Europäische Union Islands halbherziges Bitten um EU-Beitritt

Vor einem Jahr stellte das von der Staatspleite bedrohte Island einen Antrag auf Beitritt in die Europäische Union. Nun beginnen die Beitrittsverhandlungen, die keiner wirklich will.

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Islands Nationalflagge nahe Quelle: REUTERS

Heute ist es soweit: Die EU eröffnet offiziell die Beitrittsverhandlungen mit Island, dem kleinen Inselstaat mit nur 300.000 Einwohnern. Zwar wird es bei der ersten Gesprächsrunde nicht um Inhalte und schon gar nicht um Streitfragen gehen, sondern vor allem um das Zeremoniell. Aber ein kleiner Fisch werden die Verhandlungen sicher nicht, denn die Isländer wollen ihre Walfangtradition behalten. Und auch einige EU-Länder legen keinen großen Wert auf Islands Mitgliedschaft.

Vor einem Jahr stellte Island einen Antrag auf Beitritt in die Europäische Union, obwohl das Land den eigentlich nie wollte. Die Regierung änderte aber ihre Meinung, als der Inselstaat in der Finanzkrise vor der Pleite stand. Mit Krediten von mehr als zwei Milliarden Dollar musste der Internationale Währungsfonds einspringen, die nordeuropäischen Partnerstaaten stellten 1,8 Milliarden Euro in Aussicht. Die Landeswährung verlor ein Viertel ihres Außenwertes, die Arbeitslosenquote stieg von 1,6 auf 9,4 Prozent, die alte Regierungskoalition zerbrach. Die Inflationsrate schätzt die Außenhandelskammer für das vergangene Jahr auf 11,9 Prozent, die Arbeitslosigkeit soll in diesem Jahr nochmals ansteigen. Die Not ist also immer noch groß, der Wunsch nach Sicherheit innerhalb einer starken Staatengemeinschaft nachvollziehbar.

Streit um Milliardenzahlungen

Daher ist es keine Überraschung, dass Islands Regierung heute andere Töne anschlägt, obwohl der Inselstaat der Gemeinschaft lange die kalte Schulter gezeigt hatte. „Unsere Heimat ist Europa, und Islands EU-Mitgliedschaft wird unseren gegenseitigen Interessen dienen“, erklärte Außenminister Össur Skarphédinsson kürzlich.

Die Hürden, die es bis zu einem EU-Beitritt Islands zu überwinden gilt, sind jedoch gewaltig: Die Niederlande und Großbritannien fordern von Island die Begleichung von insgesamt 3,8 Milliarden Euro, die Anleger aus den beiden Staaten bei der Pleite der isländischen Internetbank Icesave verloren hätten, wären die niederländische und die britische Regierung gegenüber den geprellten Sparern nicht in Vorleistung getreten. Icesave ist eine Tochter des in der Krise zusammengebrochenen und mittlerweile zwangsverstaatlichten Geldhauses Landsbanki.

Der Ärger über die Milliardenzahlungen ist noch immer groß. Einem Gesetz, dass die Niederlande und Großbritannien entschädigen sollte, verweigerte Islands Präsident Olafur Grimsson Anfang des Jahres die Unterschrift. In der darauf folgenden Volksabstimmung lehnten die Isländer das Gesetz mit großer Mehrheit ab. Es hätte dem Inselstaat Schulden in Höhe von 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufgebürdet, umgerechnet 18.000 Dollar pro Isländer. Der Streit mit London und Den Haag ist zwar nicht offiziell Teil der Verhandlungen, aber die EU-Staaten müssen dem endgültigen Beitritt einstimmig zustimmen.

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