Wirklich entscheidend sind die Zahlen für China nicht, denn die eigentlichen Probleme liegen an anderer Stelle. Besonders seit dem Konjunkturpaket 2008 wächst Chinas Wirtschaft zwar stabil auf hohem Niveau, aber nicht in der Art, wie sie es sollte. Ein zu großer Teil der Investitionen wird in ineffizienten Infrastrukturprojekten sinnlos verschleudert. So sind zum Beispiel Geisterstädte im ganzen Land entstanden.
Kurz bevor die Straße das Festland verlässt und in Richtung Yangshan Port führt, liegt ein kreisrunder See von etwa zwei Kilometer Durchmesser. Eine mit Bäumen bepflanzte Uferpromenade führt um das Wasser. Der See ist künstlich. Ringsherum hat man Luxusapartments errichtet - für reiche Shanghainesen zur Sommerfrische. Lingang New City heißt die Kunststadt, entworfen von einem deutschen Architektenbüro. 800000 Menschen sollen hier einmal leben. Auf den Straßen zu sehen ist: Niemand.
Das Muster, wie solche Geisterstädte entstehen, ist stets das gleiche: Klamme Kommunen verkaufen Land an Immobilienentwickler, die darauf Wohnraum errichten. Mit dem so erlangten Geld bauen die Lokalregierungen Straßen, Brücken und Bahnhöfe - und melden so großartige Wachstumszahlen nach Peking. Die Immobilienentwickler verkaufen die Wohnungen an die Bevölkerung, die auf weiter ansteigende Immobilienpreise hofft. Wie lange der Kreislauf so weitergehen kann, ist fraglich - allein im letzten Jahr stiegen die Immobilienpreise in Städten wie Peking, Guangzhou und Shanghai um 15 bis 20 Prozent. Sollten sie Preise einmal zu fallen beginnen, bricht das System zusammen.
Zudem ist immer mehr Kapital notwendig, um das Wachstum zu erzielen. Viele Banken geben kaum noch Kredite. Um trotzdem noch an Geld zu kommen, leihen sich viele Unternehmen Geld auf dem grauen Markt. Dort sind die Zinssätze wesentlich höher als bei den staatlichen Banken. Die Anbieter bündeln die Kredite zu sogenannten "Wealth Management Produkten" und bieten den Käufern hohe Renditen bei angeblich null Risiko. Was genau passiert, wenn diese Produkte platzen, ist ungewiss.
Die Zentralregierung weiß um diese gefährliche Spirale. So wurden die Provinzregierungen angewiesen, sich nicht mehr das quantitative BIP-Wachstum zu fokussieren. Nur noch 14 Provinzen planen für 2014 zweistellige Wachstumsraten - 2013 waren es noch 24. Auch die Möglichkeiten, Immobilien zu spekulativen Zwecken zu kaufen, wurden eingeschränkt. Stattdessen soll der Binnenkonsum eine stärkere Rolle übernehmen.
China wird sich also auf niedriges Wachstum einstellen - und das ist gut so.