EU-Förderung Euro-Hilfsgelder für Terroristen?

Mehrere Europaabgeordnete schlagen Alarm: Angeblich könnten EU-Mittel, etwa für den Libanon, in falsche Hände geraten sein. Von Terrorismusfinanzierung ist die Rede. Nun soll der Europäische Rechnungshof aktiv werden.

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Pakistanische Schulen gelten als Nährboden für Extremismus. In Schulbüchern wird Indien als „unser traditioneller Feind“ tituliert und es wird gelehrt, dass Hindus „schon immer Feinde des Islam“ gewesen seien. Quelle: ap

Berlin Abgeordnete mehrerer Fraktionen im EU-Parlament haben Anhaltspunkte dafür, dass EU-Haushaltsmittel zur Finanzierung von Terrorismus missbraucht werden und fordern Konsequenzen. „Es ist Zeit, dass wir aufhören uns selbst ein Bein zu stellen und mit europäischem Steuergeld indirekt den Terrorismus zu fördern“, sagte der Europa-Abgeordnete und Vorsitzende der FDP Baden-Württemberg, Michael Theurer, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), der Europäischen Volkspartei (EVP), der Fraktion Europäische Konservative und Reformer (ECR) und der sozialdemokratischen Fraktion (S&D) hat Theurer eine Initiative gegen die Weiterleitung von EU-Mitteln an terroristische Vereinigungen gestartet.

In einer gemeinsam verfassten Erklärung fordern die Parlamentarier den Europäischen Rechnungshof (ERH) und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, die Empfänger „umfänglicher EU-Mittel“, zum Beispiel die Palästinensische Autonomiebehörde und Pakistan, „besonders zu überprüfen, da es Hinweise gibt, dass diese Länder terroristische Aktivitäten unterstützen“. Liege ein Missbrauch vor, müsse die EU-Kommission die Mittel einfrieren oder abbauen, „bis die notwendigen Überprüfungen und Kontrollmaßnahmen durchgeführt wurden“.

Egal, ob Geld über Nichtregierungsorganisationen im Süden des Libanon in die Hände der Hisbollah fließe oder in Schulen in Pakistan, die den Hass gegen die Hindus schürten: „Wir müssen genau hinschauen, wohin unser Geld umgeleitet wird und wenn uns das Endziel nicht gefällt, müssen wir den Fluss stoppen“, sagte Theurer, der dem EU-Parlamentsausschuss für Haushaltskontrolle angehört. „Das ist so einleuchtend, dass man sich kopfschüttelnd fragen muss, warum die EU nicht schon früher das Offensichtliche umgesetzt hat.“ Konkret geht es um eine Summe in Höhe von etwa sechs Milliarden Euro.


Palästinenser, Libanon und Pakistan im Fokus

Beispiel: Palästinensische Autonomiebehörde. Nach Angaben von Theurer ist etwa der Verbleib von europäischen Hilfsgeldern in Höhe von 5,6 Milliarden Euro, die seit 1994 an die Palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmud Abbas geflossen sind, teilweise unklar. Seine Befürchtung: Mit dem Geld könnten auch aus dem Gefängnis entlassene Terroristen unterstützt worden sein.

Beispiel: Libanon. Unklar ist den Angaben zufolge auch, wofür 187 Millionen Euro verwendet wurden, die der Libanon zwischen 2007 und 2010 erhalten hat. Die Vermutung ist, dass ein Teil „ganz sicher in den Händen der Hisbollah“ im Süden des Landes gelandet sein könnte. Die pro-iranische Schiitenbewegung Hisbollah und ihre Verbündeten unterstützen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.

Beispiel: Pakistan. Das Land, in dem ein Terrorist wie Osama bin Laden jahrelang unbehelligt untertauchen konnte, erhielt zwischen 2011 und 2013 225 Millionen Euro EU-Hilfe. Bildung ist einer der Schwerpunktbereiche der EU-Hilfe für Pakistan. Allerdings gelten pakistanische Schulen als Nährboden für Extremismus. In Schulbüchern wird Indien als „unser traditioneller Feind“ tituliert und es wird gelehrt, dass Hindus „schon immer Feinde des Islam“ gewesen seien.
Beispiel: West-Sahara. In die Tindouf Camps in der West-Sahara fließen zehn Millionen Euro pro Jahr. Der Schwerpunkt liegt auf humanitärer Hilfe für die Flüchtlinge der Lager in Algerien. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass nordafrikanische al-Qaida-Fundamentalisten die West-Sahara nicht nur als Rückzugsgebiet nutzen, sondern dort auch unzufriedene Flüchtlinge rekrutieren und Terror-Ausbildungscamps errichten.


SPD fordert Belege für zweckentfremdete Mittel

Theurer beklagte, dass teilweise über Jahrzehnte ein bestehender Status Quo gefördert werde, statt auf Verbesserung und Entwicklung zu setzen. „Man muss sich dann fragen, ob unsere Förderung nicht gar den Konflikt am Leben erhält, statt ihn zu bekämpfen“, sagte er.

„Mit humanitärer Hilfe wollen wir Radikale und Terroristen bekämpfen und nicht befeuern“, betonte der FDP-Politiker. „Tun wir das nicht, geben wir nicht nur eines unserer stärksten außenpolitischen Werkzeuge aus der Hand, sondern stärken in vielen Fällen auch noch diejenigen, die Feinde unserer Lebensart und unseres Wertesystems sind.“

Die Europa-SPD reagierte zurückhaltend auf die Äußerungen Theurers. „Die Liberalen sollten nicht ohne Beleg den Eindruck erwecken, dass die Gefahr der Terrorismusfinanzierung mit EU-Geld tatsächlich real ist – oder die Hinweise darauf transparent offenlegen“, sagte Jens Geier, Mitglied der Europa-SPD im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Niemand wolle Terrorismus unterstützen, schon gar nicht mit dem Geld der europäischen Steuerzahler, betonte Geier. Daher sei es auch richtig, die direkte Budgethilfe im Rahmen der Europäischen Entwicklungspolitik mit Auflagen für die Empfänger zu versehen. „Es muss nachvollziehbar sein, dass das europäische Geld so eingesetzt wird wie verabredet“, sagte der SPD-Politiker.

Diese Auffassung vertritt auch der Europäische Rechnungshof - zuletzt in seinem im vergangenen Jahr veröffentlichten Kontrollbericht. Insgesamt soll demnach die EU im Haushaltsjahr 2013 rund sieben Milliarden Euro ohne eine rechtliche Grundlage ausgegeben haben. Dies entspricht einer, zu 2012 nahezu unveränderten Fehlerquote von 4,7 Prozent (2012: 4,8 Prozent). Für die Prüfung hat der Rechnungshof sieben Bereiche der EU betrachtet, unter anderem Landwirtschaft, Außenbeziehungen und Verwaltungsausgaben.

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