EU-Haushalt Warum Deutschlands Beiträge zur EU steigen könnten

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Keiner will verzichten

Einnahmequellen des EU-Haushalts

Das Gesamtvolumen des EU-Haushalts, derzeit rund 140 Milliarden Euro, dürfte zwar nur wenig steigen. „Wir werden sicher nicht bei 180 Milliarden Euro landen“, verspricht Jutta Haug (SPD), Vorsitzende des Sonderausschusses zur finanziellen Vorausschau im EU-Parlament. Eine politisch brisante Situation entsteht gleichwohl, weil die Nettozahler weniger geben wollen, aber niemand – auch die Zahlmeister nicht – auf Rückflüsse aus Brüssel verzichten will.

Mehr noch: Der strukturelle Umbau des EU-Budgets geht womöglich vor allem zulasten Deutschlands. Der Nettobeitrag könnte im schlimmsten Fall um 50 Prozent auf rund zwölf Milliarden Euro steigen, heißt es in einem internen Papier des Auswärtigen Amtes (AA). „Ohne aktives Eingreifen droht sich das Verhältnis der deutschen EU-Beiträge zu den Rückflüssen aus dem EU-Haushalt ab 2014 deutlich zu verschlechtern“, warnen die Beamten aus dem Hause Westerwelle.

Dies liegt vor allem an mehreren EU-Beschlüssen, die Deutschland tendenziell benachteiligen. So erhalten die zwölf neuen EU-Mitgliedstaaten, die in den Erweiterungsrunden seit 2004 hinzukamen, bisher weniger Agrarsubventionen. 90 Prozent der Direktzahlungen an Landwirte fließen in das „alte“ Europa. Künftig sollen diese Prämien überall gleich hoch ausfallen. Den deutschen Bauern drohen dabei laut Auswärtigem Amt „signifikante Einkommenseinbußen“. Ziel müsse es sein, „den Verlust der Rückflüsse aus den Direktzahlungen für Deutschland zu begrenzen“.

Problematisch für Deutschland ist auch, dass künftig mehr Strukturmittel in die neuen EU-Staaten fließen sollen. Die Rede ist von 20 bis 40 Milliarden Euro. Dann könnten die ostdeutschen Bundesländer aus der höchsten Förderkategorie herausfallen, weil sie nicht mehr zu den ganz armen Regionen zählen – und bis zu 65 Prozent ihrer Zuschüsse aus Brüssel verlieren. Intern denkt die Bundesregierung nun darüber nach, sich mit ebenfalls betroffenen Süd-Ländern wie Spanien und Griechenland zu verbünden, um einen starken Abfluss von Fördermitteln zu verhindern.

Klimaprobleme

Doch die Bundesregierung steckt in einem Dilemma: Entweder sie findet sich mit einer Zahlmeisterrolle ab, die den Bürgern politisch schwer zu vermitteln ist. Oder sie wehrt sich gegen die Mittelverlagerung und zieht so den Zorn der neuen EU-Staaten auf sich.

Das Klima in der gesamten EU könnte sich dann weiter verschlechtern. Seit den erbitterten Auseinandersetzungen um die Hilfen für Griechenland und den Rettungsschirm für andere Krisenstaaten ist die Atmosphäre angespannt. Deutschland hat mit seiner zögerlichen Haltung viel Missmut auf sich gezogen. Kanzlerin Angela Merkel hingegen fühlte sich zu Unrecht gescholten, weil sie auf Disziplin pochte und laxen Mitgliedstaaten kein Geld hinterherwerfen wollte. „Irgendetwas ist zerbrochen“, sagt Katinka Barysch, stellvertretende Direktorin des Thinktanks Centre for European Reform, „und niemand weiß, wie man es wieder kitten kann.“

Was die Lage noch komplizierter macht: Bei den Verhandlungen über die EU-Finanzen kommt ein neuer Akteur hinzu. Der Vertrag von Lissabon hat den Einfluss des Parlaments auf das Budget erheblich gestärkt. In der Vergangenheit durften die Parlamentarier nur die Gesamtsummen für die einzelnen Ressorts genehmigen, nun können sie bis ins letzte Detail mitreden. Und die Abgeordneten sind entschlossen, das auch zu tun. „Wir werden uns die Butter nicht vom Brot nehmen lassen“, sagt Reimer Böge (CDU), Generalberichterstatter des Parlaments für Haushaltsmittel.

Ob der 1962 Seiten dicke Haushaltsplan der Union dadurch transparenter wird? Das Budget gehört zu den größten Absurditäten der Gemeinschaft, es gilt als undurchsichtig und ungerecht. „Der Haushalt ist ein Relikt der Vergangenheit“, kritisiert der Ökonom André Sapir, Berater von Kommissionspräsident Barroso. Experten sind sich einig, dass der Haushalt sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite umgebaut werden muss.

Sommerloch-Thema EU-Steuer

Doch wie politisch sensibel hier jede Veränderung ist, zeigte die Sommerloch-Debatte über eine EU-Steuer. Geradezu reflexartig haben die Regierungen in Berlin, Paris und London die Idee zurückgewiesen. Dabei stellt eine solche Steuer immerhin den Versuch dar, Ordnung in das bisherige Chaos auf der Einnahmenseite zu bringen. Bisher finanziert sich die EU im Prinzip aus Zolleinnahmen, einem Teil der Mehrwertsteuer und Beiträgen auf Basis der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten (siehe Grafik). Die nationalen Zahlungen wurden 1988 eingeführt, als die anderen Mittel nicht mehr ausreichten. Mittlerweile sind sie die wichtigste Einnahmequelle für die EU geworden.

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