Experte über Katars Investments "Katar strebt nach regionaler Reputation"

Mit Aktienpaketen im Westen wollte der Kleinstaat Katar sich auch Ansehen verschaffen, sagt Nahost-Experte Sebastian Sons. Zum Missfallen Saudi-Arabiens.

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Katar in der Isolierung. Quelle: dpa Picture-Alliance

WirtschaftsWoche: Aufgrund der Katar-Krise sind die Investments des katarischen Herrscherhauses und Staatsfonds bei westlichen Konzernen im Gerede. Haben diese für Katar auch einen politischen Zweck?
Sebastian Sons: Auszuschließen ist das nicht. Aber die Strategie Katars ist eher auf ökonomische Diversifizierung aus. Der Plan aller Golfstaaten ist langfristig, selbst zu Industriestaaten zu werden. Aber das wird nicht nur Jahre, sondern Generationen dauern. Als kleiner Staat, der bisher ganz von Rohstoffexporten abhängig ist, will Katar unterschiedliche Pfeiler in unterschiedlichen Branchen und unterschiedlichen Ländern errichten, die das Land und seine Herrscher in Krisenlagen wie jetzt finanziell absichern.

Katar will also vom Rohstoff-Exporteur zum Rentnerstaat werden?
Einmal geht es darum, die Rohstoff-Rente durch eine andere zu ersetzen. Also den Lebensstandard auch nach dem Ende der Rohstoffe aufrecht zu erhalten. Aber es geht auch darum, international Reputation zu gewinnen. Sich als attraktiver Geschäftspartner und verlässlicher wirtschaftlicher Akteur zu präsentieren, der nicht nur eine Fußballweltmeisterschaft ausrichtet. Politischen Einfluss versucht Katar nicht so sehr über seine Investitionen zu nehmen, sondern durch den Sender Al-Jazeera und die Unterstützung der Muslimbrüder. Dadurch will Katar eine regionale Strahlkraft entwickeln, die der saudischen Führung ein Dorn im Auge ist. Auch die Auslandsinvestitionen Katars wurden in Saudi-Arabien daher nicht wohlwollend gesehen. Die Saudis finden, dass die Kataris sich zu weit aus dem Fenster lehnen.

Die Saudis selbst haben sehr viel weniger im westlichen Ausland investiert. Warum?
Es gibt durchaus saudi-arabische Investitionen im westlichen Ausland, nicht zuletzt die 3,5-Milliarden-Beteiligung des saudischen Staatsfonds an Uber. Aber es stimmt, die kleineren Golfstaaten sind da weiter. Die Saudis verfolgten bislang eine andere Diversifizierungsstrategie. Es ist natürlich ein viel größeres Land mit einer viel größeren Bevölkerung und wirtschaftlichen Bedeutung als Katar. Mit der „Vision 2030“ geht es der saudischen Führung vor allem um die Privatisierung der eigenen Wirtschaft. Zentral ist dabei der Teilbörsengang des Öl-Konzerns Saudi Aramco. Was Auslandsinvestitionen angeht, wurde Saudi-Arabien bislang eher auf Märkten innerhalb der islamischen Welt aktiv, wo man auch politisch Einfluss nehmen wollte. In Nordafrika vor allem.

Zur Person

Saudi-Arabien begründet die Isolierungspolitik gegen Katar vor allem mit dessen angeblicher Nähe zum Erzfeind Iran und dem Vorwurf der Terrorfinanzierung. 
Man muss zunächst fragen: Wie definiert Saudi-Arabien Terror? Aus ihrer Sicht ist der IS zwar eine Terrororganisation aber nicht die wichtigste. Für die Saudis ist Iran der wichtigste Terror-Akteur. Adel Al-Dschubeir, der saudische Außenminister, sagte auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass der Iran für den Aufbau des IS verantwortlich sei. Man müsse sich doch fragen, warum es noch keinen Anschlag auf iranischem Gebiet gegeben habe.

Katars wichtigste Beteiligungen

Den gab es jetzt kürzlich.
Trotzdem: Aus saudischer Perspektive ist aller Terror in der Region durch Iran inszeniert oder inspiriert. Nach saudischer Logik ist der IS kein Problem mehr, wenn man erst den Iran besiegt hat.

Bei diesen Konzernen hat Katar investiert
Golf-Emirat Katar Quelle: dpa
Accor Quelle: REUTERS
Agricultural Bank of China Quelle: REUTERS
Barclays Quelle: REUTERS
BHP Billiton Quelle: REUTERS
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Glencore Quelle: REUTERS

„Angenehme Geldgeber, die sich nicht ins Tagesgeschäft eingemischt haben“

Wenn es stimmte, dass Katar den Terror unterstützt, dann müsste man doch sagen, dass die Dividenden von VW und der Deutschen Bank und anderen katarischen Beteiligungen indirekt dem Terror zugutekommen.
Das ist nicht völlig abwegig. Aber die Frage ist eben, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Staatsfonds und den Geldern, die von wem auch immer an Terrororganisationen fließen. Ich habe dafür keine Belege. Und wenn man aus westlicher Perspektive so fragt, muss man natürlich genauso nach den Handelspartnern Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten fragen. 

von Saskia Littmann, Martin Seiwert, Matthias Kamp, Annina Reimann

Für viele Beobachter gilt Saudi-Arabien selbst als die eigentliche Quelle des Dschihadismus, also des islamistischen Terrors. Nicht nur ideologisch sondern auch finanziell.
Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der saudische König oder Regierungsmitglieder den Dschihadismus derzeit unmittelbar unterstützen. Früher taten sie das durchaus. In den 80er und 90er Jahren finanzierten sie Al-Kaida im Kampf gegen die Sowjetunion, dann halfen sie 2012 bis 2014 dschihadistischen Gruppen im syrischen Bürgerkrieg. Aber das flog ihnen bisher immer um die Ohren. Denn früher oder später wird jede dschihadistische Gruppierung die Saudis selbst als Feind ansehen aufgrund ihrer Nähe zum Westen, ihrer Korruption, ihrer Dekadenz. Seit 2014 gab es entsprechend vermehrt IS-Anschläge in Saudi-Arabien.

Die Saudis führen einen relativ konsequenten Kampf auf sicherheitspolitischer Ebene gegen den Dschihadismus. Aber: Was von reichen Geschäftsleuten und religiösen Stiftungen getan wird, ist schwierig nachzuvollziehen. Al-Dschubeir sprach in Berlin von den drei großen M: Men, Money and Mindset – Menschen, Geld und Gedankengut. Beim letzteren tut Saudi-Arabien zu wenig. Die saudische Islamauslegung des Wahhabismus weist deutliche Nähen auf zur dschihadistischen Ideologie. Die ganze anti-schiitische und anti-iranische Propaganda der Saudis spielt letztlich dem IS in die Karten, denn er nutzt dieselben Argumente.

Deutsche und westliche Unternehmen sind bislang für Investments aus der Golfregion sehr offen. Wäre es nicht an der Zeit, dass westliche Staaten da mal genauer hinschauen, möglicherweise auch eingreifen?
Vielleicht, aber die Frage ist doch: warum jetzt? Die Terrorvorwürfe sind seit vielen Jahren bekannt. An der Grundsituation hat sich nichts geändert. Nur bläst Katar jetzt stärkerer Wind entgegen. Bislang waren Katar und andere Investoren aus der Golf-Region offensichtlich verlässliche, angenehme Geldgeber, die sich nicht ins unternehmerische Tagesgeschäft eingemischt haben. Da sieht man eben über manche Argumente gegen solche Investments hinweg.

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