Flüchtlingskrise Waffen für Nahost, Flüchtlinge für Deutschland

Die Flüchtlingskrise ist die Quittung für Europas Gleichgültigkeit. Deutschland zahlt den Preis für seine Naivität und Leisetreterei.

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Luftaufnahme aus einer Drohne mit Blick auf Flüchtlinge, die einen Grenzübergang zwischen Griechenland und Mazedonien passieren. Quelle: dpa

Die humanitäre Katastrophe in Syrien zieht sich nun schon seit Jahren hin. Interessiert hat das in der europäischen Politik aber niemanden so richtig. Den Krisenherd Syrien haben die Europäer lieber anderen und deren machtpolitischen Interessen überlassen.

Als der Flüchtlingsstrom an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) nicht mehr aufzuhalten war, war es ganz schnell vorbei mit der europäischen Solidarität. Nur Schweden, Österreich und Deutschland fühlen sich zuständig für die Flüchtlinge. Der Rest der EU spielt weiter „Europa à la carte“. Man sucht sich nur das aus, was einem zusagt. Die Flüchtlinge gehören nicht dazu. Das wird lange nachwirken.

In Berlin und Brüssel glaubt man zwar noch an ein temporäres Problem, aber das Flüchtlingsproblem wird sich in den nächsten Jahren eher noch verschärfen. Heute sind es die Flüchtlinge aus Syrien, morgen die aus Libyen und übermorgen jene aus Schwarzafrika. Südlich der Sahara werden in 20 Jahren vermutlich 900 Millionen mehr Menschen leben und nach Arbeit und einer Zukunft suchen. Findet sich für den afrikanischen Kontinent keine tragfähige Lösung, ist kein Ende des Flüchtlingsstroms nach Europa in Sicht.

Über das Mittelmeer nach Europa: Zahlen zu Flüchtlingen

So wichtig und richtig jetzt die deutsche Hilfe für die Flüchtlinge ist, sie wird irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Ein dauerhafter Zustrom von Hunderttausenden überwiegend junger Männer aus einer anderen Kultur, mit einer anderer Mentalität und einer anderen Religion ist schon ein Problem an sich. Die langfristigen Risiken einer fehlgeschlagenen Integration sind hier besonders hoch. Niemand kann wollen, dass Thilo Sarazzin („Deutschland schafft sich ab“) am Ende doch noch Recht behält.

Die Integration von Türken in Deutschland hat nur da einigermaßen geklappt, wo ausreichend industrielle Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Doch dieses Angebot wird es auf dem deutschen Arbeitsmarkt in Zukunft nicht mehr geben. Die Onlinebank ING-Diba hat eine Studie zu den Folgen der Automatisierung für den deutschen Arbeitsmarkt erstellt.

Von den 30,9 Millionen in der Studie berücksichtigten sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten seien 18,3 Millionen Arbeitsplätze in ihrer jetzigen Form von der fortschreitenden Technologisierung in Deutschland bedroht.

Gerade wegen des großen Industriesektors wäre Deutschland besonders stark vom Technologiefortschritt betroffen. Die Vorstellung, man könne mit Immigranten die Probleme des deutschen Arbeitsmarktes und der Sozialkassen lösen, könnte sich also als Wunschvorstellung herausstellen.

Auslöser allen Übels

Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise wird es für Berlin höchste Zeit, im Syrien-Konflikt Farbe zu bekennen und die Dinge beim Namen zu nennen. Der Krieg in Syrien ist eben nicht, wie in den meisten Medien behauptet, ein religiöser Krieg zwischen fanatisierten Sunniten und Schiiten, dem der zivilisierte Westen machtlos gegenübersteht.

Auch in Syrien geht es in erster Linie um Rohstoffe, vor allen Dingen um Erdgas. Die Flüchtlinge sind so gesehen ein „Kollateralschaden“ dieses Rohstoffkrieges. Wer das einmal verstanden hat, kommt einer Lösung des sich gerade wieder zuspitzenden Syrien-Konflikts und der Flüchtlingskrise vielleicht ein Stück näher. Wer Europa aus dem Nahen Osten mit Erdgas beliefern will, kommt an Syrien nicht vorbei. Das Land liegt wie ein Sperrriegel vor der Türkei und dem Mittelmeer. Große Erdgasvorräte in der Region besitzen der Iran und Katar.

Bewegung in das Spiel um Macht und Einfluss an den Energiemärkten des Nahen Ostens brachte 2009 die Entdeckung riesiger Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer, als deren potenzielle Ausbeuter Zypern, Libanon, Israel und Syrien in Frage kommen. Erstmals schien es möglich, die geplante Nabucco-Erdgaspipeline, die die EU mit den Erdgasvorkommen im Kaspischen Meer verbinden sollte, ausreichend auszulasten und deren Umsetzung auch zu realisieren. Syrien war also zu einem wichtigen Faktor am Erdgasmarkt geworden.

Für Katar war der Erdgasfund eine unerwartete Chance, seine gigantischen Erdgasvorräte zu kommerzialisieren. Katar verfügt über die weltweit drittgrößten Erdgasreserven. Mangels Pipeline muss das Erdgas in Katar aber erst verflüssigt und dann mit Spezialschiffen über das Meer transportiert werden, was mit hohen Kosten verbunden ist. Zusammen mit der Türkei unterbreitete Katar deshalb Damaskus einen Plan für den gemeinsamen Bau einer Erdgaspipeline in die Türkei.

Syriens Staatspräsident Baschar al-Assad, ein enger Verbündeter Russlands, lehnte den Vorschlag erwartungsgemäß ab um die Interessen des Kremls zu schützen. Nach Informationen der „Financial Times“ soll Katar allein in den zwei Jahren bis Mitte 2013 die Rebellen in Syrien mit rund drei Milliarden Dollar unterstützt haben. Die Verhandlungen Assads über den Bau einer Pipeline, die das gigantische South-Pars-Erdgasfeld im Iran über den Irak nach Syrien und weiter über den Libanon mit Europa verbinden sollte, besiegelten dann das Schicksal des Assad-Regimes.

Assad hatte es sich endgültig mit den Golfstaaten verscherzt. Katar, Saudi-Arabien und die Türkei begannen, den syrischen al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra sowie die Kämpfer der Terrorgruppe ISIS zu finanzieren und mit Waffen auszustatten. Der Rest ist bekannt.

Waffenexporte werden zum Sicherheitsrisiko

Eigentlich undenkbar, dass Saudi-Arabien und Katar für EU-Staaten Partner sein können und deren Streitkräfte von europäischen Rüstungskonzernen mit Kriegsmaterial versorgt werden. Großbritannien hat sich in den vergangenen Jahren mit Waffenlieferungen in die Golfstaaten auffallend zurückgehalten, die Schweiz stoppte im März alle Waffenexporte in die Region wegen des Krieges im Jemen.

In die Lücke gestoßen ist Frankreich. Das Land ist politisch, wirtschaftlich und militärisch eng mit Saudi-Arabien und Katar liiert.

Katar ist einer der größten ausländischen Investoren in Frankreich. Über den Staatsfonds QIA hat sich das Emirat in Frankreich Immobilien, Industriebeteiligungen und mit Paris Saint-Germain einen großen europäischen Fußballclub zugelegt. Mit Blick auf die Milliarden schweren Rüstungsgeschäfte, die Frankreich in diesem Jahr mit Ägypten und Katar abgeschlossen hat, wird Staatspräsident Francoise Hollande in seiner Heimat, in Anlehnung an Lawrence von Arabien, bereits als “Francois d`Arabie” gefeiert.

Die Rolle als Schutzherrin für die Flüchtlinge will Hollande Bundeskanzlerin Angela Merkel aber nicht streitig machen. Paris setzt auf eine europäische Aufgabenteilung. Frankreich will militärisch und politisch handeln, während Deutschland die Hauptaufgabe bei der Flüchtlingsaufnahme übernehmen soll. Und so sieht die Aufgabenteilung konkret aus: Binnen zweier Jahre sollen bis zu 24 000 Flüchtlinge in Frankreich aufgenommen werden. Zum Vergleich: Soviel Flüchtlinge kommen in München innerhalb von zwei Tagen an.

Im April hat Frankreich Rafale-Kampfflugzeuge im Wert von 6,3 Milliarden Euro an Katar verkauft. Das entspricht in etwa der Summe, die Deutschland in diesem Jahr für die Flüchtlingshilfe ausgeben will.
Irgendwann müssen Zeichen gesetzt werden.

Die Bundesregierung tut deshalb gut daran, die geplante Panzer-Fusion des deutschen Leopard-Herstellers Krauss-Maffei Wegmann mit dem französischen Konkurrenten Nexter Systems nicht nur, wie angekündigt, genauer unter die Lupe zu nehmen, sondern wegen der Gefährdung wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland ganz abzulehnen.

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