Erdöl Die iranische Drohung

Für das kommende Jahr lassen fast alle ökonomischen Faktoren auf stabile oder leicht sinkende Ölpreise schließen. Aber dafür kann sich keiner etwas kaufen: Wegen der politischen Entwicklung rund um den Iran droht der Welt eine dramatische Ölkrise.

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Iranischer Soldat beim Manöver in der Nähe der Straße von Hormus Quelle: REUTERS

Wenn die Weltwirtschaft nicht rund läuft, wird weniger Erdöl verbraucht als in Boomzeiten. Die renommierten Rohstoffexperten des internationalen Forschungsinstituts Oxford Economics glauben darum, dass die weltweite Rohölnachfrage 2012 gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozent wachsen wird – auch das nur, weil die Oxford-Forscher noch relativ optimistisch für die chinesische Konjunktur sind und nur einen ganz langsamen Umstieg der  Industriestaaten von Rohölprodukten auf andere Energieträger vorhersehen.

Einen unwesentlich geringeren Anstieg – 1,1 Prozent – prognostiziert die Internationale Energieagentur IEA in Paris, die vor wenigen Monaten noch mit mehr als zwei Prozent gerechnet hatte. Also etwa ein Prozent mehr Ölverbrauch im kommenden Jahr: Das bleibt deutlich hinter der durch technologische Neuerungen auf existierenden Ölfeldern und Erschließung neuer Gebiete wie etwa der Ölsandvorkommen in Kanada  möglichen Ausweitung des Angebots zurück.

Die ökonomische Schlussfolgerung ist simpel und für industrielle und private Energieverbraucher erfreulich: Der Ölpreis müsste in den kommenden Monaten spürbar sinken. Die in London gehandelte Nordseesorte Brent hat im jetzt enden vierten Quartal 2011 durchschnittlich 109 US-Dollar pro Barrel gekostet. Für das kommende Vierteljahr prognostiziert Oxford Economics 102,50 Dollar, für das zweite Quartal 2012 nur noch 97,50 Dollar und dann bis zum Jahresende eine mehr oder weniger stabile Entwicklung.

Das macht dann insgesamt einen Jahresdurchschnitt von 98,60 Dollar, gut elf Prozent weniger als 2011. „Die schlechten makroökonomischen Aussichten“, schreiben die Oxforder Ökonomen, „begrenzen das Wachstum der Nachfrage, während spekulative Aktivitäten, die dieses Jahr durch Unruhe im Nahen Osten angefacht wurden, zurückgehen werden.“

Sperrung so leicht wie das Austrinken eines Wasserglases

Kann man das heute noch glauben? In den vergangenen Tagen hat eine Bedrohung des internationalen Ölmarktes Gestalt angenommen haben, neben der die Turbulenzen des Jahres 2011 unwesentlich erscheinen. Der iranische Marinekommandeur Habibollah Sajjari hat angekündigt, seine Streitkräfte würden die Straße von Hormus für alle Schiffe sperren, sollten die internationalen Sanktionen gegen sein Land den eigenen Ölexport blockieren.

Von den ungefähr vier Milliarden Tonnen Rohöl, die weltweit jährlich gefördert werden, stammt über ein Viertel aus den fünf Staaten, die fast ihre gesamten Ölexporte am Persischen Golf auf Tanker pumpen, die dann nur durch das Nadelöhr Hormus die Weltmeere erreichen. Neben dem Iran selber (Förderung 2010: 203 Millionen Tonnen) sind das Saudi-Arabien (468 Millionen Tonnen), die Vereinigten Arabischen Emirate (131 Millionen), Kuwait (123 Millionen) und der Irak (123 Millionen). Die 40 Kilometer breite Wasserstraße zwischen der eigenen Südküste und dem Sultanat Oman zu sperren sei für seine Marine so leicht wie das Austrinken eines Wasserglases, sagt Konteradmiral Sajjari. Und hat leider Recht.

Alternativloser Seeweg

Die Straße von Hormus Quelle: dpa


Eine tage- oder wochenlange Sperrung der zwei Fahrrinnen in der Straße von Hormus wäre für den internationalen Ölmarkt viel schlimmer als die realen oder imaginierten nahöstlichen Turbulenzen im jetzt ablaufenden Jahr. In Libyen sind jährlich nie mehr als 85 Millionen Tonnen Öl gefördert worden, in den letzten Gaddafi-Jahren deutlich weniger, und doch hat der libysche Bürgerkrieg im vergangenen Frühjahr den Ölpreis in London zeitweise auf 126 Dollar für das Barrel hochgerissen.

Teure, aber nicht unbezahlbare Alternative

Und schon die Befürchtung, der Umbruch in Ägypten könnte zur  Sperrung des Suezkanals führen, ließ den Preischart des Brent-Öls mehrmals um bis zu zehn Prozent ausscheren. Obwohl es kein plausibles Szenario für ein Übergreifen der Kairoer Unruhen auf die Wasserstraße gab, für die es überdies immer die teure, aber nicht unbezahlbare Alternativroute vom Indischen Ozean rund um Südafrika in den Atlantik gab.

Die Straße von Hormus ist alternativlos, und wenn Teheran sein Säbelrasseln in die Wirklichkeit umsetzt, brennt es nicht nur an den Ölmärkten. Für das hoch gerüstete Saudi-Arabien wäre die Blockade ein Kriegsgrund, gewaltige Zerstörungen von Förderanlagen und Pipelines rund um den Persischen Golf wären die leicht denkbare Folge einer Eskalation: Für die industrialisierte Welt bedeutete das nicht nur eine schlimme Preiskrise, sondern eine anhaltende Versorgungskrise.

Die größten Ölreserven der Welt
Eine Frau trocknet Wäsche auf einer Erdöl-Pipeline Quelle: ASSOCIATED PRESS
Libyen Quelle: REUTERS
Logo von Rosneft Quelle: ITAR-TASS
Ölraffinerie in den Vereinigten Arabischen Emiraten Quelle: AP
Ktar Quelle: REUTERS
Kuwait Quelle: REUTERS
Irak Quelle: REUTERS

Bloßes Säbelrasseln nicht auszuschließen

Bleibt zu hoffen, dass die zivilen und geistlichen Chefs des Konteradmirals Sayyari vor der ganz großen Konfrontation mit den Kampfbombern der Saudis und den im Golfstaat Bahrain stationierten amerikanischen Kriegsschiffen scheuen. Möglicherweise also nur Säbelrasseln vor der bevorstehenden Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Teheran?

Nicht auszuschließen. Und trotzdem kann aus der verbalen Konfrontation schnell blutiger Ernst werden. Und schon die Möglichkeit wird den Ölpreis in den kommenden Monaten immer wieder nach oben jagen.

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