EU und Türkei Flüchtlingspakt steht wohl auf stabilen Beinen

Trotz aller Spannungen steht der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei wohl nicht zur Debatte. Beide zeigen guten Willen, die politische Eiszeit zu überbrücken. Doch nicht alle Fragen sind beantwortet.

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Gute Stimmung in Bratislava: Beim Treffen der EU-Außenminister gab es eine erste Annäherung zur Türkei. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (vorne) war um Diplomatie bemüht. Quelle: AP

Bratislava Im Streit um die Aufarbeitung des Putschversuches in der Türkei bemühen sich die EU und Ankara um Deeskalation. Der türkische Europaminister Omer Celik kündigte am Samstag an, dass sich sein Land trotz der aktuellen Spannungen an die Vereinbarungen zur Flüchtlingskrise halten wolle. Er rückte damit von früheren Angaben aus Ankara ab, nach denen die Türkei den Flüchtlingspakt wegen des Streits um die Visumfreiheit für türkische Staatsbürger platzen lassen könnte.

Zuvor hatte sich Celik erstmals seit dem Putschversuch am 15. Juli mit allen EU-Außenministern getroffen. Diese mahnten erneut an, dass sich die Türkei bei der Aufarbeitung der blutigen Nacht an rechtsstaatliche Standards halten müsse. Gleichzeitig betonten sie allerdings die Notwendigkeit, die Türkei als Partner zu halten.

Die Türkei sei ein wichtiges Land und verdiene „Unterstützung in dieser schwierigen Situation“, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach der Zusammenkunft in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Es sei nun wichtig, den Dialog fortzusetzen, um die entstandene Verstimmung in den bilateralen Beziehungen zu überwinden.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier räumte ein, dass die EU in der Kommunikation Fehler gemacht haben könnte. „Vielleicht müssen wir ... selbstkritisch zugeben, dass die Empathie und die Emotionalität dieser Anteilnahme und dieser Solidaritätsbekundung nicht in der notwendigen Form, nicht in der notwendigen Intensität, in der Türkei angekommen ist.“

Gleichzeitig betonte der SPD-Politiker, dass der Putschversuch kein Grund sein könne, auf jegliche Kritik zu verzichten. Nicht jede Frage aus Europa sollte in der Türkei als Unverständnis oder gar Ignoranz verstanden werden, warnte er. Die Fragen seien Ausdruck der Sorge, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU durch die aktuellen Ereignisse langfristig belastet werden könnten.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte: „Es sind 130 000 Angestellte, die ihre Arbeit verloren haben, es sind so viele Richter, die nicht mehr im Amt sind, es sind Journalisten im Gefängnis - hier sind die Antworten noch spärlich.“


Die offene Visafrage

Ob es im Streit um die Visumfreiheit für türkische Staatsbürger eine Kompromisslösung geben könnte, blieb bei dem Außenministertreffen offen. Der türkische Europaminister Celik schloss erneut aus, dass seine Regierung zum jetzigen Zeitpunkt die von der EU geforderten Änderungen an den Terrorgesetzen vornimmt.

Auf EU-Seite blieb offen, ob ein mögliches Versprechen, sie später umzusetzen, akzeptiert werden könnte. Sie sieht bei der derzeitigen Gesetzgebung die Gefahr, dass sie auch zur Verfolgung von Journalisten und Andersdenkenden missbraucht werden könnte.

Celik warnte, dass sich die Türkei zwar an die bisherigen Absprachen zur Flüchtlingskrise halten wolle. Darüber hinaus gehende Unterstützung werde es aber nur dann geben, wenn es zu einer Visaliberalisierung komme. Wenn sich die Lage in Syrien und im Irak weiter verschlechtere, könnten die aktuellen Absprachen nicht ausreichen, sagte er.

Der im März geschlossene Flüchtlingspakt sieht vor, dass die EU alle Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Für jeden Syrer, den die Türkei dabei zurücknimmt, kann sie allerdings einen anderen Syrer auf legalem Weg in die EU schicken. Die EU hat sich bereit erklärt, über diesen sogenannten 1:1-Mechanismus bis zu 72 000 Syrer aufzunehmen.

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