FPÖ, AfD, Front National Rechtspopulisten werden zur Gefahr für Europa

In Österreich könnte ein Euro-Gegner zum Bundespräsidenten gewählt werden. Auch in anderen wichtigen EU-Ländern sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. Die Folgen könnten verheerend sein, warnen Ökonomen.

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Protest gegen den FPÖ-Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl in Wien: Österreich könnte als erstes Land in der Europäischen Union einen Rechtspopulisten als Staatsoberhaupt bekommen. Quelle: dpa

Berlin Österreich könnte als erstes Land in der Europäischen Union einen Rechtspopulisten als Staatsoberhaupt bekommen. Der Kandidat der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei (FPÖ), Norbert Hofer, hatte die erste Runde der Präsidentenwahl mit gut 35 Prozent klar gewonnen. Für die FPÖ war das ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung.

Hofer tritt in der Stichwahl am Sonntag gegen den unabhängigen Ex-Parteichef der Grünen, Alexander Van der Bellen, an. Für den dürfte es Politikberatern zufolge aber sehr schwer werden, den großen Vorsprung des FPÖ-Kandidaten einzuholen. Vielleicht stellt die FPÖ nach der nächsten Parlamentswahl sogar den Bundeskanzler. Der deutliche politische Rechtsdrift ist auch andernorts in Europa zu beobachten.

Dass Anti-EU-Kräfte auch in anderen Kernländern des Euro-Raums auf dem Vormarsch sind, stellt nach Einschätzung von Experten der Commerzbank eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Europa dar. „Vom Kern der Währungsunion gehen mittlerweile größere Gefahren aus als von den Peripherieländern, die die Währungsunion gar nicht verlassen wollen“, heißt es in einer Analyse des Chefvolkswirts der Bank, Jörg Krämer, und des Commerzbank-Analysten Ralph Solveen.

Für Krämer und Solveen stecken die Regierungen der Währungsunion in dem Dilemma, dass sie aus Angst vor einem weiteren Erstarken der Rechtspopulisten wichtige EU-Projekte gar nicht mehr offensiv forcieren. Etwa, in dem sie die ungelösten Probleme der Währungsunion dadurch angehen würden, dass sie sich strengeren Haushaltsregeln unterwerfen oder in der Finanz- und Wirtschaftspolitik mehr Kompetenzen an Brüssel übertragen. „Mehr Europa ist zu unpopulär geworden“, konstatieren die Ökonomen.

Krämer und Solveen sprechen von einem „hässlichen Gleichgewicht“, indem sich die Euro-Zone befinde, weil damit die Europäische Zentralbank (EZB) gezwungen sei, „die ungelösten Probleme der Währungsunion mit einer lockeren Geldpolitik zu überdecken, die viele negative Nebenwirkungen hat“. So nähmen die Negativzinsen der EZB Reformdruck von den Regierungen, beförderten Übertreibungen an den Häusermärkten und schwächten die Altersvorsorge. „Diese Nebenwirkungen sind Wasser auf die Mühlen der Euro-Gegner und werden sie langfristig weiter stärken“, sind die Experten überzeugt. „Das Restrisiko eines Zerfalls der Währungsunion bleibt real.“


Warum Euro-Kernländer einen Euro-Austritt besser verkraften würden

Dabei denken die meisten Beobachter, wenn es um Risiken für den Bestand der Währungsunion geht, eher an die hoch verschuldeten Euro-Südländer. Das sei „naheliegend“, so die Commerzbank-Experten, zumal die Staatsschuld in Griechenland, Italien und Portugal in Relation zum Bruttoinlandsprodukt mehr als das doppelte dessen beträgt, was der Maastricht-Vertrag maximal erlaube (60 Prozent), ohne dass sich ein „klarer Abwärtstrend“ der Schuldenquoten zeige. 

Aber, geben die Experten zu bedenken, die Peripherieländer wollten die Währungsunion nicht verlassen. Sogar Griechenland habe sich auf dem Höhepunkt der Krise Mitte vergangenen Jahres dagegen entschieden. „Schließlich würde die Angst vor der Einführung einer weichen nationalen Währung eine massive Kapitalflucht auslösen, die das dortige Bankensystem kollabieren ließe, sofern man nicht Kapitalverkehrskontrollen verhängt, die aber ebenfalls wirtschaftlich desaströse Auswirkungen hätten.“ 

Ein Kernland der Währungsunion hätte dieses Problem nach Ansicht der Bankenvolkswirte nicht, weil es nach einem Euro-Austritt mit einer eigenen, stabilen Währung eher Kapital von außen anziehen würde. „Zwar würde diese Währung massiv aufwerten, was zu einer scharfen Rezession und schweren politischen Turbulenzen in der EU führen würde“, so Krämer und Solveen. Aber sei der politische Frust über das Nicht-Funktionieren der Währungsunion und den Risikotransfer zu Lasten der Kernländer erst einmal groß genug, könne ein von EU-Gegnern geführtes Kernland viel eher als ein Peripherieland das Wagnis eingehen, die Währungsunion zu verlassen.

„Das“, so die Experten, „könnte der Anfang vom Ende des Euro sein“. Das Schicksal der Währungsunion entscheide sich daher eher im Kern als am Rand der Währungsunion. „Deshalb sollten Anleger genau darauf achten, wie sich der Einfluss der EU-Gegner in den Kernländern der Währungsunion entwickelt.“


Juncker lehnt Dialog mit der FPÖ ab

Beispiel: Österreich. Am Sonntag wählen die Österreicher ihren neuen Bundespräsidenten. Es wird eine richtungsentscheidende Wahl. Beobachter sagen dem Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ Norbert Hofer einen leichten Vorsprung voraus, sind aber mangels Umfragen nach der ersten Wahlrunde vorsichtig. In der ersten Runde hatte Hofer 35 Prozent der Stimmen erhalten, der von den Grünen unterstützten Kandidat Alexander Van der Bellen 21,3 Prozent.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker richtet vor der entscheidenden Stichwahl bereits deutliche Worte an die FPÖ. „Die Österreicher hören das nicht gern, aber das ist mir egal. Mit den Rechtspopulisten ist weder eine Debatte noch ein Dialog möglich.“

Die FPÖ ist seit Jahren im Aufwind. Sie legte bei den jüngsten Regionalwahlen in Wien, Oberösterreich und Burgenland stark zu und kommt in Umfragen auf Bundesebene auf ein Drittel der Wählerstimmen. Die Vorgänge in Frankreich zeigen aber, dass Favoriten nicht zwangsläufig als Gewinner aus einer Wahl gehen müssen. Dort sah die Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, bei den Regionalwahlen im Dezember nach der ersten Runde wie die Siegerin aus. Im zweiten Durchgang ging sie jedoch in allen umkämpften Regionen leer aus.

Dennoch: Sollten sich die komfortablen Umfragen für die FPÖ auch in Wahlergebnissen niederschlagen, könnte sie bei den spätestens im Herbst 2018 anstehenden Parlamentswahlen mit Abstand die meisten Mandate erringen. Dann könnte nur ein Dreierbündnis gegen die FPÖ eine Mehrheit im Parlament bilden. Wahrscheinlicher wäre allerdings eine Koalition der FPÖ mit einer der beiden aktuellen Regierungsparteien, die bei diesen auch schon rege diskutiert wird.

Die Commerzbank-Experten geben zu bedenken, dass die FPÖ schon jetzt die österreichische Politik „spürbar“ beeinflusse. Schließlich habe die Große Koalition ihre Flüchtlingspolitik auch wegen der hohen Umfragewerte für die FPÖ geändert. „Der Einfluss der FPÖ würde noch einmal deutlich steigen, wenn sie an der Regierung beteiligt wäre – zumal sie dann wohl, anders als bei solchen Konstellationen in der Vergangenheit, den Bundeskanzler stellen würde“, heißt es in der Analyse von Krämer und Solveen. Beschleunigt werden könne dieser Machtwechsel, wenn am Sonntag der FPÖ-Kandidat Hofer zum Bundespräsidenten gewählt würde. 


Front National ist deutlich stärker geworden

Beispiel: Niederlande. Auch in den Niederlanden könnten die Euro-Gegner der Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders nach der Wahl im kommenden März die stärkste Fraktion stellen. Laut aktuellen Umfragen könnte sie bis zu ein Viertel der Mandate erringen. „Damit dürfte es schwer  werden, gegen sie eine Regierung zu bilden“, sind die Commerzbank-Analysten überzeugt. Denn hierfür müssten sich vier andere Parteien zu einer Koalition zusammenschließen. Ein solches „sehr heterogenes“ Bündnis wäre dann aber wohl immer wieder Angriffen der PVV ausgesetzt, was es wahrscheinlich destabilisieren würde. 

Eine Regierung unter Beteiligung von Wilders PVV sei aber auch „kein  Selbstläufer“, wie die Vergangenheit zeigt. Im Jahr 2012 waren in den Niederlanden vorgezogenen Neuwahlen notwendig geworden, nachdem der Rechtspopulist Wilders der Minderheitsregierung seine Unterstützung entzogen hatte. Wilders hatte das geplante Sparpaket abgelehnt. Um das Haushaltsdefizit auf die von der Europäischen Union geforderte Drei-Prozent-Norm zu senken, hätten die Niederlande rund 20 Milliarden Euro einsparen müssen.

Für problematisch halten die Commerzbank-Experten auch den Umstand, dass jüngst beim niederländischen Referendum zum im Land umstrittenen Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine eine deutliche Mehrheit der Wähler gegen den Vertrag gestimmt hatte. Der EU-Gegner Wilders sprach damals von einem „Anfang vom Ende der EU“. Krämer und Solveen blicken daher wenig optimistisch in die Zukunft. Der Einfluss von Wilders Partei auf die Politik der Niederlande werde „sicherlich zunehmen – entweder als Teil der Regierung oder als mit Abstand größte Oppositionspartei“, schreiben sie in ihrer Analyse.

Beispiel: Frankreich. Deutlich stärker geworden ist auch der französische  Front  National  (FN). Dessen Vorsitzende, Marine Le Pen, kommt in den Umfragen für die im Frühjahr 2017 stattfindenden Präsidentschaftswahlen regelmäßig mit gut 30 Prozent auf die höchsten Stimmenanteile, und bei den Regionalwahlen Ende 2015 hat die Partei im ersten Wahlgang in sechs der dreizehn Regionen die meisten Stimmen erhalten. 

„Allerdings“, geben die Banken-Analysten zu bedenken, „haben diese Wahlen auch gezeigt, dass die Partei trotzdem noch weit von der Macht entfernt ist.“ Im entscheidenden zweiten Wahlgang haben sich die ersten Ergebnisse nicht bestätigt. So könnte es für den FN auch bei den Wahlen im kommenden Jahr kommen: Marine Le Pen hat zwar gute Chancen, bei den Präsidentschaftswahlen die zweite Runde zu erreichen, dürfte diese aber nach den aktuellen Umfragen klar verlieren. Und bei den kurz danach anstehenden  Parlamentswahlen dürfte ähnliches geschehen wie bei den Regionalwahlen.


„AfD wird sich vermutlich dauerhaft als politische Kraft etablieren“

Die Commerzbanker halten es allerdings für denkbar, dass der FN bei zukünftigen Wahlen zunehmend Bündnisse mit den  Konservativen anstrebt, wodurch die Rechtspopulisten „der tatsächlichen Macht einen Schritt näher“ kämen. „Zunächst dürfte sich sein Einfluss aber auf den Druck beschränken, den er durch seine vielen Wählerstimmen ausübt. Und dieser macht sich – wenig überraschend –  insbesondere bei den Konservativen bemerkbar“, so Krämer und Solveen. So habe einer ihrer möglichen Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen zuletzt sogar versprochen,  nach einem Wahlsieg ein neuerliches  EU-Referendum abzuhalten. Mit diesem Versprechen war bisher nur Marine Le Pen auf Wählerfang gegangen.

Beispiel: Deutschland. In  Deutschland profitiert die AfD, wie die Commerzbanker konstatieren, von der Rettungspolitik zugunsten der Peripherieländer und zuletzt von  der  Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).  Das gelte umso mehr, als die CDU konservative Positionen weitgehend geräumt habe, so dass die AfD das geschaffene politische Vakuum fülle. „Die AfD wird sich vermutlich dauerhaft als politische Kraft etablieren“, schätzen Krämer und Solveen.

Dadurch seien die in Umfragen schwächelnden großen Parteien immer mehr bei Regierungskoalitionen aufeinander angewiesen. Dadurch verwische ihr Profil weiter, was die Parteien am linken und rechten Spektrum stärke, so die Experten. „Aber anders als in Österreich ist es kaum vorstellbar, dass die AfD mit ihren Anti-EU-Positionen Regierungsverantwortung übernimmt und Deutschland aus der Europäischen Währungsunion führt.“

Beispiel: Finnland. In Finnland ist die Euro-kritische Partei „Die Finnen“ bereits seit dem vergangenen Sommer Teil der Regierungskoalition. „Dieser Realitätstest mag dazu beigetragen haben, dass sie in den Umfragen mit etwa neun Prozent inzwischen nur noch auf die Hälfte des Stimmenanteils kommen , den sie bei der Wahl im April 2015 erreicht hatten“, glauben Krämer und Solveen.

Das ist dann offenkundig nicht ohne Wirkung auf die weitere Regierungspolitik geblieben. Bei Fragen der Währungsunion habe die Regierung ihren Kurs bisher nicht verschärft. Und bei den Verhandlungen über das dritte Hilfsprogramm für Griechenland im Sommer 2015 habe Finnland zwar eher zu den Skeptikern gehört, so die Commerzbank-Experten. Veto-Drohungen gegen das Hilfsprogramm oder besondere Absicherungen gegen Kreditausfälle wie bei den ersten beiden Hilfsprogrammen habe es dieses Mal aber nicht gegeben.


Rechtspopulisten mit „guter Politik“ bekämpfen

In Finnland scheint es mehr oder weniger gelungen, die Rechtspopulisten zu entzaubern. Einen Königsweg für den erfolgreichen Umgang mit solchen Gruppierungen gebe es aber dennoch nicht, lautet die ernüchternde Einschätzung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der CDU-Thinktank verweist dabei in einer jüngst veröffentlichten Analyse auf die Erfahrungen in den Nachbarländern. „Weder moralische Empörung noch Isolierung noch Koalitionsbildung oder Tolerierung haben verhindern können, dass sie zahlreicher und stärker wurden.“ Das beste Mittel gegen rechten Populismus sei daher „gute Politik“. 

Was „gute Politik“ ist, ist jedoch relativ und dürfte sich zudem nicht von heute auf morgen realisieren lassen. Die Commerzbank-Experten Krämer und Solveen halten es deshalb für möglich, dass in den Niederlanden und in Österreich die EU-Gegner bald auf der Regierungsbank sitzen. „In Frankreich und Deutschland wird ihr Einfluss zumindest wachsen“, sind die Volkswirte überzeugt.

„Aber bis auf weiteres“, so ihre Prognose, „dürfte kein Kernland das Abenteuer wagen, die Währungsunion zu verlassen und die EU zu einer Freihandelszone zurechtstutzen.“ Viel zu hoch sei aus Sicht der Regierungen „das Risiko eines Aufwertungsschocks und eines ungeordneten Zerfalls der Währungsunion, den die EU mit ihrem für die Unternehmen essentiellen Binnenmarkt am Ende nicht überleben könnte“. Außerdem würden die westeuropäischen Länder dann wieder von einer deutschen Zentralbank dominiert, was zumindest für Frankreich nicht akzeptabel wäre.

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