Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin haben bei einem Treffen ihr Interesse an besseren Beziehungen ihrer Länder betont. Ein Dialog sei im Interesse der Völker beider Länder, sagte Putin am Dienstag in St. Petersburg. Erdogan dankte Putin für die Einladung und sagte, von der Zusammenarbeit beider Länder werde die gesamte Region profitieren. Es war sein erster Auslandsbesuch nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei vor fast vier Wochen.
Erdogan dankte Putin erneut, dass dieser ihn nach dem Umsturzversuch als einer der ersten angerufen habe, um seine Unterstützung zu bezeugen. Das „hat mich, meine Kollegen und unser Volk erfreut“, sagte Erdogan.
Die Beziehungen beider Länder hatten seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets an der syrisch-türkischen Grenze durch die Türkei im November auf Eis gelegen. Erst Ende Juni bemühte sich Ankara um eine erste Annäherung und entschuldigte sich für den Vorfall. Russland lockerte daraufhin einige Sanktionen, die es als Reaktion auf den Abschuss verhängt hatte.
Visumfreiheit: Was die EU von der Türkei verlangt
Dürfen türkische Staatsbürger irgendwann ohne Visum nach Europa reisen oder nicht? Die Antwort auf diese Frage kann nach Auffassung der EU-Kommission nur die Regierung in Ankara geben. Die Brüsseler Behörde sah in ihrem jüngsten offiziellen Bericht noch 5 der 72 Vorgaben für eine Visaliberalisierung als nicht erfüllt an.
In der Türkei wurde am 30. April eine neue Strategie dazu beschlossen. Im jüngsten Bericht stellten Experten der EU-Kommission allerdings fest, dass noch mehr getan werden müsse, um Korruption unter Parlamentariern, Richtern und Staatsanwälten zu verhindern. Dabei geht es unter anderem um Vorgaben zur Parteienfinanzierung und zur Unabhängigkeit der Justiz. Die EU weist dabei auf ein Gutachten der „Staatengruppe gegen Korruption“ (Greco) hin.
Laut der Darstellung im Fortschrittsbericht hatten die türkische Behörden bis zuletzt lediglich die Absicht erklärt, künftig enger mit den Behörden in EU-Staaten zusammenzuarbeiten, um die in der Türkei geltenden Rechtsvorschriften und Verfahren zu erklären. 2014 und 2015 wurden türkischen Statistiken zufolge 49 Auslieferungsanträge aus EU-Ländern gestellt, ein Großteil davon wurde noch nicht abschließend bearbeitet. Nur sechs Anträge wurden genehmigt.
Bei der jüngsten offiziellen Bestandsaufnahme lag der EU lediglich ein Absichtsbekundung der Türkei vor.
Ein im Frühjahr beschlossenes Gesetz entspricht nach Auffassung der EU-Kommission nicht den Anforderungen. Es sei nicht sichergestellt, dass die Datenschutzbehörde unabhängig handeln könne, lautete die Kritik. Es wurde gefordert, dass die neuen Datenschutzregeln auch für Strafverfolgungsbehörden gelten müssen.
Dies ist der umstrittenste Punkt. Die EU verlangt von der Türkei den geltenden Rechtsrahmen und die Standards zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus zu überarbeiten. So soll unter anderem die Definition von Terrorismus enger gefasst werden, um auszuschließen, dass auch missliebige Journalisten oder politische Gegner verfolgt werden können. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat jedoch zuletzt deutlich gemacht, dass er im Gegenzug ein härteres Vorgehen gegen die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK in Europa erwartet.
Beobachtern zufolge könnte Erdogan eine weitere Annäherung an Moskau auch dazu nutzen, um seine Position in diversen Streitigkeiten mit den USA und der EU zu stärken. So fordert die Türkei von den USA, den Prediger Fethullah Gülen auszuliefern. Ihn sieht Erdogan als Drahtzieher des Putsches an. Mit der EU herrscht große Verstimmung, unter anderem wegen der Kritik an Erdogans Vorgehen gegen mutmaßliche Unterstützer des Putsches. Auch droht Ankara damit, den Flüchtlingspakt mit Brüssel platzen zu lassen, falls die Visafreiheit nicht in absehbarer Zeit gewährt wird.
Putin seinerseits zeigte sich im Vorfeld des Treffens mit Erdogan daran interessiert, wichtige wirtschaftliche Projekte wiederzubeleben, darunter eine Pipeline, durch die russisches Erdgas in die Türkei strömen soll. Auch will Moskau seinen Einfluss im türkischen Nachbarland Syrien erhöhen, wo russische Kampfjets den Truppen von Präsident Baschar al-Assad seit Ende September im Kampf gegen die Rebellen helfen. Russland und die Türkei unterstützen in dem Krieg rivalisierende Seiten. Wie dort eine mögliche Kooperation aussehen könnte, blieb offen.
Erdogan hat außerdem eine neue Epoche in den Beziehungen zu Russland ausgerufen. „Die Region hat politisch gesehen Erwartungen an uns“, sagte Erdogan zu Beginn seines Besuches in St. Petersburg. „Ich glaube, dass unsere Solidarität helfen kann, die regionalen Probleme zu lösen“.
Putin betonte in Anspielung an den gescheiterten Putsch vom 15. Juli, er sei froh, dass er Erdogan erneut treffe und pries dessen Besuch als Zeichen der Türkei, die belasteten Beziehungen zu reparieren. Dass Erdogan trotz der „sehr schwierigen Lage“ in der Türkei gekommen sei, bedeute, dass er den Dialog wieder aufnehmen und den Kontakt im Interesse der Völker beider Länder wieder herstellen wolle, sagte Putin.