Ex-Flüchtlinge vom Balkan Nach dem Abschied aus Deutschland

Es ist eine schwierige Rückkehr: Viele Asylanträge von Flüchtlingen aus dem Balkan werden abgelehnt. Der Neustart in der Heimat beginnt mit vielen Problemen. Eine Organisation setzt auf kleine, gezielte Hilfen.

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In weiten Teilen des Kosovo herrscht bittere Armut. Trotz geringer Aufnahmechancen wollen viele Kosovaren nach Deutschland. Quelle: dpa

Pristina Der unscheinbare Zweckbau am Rande der Kosovo-Hauptstadt Pristina ist die Adresse für viele Träume und Hoffnungen. Es handelt sich um die von acht deutschen Bundesländern und vom Bund finanzierte Organisation „Ura“ (Brücke). Hier kommen die Asylbewerber an, deren Anträge in Deutschland abgelehnt wurden. Und das sind fast alle. Denn die Albaner aus dem jüngsten Staat Europas bringen in der Regel nur ein Argument für ihren Wunsch vor, dauerhaft in Deutschland zu leben: die bittere Armut zu Hause.

„Sozialberatung, Arbeitsvermittlung, psychologische Betreuung. Das sind unsere drei Säulen“, schildert „Ura“-Leiterin Eylem Akyildiz das Konzept. Die Juristin mit türkischen Wurzeln versucht mit 15 Mitarbeitern, den aus Deutschland zurückgekehrten Enttäuschten trotz allem einen Neustart zu ermöglichen. „Das reicht von der Hilfe bei Behördengängen, Miet- und Lohnkostenzuschüssen, Finanzierung von Möbeln oder Küchen, Überbrückungsgeldern bis zur Begleitung in die Selbstständigkeit“, erklärt die resolute Frau.

Es sind keine Riesensummen, die hier aber schon helfen. Da ein Zuschuss zur Miete von 100 Euro, dort ein Überbrückungsgeld von 50 Euro pro Familienmitglied. Ein anderer bekommt für einige Monate einen Zuschuss zum Lohn, damit er im Arbeitsmarkt Fuß fassen kann. Denn: „Wer einmal vermittelt ist, bleibt in der Regel dauerhaft beschäftigt“, weiß Akyildiz. Daher berichtet sie stolz von den vielen Erfolgsgeschichten von heute selbstständigen Friseuren, Mechanikern oder kleinen Bauunternehmern: „Ein Holzfäller konnte sich mit der Finanzierung einer einzigen Säge ebenso eine Existenz aufbauen wie ein Musiker, dem wir den Kauf einer Trommel und einer Flöte bezuschusst hatten.“

Elektriker Naser Murati (50) hatte es mit seiner Frau Ilona (45) zwischen 1993 und 1999 in Deutschland schon geschafft. Wegen des Bürgerkrieges zu Hause wurde er als politischer Flüchtling anerkannt. Aus Heimweh ging er freiwillig zurück. 2014 stellte er einen neuen Antrag, der aber ein Jahr später negativ entschieden wurde. Denn der Bürgerkrieg war schon längst Geschichte und die jetzt noch vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe zählten nicht.

Er kehrte freiwillig in seine Heimatstadt Ferizaj zurück und brachte Schwung in seine wirtschaftliche Existenz dank „Ura“. Die finanzierte ihm drei Treibhäuser. Mit dem Anbau von Paprika, Tomaten, Erdbeeren und seiner Spezialität Wassermelonen schafft er ein bescheidenes Auskommen. „Ich bin zufrieden mit meiner Lage“, sagt er in gutem Deutsch. Auch Ridvan Musli (42) aus der Stadt Prizren im Süden kommt mit seiner Musik auf Familienfeiern auf ein bescheidenes aber auskömmliches Salär.

Das Gegenteil ist im benachbarten Montenegro zu beobachten. Hier kommt bei den Rückkehrern praktisch keine Integrationshilfe aus Deutschland an. Handabaka Suad (34) aus der im Norden gelegenen Stadt Plevlja hat als Kellner keinerlei Einkünfte. Und weil die Lage so katastrophal ist, sieht er auch keine Überlebenschance zu Hause. „Mein einziger Ausweg: Ich muss wieder etwas in Deutschland versuchen.“

Ganz ähnlich die Lage bei der Familie Aleksandar (52) und Milena (49) Markovic in Bijelo Polje, die von Juli 2015 bis Juni 2016 in Deutschland waren. Der Kameramann und die Schneiderin sehen mittelfristig für sich null Perspektive. „Es gibt keine Arbeit, keine Sozialhilfe und die Behörden werfen uns noch Knüppel zwischen die Beine, wenn wir selbst etwas versuchen wollen“, berichten sie verbittert.

Das Kontrastprogramm: „Wir müssen uns bei Deutschland von tiefstem Herzen bedanken. Alle waren zu uns korrekt, hilfsbereit und freundlich“, sagt das Ehepaar. Und vor allem: Ihr 14-jähriger Sohn Nemanja, der durch eine Landmine schwer verletzt worden war, konnte in Deutschland operiert werden. Zwar hatte Montenegro der Familie eine einmalige Finanzhilfe versprochen, wenn sie freiwillig zurückkehren. Doch daraus wurde nichts. Das Resultat: „Hier hält uns nichts, wir müssen noch einmal auf Deutschland bauen.“

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