitten.

In Katalonien an der Grenze zu Frankreich wird mit Katalanisch eine eigene Sprache gesprochen und ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung erzielt. Die Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren, dass es der Region ohne Transferzahlungen an ärmere Gebiete Spaniens noch besserginge. Die Regierung in Madrid warnt hingegen, dass eine Abspaltung in Katalonien eine Rezession auslösen könne. Seit dem Referendum haben Hunderte Unternehmen ihren Firmensitz aus Katalonien abgezogen. Sie befürchten, sich nach einer Unabhängigkeit außerhalb der Europäischen Union wiederzufinden.

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