Exportüberschüsse Das schleichende Gift

Deutschland steht wegen seiner hohen Exportüberschüsse schon lange in der Kritik. Wenn die Überschüsse weiter steigen, kann das fatale Folgen haben. Und zwar für die gesamte Währungsunion. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Es ist im wohlverstandenen Eigeninteresse Deutschlands, möglichst schnell von den hohen Überschüssen herunterzukommen. Quelle: dpa

Frankfurt Bisher trotzt Deutschlands exportorientiertes Wirtschaftsmodell allen Widrigkeiten: dem bevorstehenden britischen EU-Austritt und den heftiger werdenden Handelsstreitigkeiten mit den USA. Die Exporte steigen weiter kräftig. Im August sogar doppelt so stark, wie von Ökonomen angedacht. Weil die Importe im Vergleich nur etwas stärker zulegen, hält der deutsche Handelsüberschuss sein extrem hohes Niveau. Gut 160 Milliarden Euro betrug er in den ersten acht Monaten, wobei rund zwei Drittel des Überschusses aus dem Handel mit Nicht-EU-Ländern wie den USA und China resultieren.

Im Handel mit den Ländern des Euro-Raums ist der Überschuss aber eher gering. Das bedeutet allerdings nicht, dass im gemeinsamen Währungsraum alles im Lot wäre. Gäbe es die nationalen Währungen noch, hätte die D-Mark in Anbetracht der hohen Überschüsse schon längst kräftig aufgewertet und dafür gesorgt, dass die Deutschen reicher werden und sich mehr (Import-)Güter leisten können. Deutsche Waren würden im Ausland teurer werden. Umgekehrt wären Lira und Co. – und damit die Waren der Südländer – ohne die Währungsunion mit Deutschland sehr viel billiger. Und die anderen Euro-Länder hätten es leichter, wirtschaftlich wieder auf einen grünen Zweig zu kommen.

Solange Deutschland es nicht schafft, sich von seinen extremen Handelsüberschüssen zu entwöhnen, werden die Spannungen innerhalb der Währungsunion ebenso anhalten wie die transatlantischen Spannungen. Ohne einen beträchtlichen politischen Preis sind die nicht minder beträchtlichen ökonomischen Vorteile Deutschlands aus einer Währungsunion mit vielen deutlich schwächeren Staaten nicht zu haben. Die Kosten könnten auch noch beträchtlich steigen, wenn sich die Zersetzungstendenzen der EU fortsetzen.

Dass die seit langem latent vorhandenen Sezessionsbestrebungen Kataloniens so virulent geworden sind, dürfte auch mit der Wirtschaftskrise Spaniens der letzten acht Jahre zusammenhängen. Und in Sachen Griechenland wird es bald die unangenehme Wahl geben: zwischen ausdrücklichem Schuldenerlass und einer Neuauflage der Spekulationen um einen Austritt oder Rauswurf Griechenlands aus dem Euro-Raum. Solche Spekulationen bedeuten, dass die Währungsunion insgesamt in Frage gestellt wird.

Deshalb ist es im Eigeninteresse Deutschlands, möglichst schnell von den hohen Überschüssen herunterzukommen. Die Rezepte sind bekannt: höhere Investitionen, höhere Staatsausgaben und/oder niedrigere Einnahmen sowie höhere Löhne. Das wird zwar für sich genommen Griechenland nicht sanieren, aber wenn die Südländer insgesamt wirtschaftlich besser dastehen, birgt nicht jedes Problem eines kleinen Landes oder einer großen Bank gleich die Gefahr unkontrollierter Kettenreaktionen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%