Frankreich Angeblicher „Burkini“-Tag nach Protest abgesagt

Ein Verein muslimischer Frauen hat ein Spaßbad in Frankreich gemietet. Eifernde Muslim-Watcher erfanden daraufhin die Geschichte, dort solle ein „Burkini-Tag“ stattfinden. Dann zog der Bürgermeister die Notbremse.

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Die konservative Abgeordnete Valérie Boyer wetterte, bei dem Fall in Frankreich handele es sich „um einen unerträglichen Akt von Parallelgesellschaft“. Quelle: dpa

Paris Frankreichs Rechte feiert einen Sieg: „Burkini-Tag abgesagt“, freuen sich die konservative Tageszeitung Le Figaro und andere Publikationen. Es scheint um eine europaweite Gefahr gegangen zu sein, denn sogar aus Österreich wurde am Mittwoch getwittert: „Das ist ein Sieg unserer Werte, eine gute Entscheidung!“

Was ist passiert? Die scheinbare Kleinigkeit aus dem Bereich Vermischtes zeigt, welchen Grad der Hysterisierung manche Zeitgenossen erreicht haben, in Frankreich und darüber hinaus. Im Marseiller Vorort Les Pennes-Mirabeau hatte „Smile 13“ (13 ist die Nummer des Départements Bouches-du-Rhône), ein Verein muslimischer Frauen, das private Spaßbad „Speedwater Park“ für einen Schwimmtag am 10. September gemietet, für Frauen in Begleitung ihrer bis zu zehnjährigen Kinder. Auf dem Flyer stand, die Frauen sollten keinen Bikini tragen, sondern „mindestens einen einteiligen Badeanzug“.

Eifernde Muslim-Watcher in den sozialen Netzwerken erfanden daraufhin die Geschichte, hier solle ein „Burkini-Tag“ stattfinden. Die Veranstaltung sei der erste Schritt einer Kampagne, um dem Ganzkörper-Badetextil zum Sieg zu verhelfen. Die konservative Abgeordnete Valérie Boyer wetterte, hier handele es sich „um einen unerträglichen Akt von Parallelgesellschaft“. Einige Medien, vor allem Le Figaro, zogen mit – offenbar ohne auch nur ansatzweise zu recherchieren.

Nach kurzer Zeit schaukelte die Sache sich hoch: Die Veranstalterinnen wurden nicht mehr nur beschimpft, sondern auch bedroht. Einige bekamen Pistolenkugeln zugeschickt, damit sie die Drohungen ernst nahmen. Die liberale Senatorin Nathalie Goulet bemühte sich um eine Versachlichung der Debatte und wies darauf hin, dass bei einer privaten Veranstaltung sich jeder anziehen könne, wie er wolle und darüber hinaus der Burkini in Frankreich auch in der Öffentlichkeit nicht verboten sei.

Man kann ihn hässlich oder entstellend oder was auch immer finden; man kann der Ansicht sein, der fetten, über die Badehose quellenden Wampe des Gatten neben einer Burkini-Dame stünde etwas Verhüllung ganz gut – nicht aus religiösen, sondern aus ästhetischen Gründen. Aber anders als die Burka, die das Gesicht verhüllt, handelt es sich beim Burkini um ein völlig legales Kleidungsstück. Die Senatorin erreichte damit allerdings nur, dass auch sie Hassmails und -tweets erhielt.

Der Bürgermeister des Ortes, der eigentlich mit der Veranstaltung einverstanden war, zog daraufhin die Notbremse. Er fürchtete, es könne vor dem Spaßbad zu tätlichen Auseinandersetzungen kommen. Im Einvernehmen mit den Veranstalterinnen sagte er den privaten Badetag ab. Am Tag danach schrieb Le Figaro plötzlich nicht mehr, dass der Burkini erzwungen werden sollte, sondern nur noch, dass er erlaubt sein sollte: eine nicht ganz unwichtige Präzisierung, die ihm vorher verzichtbar erschien.

Fazit: Die Frauen aus der Unterschicht müssen auf ihren Badetag verzichten. Das Recht auf eine private Veranstaltung und die Vorschriften der Kleiderordnung spielen keine Rolle mehr, wenn sich nur eine Masse von Islamophoben zusammentut und laut genug zwitschert. Und die französischen Muslime sollen bitte endlich einsehen, dass sie in einem laizistischen Staat leben, der jede Religion gleich behandelt.

Ach so, es kommt häufiger vor, dass ein saudischer Prinz mit seinen diversen Frauen oder ein steinreicher Würdenträger aus einem Golfstaat in weiblicher Begleitung ein Hotel, ein Luxusgeschäft oder ein Bad in Paris oder in der Provinz privat anmietet. Ein Burkini würde dabei wohl als lasterhaft leichte Bekleidung gelten. Das interessiert aber niemanden: Die zehntausende von Euro, die bei solchen Gelegenheiten gezahlt werden, lassen Bedenken gar nicht erst aufkommen.

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