EU-Sanktionen gegen Russland Die Furcht vor dem Bumerang-Effekt

Die EU will den Druck auf Russland durch weitere Sanktionen erhöhen. Welche genau? Darüber wird gestritten. Denn unter Strafaktionen leiden auch die EU-Staaten selbst. Nur eben nicht alle gleich stark. Ein Überblick.

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Härtere Sanktionen gegen Russland müssen sein, da ist die EU sich sicher. Doch wird die EU wie ein Bumerang den Schaden selbst zu spüren bekommen? Quelle: getty images

Am Dienstag kommen die EU-Botschafter in Brüssel zusammen, um sich auf neue Sanktionen gegen Russland zu einigen – die Stufte drei im Portfolio der Druckmittel. Dieses Mal soll es nicht nur einzelne Personen treffen, dieses Mal geht es um Waffen- und Finanzsanktionen. Doch die findet nicht jedes Land gleich gut. Denn die Länder sind unterschiedlich eng mit Russland verbandelt.

Deutschland zum Beispiel gibt sich relativ gelassen. Die anstehenden Wirtschaftssanktionen dürften die deutsche Rüstungsindustrie nach Angaben ihres Branchenverbandes kaum treffen. Doch wie sehen das die Nachbarn? Was die Strafmaßnahmen für Frankreich, Großbritannien, Österreich und Italien bedeuten würden, analysieren die Korrespondenten von Handelsblatt Online.

Frankreich

Frankreich gehört mit Deutschland zusammen zu den treibenden Kräften, die sich in der EU um eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konfliktes bemühen. Doch seit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf härtere Sanktionen drängt und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Waffenexporte Frankreichs offen kritisiert, lockert sich die Kooperation.

Frankreich ist der zweitgrößte ausländische Investor in Russland, wenn man die Reinvestitionen von Russen, die sich aus Steuer- oder Sicherheitsgrünen im Ausland angesiedelt haben, abzieht. Dies und die beabsichtigte Lieferung von zwei Hubschrauberträger- und Kommandoschiffen an Russland ist der wichtigste Grund dafür, dass Paris bei weiteren wirtschaftlichen Strafmaßnahmen Zurückhaltung predigt.

Staatspräsident François Hollande ist fest entschlossen, trotz der Kritik aus den USA, Großbritannien und nun auch Deutschland das 200 Meter lange Kriegsschiff der Mistral-Klasse, das fix und fertig in Saint Nazaire vor Anker liegt und auf dem derzeit 400 russische Soldaten geschult werden, im Oktober auszuliefern. Das Geschäft ist gut eine Milliarde Euro wert. Ein zweites Schiff soll 2015 folgen, außerdem hat Russland eine Option auf zwei weitere Schiffe. Kritik daran hat der Chef der Sozialisten Cambadélis als „falsche Debatte, die von falschen Fünfzigern geführt wird“ schroff zurückgewiesen.

Würde Hollande nun vom 2008 von seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy abgeschlossenen Vertrag zurücktreten, müsste er die millionenschwere russische Anzahlung erstatten und wahrscheinlich eine zusätzliche Entschädigung leisten. Außerdem würde auf der halbstaatlichen Werft STX, die im Auftrag der staatlichen Rüstungsschmiede DCNS die Schiffe baut, wieder die Angst vor Arbeitsplatzverlust zunehmen.

Die allein für Landungsoperationen, also offensive Aktionen gedachten Schiffe sind nicht das einzige wirtschaftliche Interesse Frankreichs in den Beziehungen mit Russland. Der Erdöl- und Gasmulti Total hat enge Kontakte zu Russland und erst vor kurzem ein neues Großprojekt dort auf die Beine gestellt. Russland ist eines der wichtigsten Gasförderländer für Total. Gut ein Sechstel der Gesamtmenge bezieht der Multi aus der russischen Föderation.

Danone ist ein anderer Großkonzern, für den Russland ein wichtiger Wirtschaftspartner ist. Im Laufe der vergangenen Jahre ist Russland der wichtigste Absatzmarkt für den Hersteller von Mineralwasser und Milchprodukten geworden. Da die traditionell für Danone bedeutsamen südeuropäischen Märkte krisenbedingt schwächeln und in China aufgrund des Fehlers eines Lieferanten ein schmerzhafter Rückschlag eingetreten ist, hat Russland eher noch ein Bedeutung dazu gewonnen.

Schließlich darf man nicht die russischen Investments von Peugeot Citroen und von Renault vergessen. Sie haben viel Geld in ihre dortigen Fabriken gesteckt, die erst mühsam modernisiert werden müssen. Da beide Konzerne bereits im Iran aufgrund der Sanktionen einen schweren Einbruch erlitten haben, sind sie alles andere als erpicht darauf, dieses Szenario in Russland zu wiederholen.

Die Großbank Société Générale zu guter Letzt ist das Geldhaus mit einem der höchsten privaten Engagements in Russland. Ihr gehört Rosbank, die größte private Bank des Landes. Soc Gen hatte gehofft, vom Aufschwung des Landes profitieren zu können. Doch nun geht es rückwärts. Im ersten Quartal sank der Gewinn aufgrund einer Abschreibung auf den Goodwill, der beim Erwerb der Rosbank gezahlt wurde. In dieser Woche wird Soc Gen die Zahlen für das zweite Quartal bekannt geben. Die Lage dürfte sich kaum gebessert haben. Auf 17 Milliarden Euro beziffert die französische Bank das Kreditrisiko in Russland.

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