EuGH-Gutachter Auch Ungarn und Slowakei sollen Flüchtlinge aufnehmen

Generalanwalt Yves Bot hat seine Entscheidung gefällt: Er fordert den EuGH auf, die Klage aus Ungarn und Slowenien abzuweisen. Damit zeichnet sich eine Niederlage für die Länder ab – und ein möglicher Erfolg für Merkel.

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Es könnte auch ein Urteil über die damalige Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden. Quelle: dpa

Luxemburg Der Europäische Gerichtshof (EuGH) diskutiert am Mittwoch über den Dauerstreit in der EU-Flüchtlingspolitik und die Klage Ungarns und der Slowakei gegen die Umverteilung von Flüchtlingen. Der Generalanwalt Yves Bot des Europäischen Rates empfiehlt dem EuGH die Klage abzuweisen. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs müssen der Einschätzung ihrer Generalanwälte nicht folgen, tun es aber häufig. Der Beschluss sieht vor, dass 120.000 Personen, „die unzweifelhaft internationalen Schutz benötigen, über einen Zeitraum von zwei Jahren aus diesen beiden Mitgliedstaaten (Italien und Griechenland) in die anderen Mitgliedstaaten der Union umgesiedelt werden.“ Damit sollen die Mitgliedstaaten Italien und Griechenland, die mit der Ankunft tausender Flüchtlinge überfordert sind, entlastet werden.

Ungarn und Slowenien, sowie Rumänien und Tschechien waren 2015 bei einer EU-Mehrheitsentscheidung überstimmt worden, bis zu 120.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in Europa zu verteilen. Auch Polen ist den Klage-Staaten unterstützend zur Seite gesprungen. Sie wehren sich auch aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Aufnahme der Menschen, was in der EU zu einem Dauerzwist ohne Lösung geführt hatte. Belgien, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Schweden und die Kommission stehen als Streithelfer auf der Seite des Rates.

Am Mittwoch stehen dem EuGH noch eine Reihe von Grundsatzurteilen in Sachen Flüchtlinge bevor. Wie bei den Verfahren zu einem Grundprinzip des europäischen Asylsystems: Nach dem sogenannten Dublin-System ist in erster Linie der EU-Staat für Asylverfahren zuständig, in dem ein Migrant nach einem illegalen Grenzübertritt zuerst den Boden der EU betritt.

Während der großen Flüchtlingskrise 2015 und 2016 ließ das Ankunftsland Kroatien Migranten jedoch über die Grenze und organisierte deren Weiterreise nach Slowenien und Österreich. Beide Länder wollen Migranten zurück nach Kroatien schicken, doch die Betroffenen wehren sich.

Die Gutachterin in dem Verfahren stellte sich auf ihre Seite und erklärte, unter außergewöhnlichen Umständen könne die Öffnung der Grenze aus humanitären Gründen rechtens sein. Dann sei der Übertritt nicht mehr unbedingt illegal. Aus ihrer Sicht ist nicht Kroatien zuständig, sondern die beiden Länder, in denen die Betroffenen letztlich ihre Anträge auf Schutz gestellt haben.

Es könnte auch ein Urteil über die damalige Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden. Sie sagte Ende August 2015 den Satz, der in die Geschichte einging: „Wir haben so viel geschafft, wir schaffen das. Wir schaffen das, und wo uns etwas im Weg steht, muss es überwunden werden.“

Anfang September 2015 machten sich tausende Flüchtlinge vom Budapester Bahnhof, wo sie tagelang festsaßen - auf den Weg Richtung Westen. Spät in der Nacht entscheidet Merkel, diese Menschen in Zügen nach Deutschland zu holen. Und sie setzt damit die Dublin-Regelung außer Kraft. Eine folgenreiche Entscheidung, denn daraufhin kommen viel mehr Flüchtlinge als erwartet - bis zu 13.000 Menschen am Tag. Bis zum Jahresende sind es eine knappe Million.

War Merkels Entscheidung mit europäischem Recht vereinbar oder nicht? Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs ist der Ansicht: Sie war rechtens. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs müssen der Einschätzung ihrer Generalanwälte nicht folgen, tun es aber häufig. Sollte sie es auch in diesem Urteil tun, bekäme Merkels Flüchtlingspolitik vom Spätsommer 2015 die Bestätigung der höchsten europäischen Richter.

Sollte der EuGH der Ansicht folgen, könnte dies unter Umständen Folgen für künftige Ausnahmelagen haben, in denen sich einzelne Länder von einem Flüchtlingsandrang überfordert fühlen. In einem zweiten Verfahren zum Dublin-System sollen die Luxemburger Richter Fristen im Asylverfahren klären. Grundlage ist ein Fall aus Deutschland. Ein Eritreer wehrt sich gegen seine Überstellung aus der Bundesrepublik nach Italien.

Die neuesten Zahlen zur Umverteilung von Flüchtlingen in der EU will EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos dann am frühen Nachmittag in Brüssel vorstellen.

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