Feldzug gegen Terrormiliz Syrische US-Verbündete in der Falle des IS

Der erste große Praxistest scheitert: Syrische Kämpfer sollten mit US-Luftunterstützung den strategisch wichtigen Ort Bukamal erobern. Warum die militärische Offensive der Neuen Syrischen Armee misslang.

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Spezialkräfte der Freien Syrischen Armee: Eine Militäroffensive mit Unterstützung der US-Luftwaffe ist gescheitert. Quelle: Reuters

Beirut Der Hilferuf der syrischen Kämpfer kam gegen Mittag. Erst Stunden zuvor hatte die Truppe der Neuen Syrischen Armee siegesgewiss die Einnahme des Luftstützpunktes Hamdan nahe der irakischen Grenze gemeldet, auf dem sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“ breitgemacht hatte. Die Freude war verfrüht. „Wir sitzen in der Falle“, meldeten schon bald die Rebellenkämpfer, die ihre Offensive mit US-Luftunterstützung gestartet hatten. „Betet für uns.“

Dann brach der Kontakt zur Kommandozentrale ab. Sechs Stunden später gelang der Truppe die Flucht zurück in ihren Stützpunkt in Tanf. Vier Kämpfer, vier Fahrzeuge und jede Menge Munition waren verloren. Auch viel Selbstbewusstsein und Vertrauen in die Stärke der von den USA aufgebauten Kampfeinheit blieben auf der Strecke.

Die ernüchternde Niederlage in der vergangenen Woche war das Ende einer nur kurzlebigen Offensive, die als erster großer Praxistest der neuen, rund 1000 Kämpfer starken Gruppierung gelten sollte. Die USA lieferten Unterstützung aus der Luft, um den Weg auf Bukamal freizumachen – einem strategisch wichtigen Ort für den IS kurz vor dem letzten Grenzübergang zwischen Syrien und dem Irak, den die Terrormiliz derzeit hält.

Die Neue Syrische Armee, die im November als Bündnis von Überläufern aus den Regierungstruppen, lokalen Milizen und Anhängern von Islamisten entstand, war überfordert. Das Gelände ist unübersichtlich, die Loyalitäten der Clans sind unberechenbar. Und der IS ist zwar geschwächt, aber nach wie vor zum Kampf an mehreren Fronten fähig.

Zunächst meldete die Neue Syrische Armee noch erste Erfolge beim Vormarsch auf die 160.000-Einwohner-Stadt Bukamal am Ufer des Euphrat. Doch nach der Einnahme des kleinen Luftstützpunktes Hamdan kam der Rückschlag: Sie hätten zwei oder drei Zugänge zum Stützpunkt gesichert, aber einen weiteren außer Acht gelassen, berichtete ein Kämpfer nach der gescheiterten Offensive. Über diesen seien die IS-Truppen vorgedrungen und hätten den Stützpunkt umstellt.

Schwere Gefechte und weitere Luftschläge der Amerikaner machten der Neuen Syrischen Armee schließlich den Fluchtweg frei. Es sei ein „sehr harter Kampf“ gewesen, bekräftigt Christopher Garver, Sprecher der US-Truppen. Zugleich räumt er ein, dass die Bukamal-Offensive ein Rückschlag war. Jetzt gelte es, sie genau zu analysieren, um künftige Einsätze abzuschätzen.


Schwierige Suche der USA nach Verbündeten

Bei der Suche nach örtlichen Verbündeten in Syrien haben sich die USA nicht leicht getan. Bis auf die Kurden, die im Norden gegen den IS kämpfen, gibt es wenige Partner. Ein Grund dafür ist auch, dass für Washington der Feldzug gegen den IS im Vordergrund steht und nicht der von den Rebellen geforderte Sturz der Regierung.

Die Neue Syrische Armee wurde nach eigenen Angaben seit Juni von Amerikanern und Briten ausgebildet, mit jordanischen Militärangehörigen als Beratern. Beobachter und Aktivisten berichten von besserer Ausstattung, als sie sonst bei Rebellentruppen zu sehen seien. Dazu gehören demnach besondere Fahrzeuge für das schwierige Gelände und Waffen aus den USA. Washington hat sich nicht näher zum Ausmaß seiner Unterstützung geäußert, das US-Militär spricht aber von der Neuen Syrischen Armee als „Partner“.

Die Gruppe habe eindeutig keinen guten Start gehabt, sagt Jennifer Cafarella vom Analyse- und Forschungsinstitut für Kriegsstudien ISW in Washington. Die Neue Syrische Armee aber betont, sie sei trotz der Niederlage noch längst nicht geschlagen. Ob sie auch weiterhin auf Rückendeckung von örtlichen sunnitischen Kämpfern hofft, lässt der Sprecher offen.

Beim Bukamal-Vorstoß hätten sie darauf gesetzt, aber sie nicht bekommen, sagt Truppenmitglied Chaled al-Hamad. Analysten gingen davon aus, dass die Kämpfer anders als kurdische oder schiitische Milizen Unterstützung aus der sunnitischen Bevölkerung gewinnen könnten.

Eine Reihe sunnitischer Clans in der Region hat sich bislang – teils aus schierer Angst vor dem IS – mit der Terrorgruppe verbündet. Deren Gefolgschaft scheint sich der IS aber nicht sicher: Erst kürzlich kappte er die Internetverbindung in Bukamal, was als Versuch gewertet wurde, Zustrom zur Neuen Syrischen Armee zu verhindern. Außerdem verbreitete der IS nach Berichten der Rebellenkämpfer das Gerücht, die Neue Syrische Armee sei auf Bukamal vorgerückt, um mögliche Sympathisanten aus der Reserve zu locken.

Das offenbar ist ihm zumindest nicht gelungen. Den jordanischen Militäranalysten Fajes al-Duweri überrascht dies nicht. Er ist sich sicher, dass mögliche Unterstützer nicht aus der Deckung kommen würden: Sie „bewegen sich nicht, bis sie nicht sicher sind, dass der IS geschlagen wird, denn sie kennen dessen Brutalität“.

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