Flüchtlingspakt mit der Türkei EU will an Abkommen mit Ankara festhalten

Nur ein Tag, dafür aber eine lange Tagesordnung: Auf die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten wartet an diesem Donnerstag ein ungewöhnlicher Dezembergipfel. Das Konfliktpotenzial ist groß.

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Auf dem EU-Gipfel wird die Flüchtlingskrise erneut eine wichtige Rolle spielen. Quelle: dpa

Brüssel Die Europäische Union will trotz der Spannungen mit der türkischen Führung am Flüchtlingspakt festhalten. Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, das Abkommen funktioniere und müsse weiter umgesetzt werden. Seit dem Inkrafttreten der Vereinbarungen im März seien durchschnittlich nur noch 90 Flüchtlinge pro Tag auf den griechischen Inseln angekommen – im Vergleich zu 10.000 an einem einzigen Tag im Oktober des vergangenen Jahres.

In anderen Fragen der Asyl- und Außenpolitik herrscht in der EU indes weiter Streit. „Wir wandern auf einem Minenfeld“, sagte ein hoher EU-Beamter am Mittwoch in Brüssel.

Österreich hatte bei einem Vorbereitungstreffen am Dienstag durchsetzen wollen, dass die 2005 begonnenen Beitrittsgespräche mit Ankara eingefroren werden. Eine Erklärung schrieb dann zumindest fest, dass die Gespräche nicht ausgeweitet werden. Hintergrund ist das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Kritiker nach dem Putschversuch im Juli.

Keine Einigkeit gab es vor dem Gipfel auch über die nächsten Schritte in der Flüchtlingskrise. Ungarn und Italien forderten nach Angaben aus EU-Kreisen bis zuletzt Änderungen am Entwurf der Schlusserklärung. Die Regierung in Budapest will demnach die Diskussion über eine Umverteilung von Flüchtlingen abbrechen und plädiert für Aufnahmezentren in Nordafrika. Italien unterstützt diese Idee zwar, fordert aber weiter auch eine Verteilung der Menschen, die nach wie vor zu Zehntausenden übers Mittelmeer kommen.

Kommissionspräsident Juncker sagte Italien in einer Rede vor dem Europaparlament Unterstützung zu: „Wir werden Italien in der Flüchtlingskrise nicht alleine lassen.“ Er bezog dies unter anderem auf die Haushaltsdisziplin des hoch verschuldeten Eurolandes. Der Wachstums- und Stabilitätspakt solle flexibel ausgelegt werden, sagte Juncker.

Neben der Asylfrage war vor dem EU-Gipfel noch ein weiteres heikles Thema offen: Eine Erklärung soll es den Niederlanden ermöglichen, doch noch das EU-Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine zu ratifizieren – obwohl die Wähler bei einem Referendum im Frühjahr Nein sagten. Der Regierung in Den Haag soll zugesichert werden, dass das Abkommen mit Kiew der Ukraine nicht den Weg in die EU öffnet.

Weitgehend Einigkeit besteht nach Angaben von EU-Beamten über die Stärkung der Zusammenarbeit bei Verteidigung und Sicherheit. Die Europäer müssten mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen, heißt es im Entwurf der Schlusserklärung, und dazu gehöre auch, „dass ausreichende zusätzliche Ressourcen zugesagt werden“. Im Klartext: Die Militärausgaben sollen aufgestockt werden.

Weiteres Thema des EU-Gipfels wird die Ausweitung des seit 2014 laufenden Investitionsprogramms, das nach Junckers Angaben bereits 154 Milliarden Euro für Investitionen mobilisiert hat. Auch sollen Pläne der Kommission unterstützt werden, die Mittel für eine Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit um zwei Milliarden Euro aufzustocken.

Kein grundlegender Kurswechsel wird in der Syrienpolitik erwartet. Trotz der jüngsten Entwicklungen in Aleppo soll weiter auf konkrete Sanktionsdrohungen gegen Russland verzichtet werden. Im jüngsten Entwurf für die Abschlusserklärung wird Russland zwar mit deutlichen Worten eine Mitverantwortung für Angriffe auf Zivilpersonen und Krankenhäuser in Aleppo vorgeworfen. Von möglichen neuen Strafmaßnahmen ist jedoch nicht die Rede.

Die Gemeinschaft hat bereits wegen der Ukrainekrise Sanktionen gegen Russland verhängt. Beim Gipfel will man sich einigen, sie über Januar hinaus zu verlängern.

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