Um das Ausmaß der FBI-Anklage von Michael Flynn zu verstehen, hilft ein kurzer Rückblick. Am Morgen des 24. Januar 2017 traf sich Flynn, damals frisch ernannter Nationaler Sicherheitsberater im Weißen Haus, zur Lagebesprechung mit dem US-Präsidenten. Donald Trump hatte erst vier Tage zuvor den Amtseid abgelegt. Doch Flynn, einer seiner wichtigsten Vertrauten, stand da schon im Fokus des FBI.
Nur wenige Stunden nach seinem Treffen mit Trump wurde Flynn über mögliche Russlandkontakte im US-Wahlkampf vernommen. Er bestätigte diese zwar, aber hielt zentrale Details zurück, auch gegenüber Vizepräsident Mike Pence. Die Lüge führte dazu, dass Flynn im Februar zurücktreten musste.
Jetzt, rund zehn Monate danach, entfalten die Ereignisse aus der Anfangsphase der Trump-Präsidentschaft ihre volle Wucht. Am Freitag bekannte sich Flynn der Falschaussage gegenüber dem FBI für schuldig. Bis zu fünf Jahre Haft Strafe können darauf verhängt werden.
Zwar liefert die Anklage selbst keine neuen Erkenntnisse, die US-Justiz hat den Verdacht der Falschaussage lediglich formal vollzogen. Doch mit dem Schuldbekenntnis Flynns rückt die Russland-Affäre so dicht an Donald Trump heran wie nie. Flynn habe „vorsätzlich und wissentlich fiktive und betrügerische Erklärungen“ abgegeben, heißt es in den Gerichtsdokumenten.
Die Entwicklung ist ein Wendepunkt: Erstmals ist ein ehemaliges Kabinettsmitglied offiziell Teil der Untersuchung von Chef-Aufklärer Robert Mueller - und ist willens, mit den Ermittlern zu kooperieren. Flynn könnte durch sein Insiderwissen Muellers Arbeit entscheidend vorantreiben. Und er könnte den Präsidenten ernsthaft in Schwierigkeiten bringen, indem er ihn direkt belastet.
Erste Anzeichen, dass Flynn genau das beabsichtigt, gibt es bereits. Der Sender ABC berichtete, Flynn werde aussagen, dass er auf persönliche Anweisung von Trump im Wahlkampf Kontakte mit Russland suchte.
Demnach sei Flynn bereit zu bezeugen, dass Donald Trump ihn anwies, Kontakt zu den Russen aufzunehmen - angeblich um Möglichkeiten auszuloten, wie man den IS in Syrien bekämpfen kann. Zwar ist zu diesem Zeitpunkt unklar, ob der Kontakt allein illegal wäre, noch weiß man zu wenig über die möglichen Umstände oder Motive. Doch sagt Flynn tatsächlich entsprechend aus, ist Trump so oder so in Bedrängnis. Der Präsident hatte stets abgestritten, dass er oder sein Umfeld überhaupt solche Kontakte während der Kampagne pflegte.
Ein Vertrauter erzählte dem Sender ABC weiter, Flynn habe sich in den letzten Wochen von Trump im Stich gelassen gefühlt und sich zunehmend über die möglichen Gerichtskosten gesorgt. Es ist denkbar, dass Flynn sensible Informationen über Trumps Anweisungen auspackt, um seine eigene Strafe zu mildern.