Folgen der Griechenland-Wahl Anlegerschützer offen für Euro-Austritt Athens

Ein Schuldenschnitt würde die Probleme Griechenlands nicht lösen, sind Experten überzeugt. Eine Option wäre, dass das Mittelmeerland aus dem Euro ausscheidet. Auch in der Politik wird ein solcher Schritt gutgeheißen.

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Wie geht es weiter mit Griechenland? Nach der Wahl könnte auch ein Euro-Austritt wieder in den Fokus rücken. Quelle: dpa

Berlin Nach Auffassung der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) wird ein möglicher neuer Schuldenschnitt für Griechenland dem Land nur kurzfristig Entlastung bringen. „Um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen zu können, muss Griechenland unserer Einschätzung nach wohl entweder aus dem Euro ausscheiden, oder wirklich ein umfangreiches Reformprogramm vollziehen“, sagte SdK-Vorstandsmitglied Daniel Bauer dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Bisher wurde wohl vor allem in der Mittel- und Unterschicht gespart, aber kein wirkliches Reformprogramm, zum Beispiel die Sicherstellung des Zugangs zu allen Märkten und eine Steuerreform, vollzogen. Hier könnte die Abwahl der bisherigen Eliten in der Politik eventuell für neuen Schwung sorgen.“

Ein Euro-Austritt Griechenlands ist auch für den Frankfurter Ökonomen Thorsten Polleit eine mögliche Option. Er begründete dies damit, dass die bisherigen „Rettungspolitiken“ ihr Ziel nicht erreicht hätten. Griechenlands Schuldenquote sei immer weiter angestiegen, trotz eines bereits erfolgten Schuldenschnittes im März 2012. „Das Eingreifen der Staaten in die griechische Schuldenkrise hat zudem dazu geführt, dass den Steuerzahlern Zahlungsausfälle aufgebürdet wurden, die eigentlich die privaten Gläubigern tragen müssten“, sagte Polleit dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Mit den Krediten der Staatengemeinschaft seien vor allem auch Kredite abgelöst worden, die Banken und andere Finanzinstitute den Griechen zuvor gewährt hatten.

Daher kämen zwei Handlungsoptionen infrage, so Polleit. „Griechenland steigt aus dem Euro aus, führt eine neue Währung ein und erhält die Option, zu einem späteren Zeitpunkt den Euro wieder anzunehmen.“ Die griechischen Schulden würden dann in die neue griechische Währung umgestellt. Den Gläubigern würde dann ein Verlust in Höhe der Abwertung der Griechenwährung gegenüber dem Euro entstehen. Die andere Möglichkeit wäre, dass Griechenland im Euro-Raum bleibe und eine Schuldenverringerung mit den Gläubigern verhandelt werde. Die Verluste seien dann von den Gläubigern zu tragen.

Der Chef der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, fordert bereits von Griechenland, die Euro-Zone zu verlassen. „Ein Schuldenschnitt für Griechenland muss sein - insoweit hat Syriza völlig recht“, sagt Lucke der Agentur Reuters. Das Geld sei ohnehin verloren. „Aber wenn wir jetzt endgültig darauf verzichten, muss Griechenland im Gegenzug den Euro verlassen.“ Nur so könne das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen.


„Wird die Bereinigung der Überschuldung verschleppt, wird es teuer“

Der Ökonom Polleit tut sich auch schwer mit einem Schuldenschnitt. „Schließlich handelt es sich um eine Nichterfüllung eines Vertragsverhältnisses“, sagte er. „Ein Schuldenschnitt könnte zudem Schule machen, andere Schuldner könnten ebenfalls eine Verringerung ihrer Zahlungsverpflichtungen verlangen.“ Ein Schuldenschnitt sei überdies „kein Allheilmittel“, fügte der Ökonom hinzu. Er müsse begleitet sein von einer Politik des ausgeglichenen Haushalts. „Sonst entstehen gleich wieder Defizite, und die Schuldenlasten bauen sich erneut auf.“

Allerdings, so Polleit weiter, erscheine im Falle Griechenlands ein Schuldenschnitt unausweichlich. „Mit einer Schuldenquote von mehr als 170 Prozent ist das Land überfordert – und das selbst bei künstlich gesenkten Kreditzinsen“, sagte er. Zudem sei festzustellen, dass die Kreditgeber ihrer Verantwortung gegenüber dem Kreditnehmer nicht gerecht geworden seien. „Sie haben den Griechen sehenden Auges Geld geliehen, obwohl das Land derartig hohe Schulden nicht tragen kann.“

Auch der Anlegerschützer Bauer wies auf die schwierige Lage hin. Es sei „eher unwahrscheinlich, dass Griechenland trotz umfangreicher Hilfsprogramme von Seiten der Euro-Länder mittelfristig die Zins- und Tilgungszahlungen für die bestehenden Staatsschulden aus eigener Kraft leisten können wird“. Da die Zinsen für die bilateralen Kredite an Griechenland bereits auf nahe Null gesenkt worden seien, Griechenland für einen Großteil seiner Schulden also bereits heute weniger Zinsen zahlen müsse als die Länder, von denen sich Griechenland das Geld geliehen habe, scheine ein weiteres Entgegenkommen von Seiten der Gläubiger bei den Konditionen „wenig hilfreich“ zu sein. „Daher dürfte ein harter Schuldenschnitt nicht ausgeschlossen sein, denn wirtschaftlich gesehen dürfte die derzeitige Schuldenlast von Griechenland nicht getragen werden können“, ist Bauer überzeugt.

Ein solcher Schuldenschnitt müsse jedoch dieses Mal auch die Europäische Zentralbank (EZB) treffen, betonte der Anlegerschützer. Denn die EZB sei bereits beim letzten Schuldenschnitt im Jahr 2012 durch einen Buchungstrick verschont geblieben. Es gebe zudem „keine erkennbare gesetzliche Grundlage“, nach der ausgeschlossen sei, „dass die EZB nicht wie jeder andere Gläubiger behandelt wird, sofern diese zuvor wie ein Privatmann an den Märkten Staatsanleihen gekauft hat“.

Unabhängig davon sieht der Ökonom Polleit dringenden Handlungsbedarf. „Wird die Bereinigung der Überschuldung verschleppt, wird es teuer für die Volkswirtschaften“, warnte er. „Die EZB muss die Zinsen künstlich herabdrücken und die Geldmenge ausweiten, und das führt zu Fehlentwicklungen auf breiter Front: Fehlinvestitionen, Spekulationsblasen und Geldentwertung.“

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