EU-Regen für Geldmarktfonds Artenschutz für Schattenbanken

Deutschland und Frankreich sind mit ihren Ideen zur Regulierung von Schattenbanken gescheitert. Stattdessen wurden jetzt Regeln beschlossen, die nichts bewirken werden. Das könnte sich noch rächen. Ein Gastbeitrag.

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Sven Giegold ist wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Quelle: dpa

Europa hat eine große Chance verpasst, einen Risikofaktor für die Stabilität der Finanzmärkte einzudämmen. Es geht um den Bereich der sogenannten Schattenbanken. Mit anderen Worten: Finanzmarktakteure, die Geschäfte wie Banken machen, jedoch nicht dem gleichen Regelwerk unterliegen.

Im Europäischen Parlament haben Konservative, Sozialdemokraten und Liberale am gestrigen Mittwoch grünes Licht für einen schlechten Kompromiss mit dem Rat der EU-Mitgliedstaaten gegeben. Dieser faule Kompromiss ist darauf zurückzuführen, dass der deutsche Finanzminister Schäuble und die französische Regierung im Europäischen Rat dem Widerstand von Irland, Luxemburg und Großbritannien nachgegeben haben. Das Kernproblem der neuen Regeln ist, dass sie nicht wirksam sind. Jedenfalls nicht, um die riskanten Aktivitäten von Schattenbanken in den Griff zu kriegen.

Im Zentrum der Bedenken und Diskussionen stehen bestimmte Geldmarktfonds, die sogenannten CNAVs (Constant Net Asset Value Money Market Funds), deren Anbieter hauptsächlich aus Irland, Luxemburg und Großbritannien kommen. Diese Produkte bündeln mehr als 550 Milliarden Euro an Vermögenswerten. Während der letzten Finanzkrise haben sie ihr Potential als Brandbeschleuniger bewiesen und damit zeigt, dass sie die Finanzmarktstabilität bedrohen können. Im Jahr 2008 erlitten die CNAVs eine Panikattacke. Ihr Überleben hing in dieser Situation vom Zustand der finanziell hinter ihnen stehenden Finanzinstitutionen ab.

Die Quelle des Risikos ist das zentrale Versprechen der CNAVs: Ein konstanter Rückzahlungswert. Diese Geldmarktfonds scheinen auf den ersten Blick eine gewöhnliche Spareinlage zu sein, aber in der Realität hängt der Wert seiner Vermögensgegenstände von Marktentwicklungen ab. Ist der Geldmarktfonds mit Instabilität konfrontiert, haben nur die Investoren, die zuerst ihre Forderungen geltend machen, auch die Garantie, dass sie ihr Geld zurückbekommen.

Anleger, die später kommen, riskieren auf Verlusten sitzen zu bleiben, sobald die Zuflüsse an Finanzmitteln an den CNAV-Fonds von finanziell dahinter stehenden Finanzinstitutionen versiegen. Gerade die scheinbar konstante Rückzahlung kann in einer Krisensituation das Risiko einer Panik erhöhen und somit als Brandbeschleuniger wirken.

Auf europäischer Ebene ist diese Problematik bekannt. Der Anstoß für eine effektive Regulierung von CNAV-Fonds und damit dem Reich der Schattenbanken liegt bereits einige Zeit zurück. In einem Brief vom September 2013 forderten Finanzminister Schäuble und sein damaliger französischer Kollege Moscovici eine schnelle und harte Regulierung der Liquiditätsschwemme außerhalb des traditionellen Bankensystems. Als Kernforderung wollten sie erreichen, dass CNAV-Fonds in Fonds umgewandelt werden, deren Wertentwicklung mit der Marktentwicklung übereinstimmen muss. Dieses Thema hatte für Berlin und Paris zuletzt keine Priorität mehr, im Rat haben sie dem Widerstand von Irland, Luxemburg und Großbritannien nachgegeben.

Nach dem Brief von Schäuble und Moscovici legte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Regulierung von Schattenbanken auf den Tisch. Schon die von der Kommission ursprünglich vorgeschlagenen Änderungen widersprachen den Empfehlungen des Rats für Finanzstabilität (FSB) und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) zu einem vollständigen Austrocknen bankähnlicher CNAV-Geldmarktfonds.

Dann kam der Vorschlag der EU-Kommission ins Europäische Parlament: Im April 2015 verwässerte das Parlament erstmals den Entwurf der Kommission. Auf Vorschlag der federführenden Abgeordneten der britischen Labour-Partei und ihres konservativen Kollegen, ein ehemaliger Minister aus Irland, sollten statt sämtlicher CNAV-Geldmarktfonds nur noch Fonds mit geringer Schwankungsbreite (low volatility money market funds, kurz: LVNAVs) abgeschafft werden. Doch in den Verhandlungen zwischen Europaparlament, Kommission und Rat der Mitgliedsstaaten wurde selbst diese Minimalforderung entsorgt. Damit wurde eine Schleuse für den Zufluss von systemischen, die gesamte Finanzmarktstabilität bedrohende Risiken offen gelassen.

In den Verhandlungen zwischen den drei EU-Institutionen stieß außerdem der Vorschlag auf Ablehnung, Geldmarktfonds nicht im europäischen Markt agieren zu lassen, solange sie in Geschäfte mit Steueroasen verwickelt sind. In der finalen Einigung steht nun nur noch das Verbot einer einzigen von drei Unterkategorien von CNAV-Geldmarktfonds (retail CNAVs). Als Erfolg kann das keineswegs verbucht werden, denn die Finanzbranche hatte ohnehin keine ernsten Absichten, Geschäfte mit dieser speziellen Geldmarktfonds-Kategorie zu machen.

Dreieinhalb Jahre nach der Initiative von Schäuble und Moscovici steht ein fauler Kompromiss, der der Finanzindustrie des jeweiligen EU-Mitgliedslandes erlaubt, ihre eigenen Vorteile zu sichern. Offenbar hat niemand ein ernsthaftes Interesse daran, Schattenbanken wirksam und angemessen zu regulieren. Wir Grüne fordern weiterhin eine umfassende Regulierung aller Schattenbanken, denn für gleiche Risiken müssen gleiche Regeln gelten. Nur so gibt es fairen Wettbewerb und Finanzmarktstabilität.

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