Frankreich Macron wirft Ballast ab

Kurz vor der erwarteten Kabinettsumbildung in Frankreich ist der französische Justizminister Francois Bayrou zurückgetreten. Doch das ist nicht der einzige Rücktritt. Präsident Macron wird weitere Problemkandidaten los.

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Für den französischen Justizminister ist der Vorhang gefallen. Quelle: AP

Paris Nur einen Tag nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Sylvie Goulard, 52, haben auch Justizminister François Bayrou, 66, und Europaministerin Marielle de Sarnez, 66, erklärt, dass sie der neuen französischen Regierung nicht mehr angehören werden. Gegen beide laufen Vorermittlungen der Justiz wegen des Verdachts, dass sie Gelder des Europäischen Parlaments für Parteizwecke eingesetzt haben.

Für den 39-jährigen Präsidenten Emmanuel Macron bedeuten die Rücktritte, dass die Affäre die Arbeit seiner Regierung nicht mehr beeinträchtigen kann. Den ebenfalls von einem Skandal  - um einen fragwürdigen Immobiliendeal – betroffenen Minister Richard Ferrand hatte der Präsident bereits aus dem Amt gedrängt. Es wurde damit gerechnet, dass die neue Regierung am Mittwochnachmittag vorgestellt wird. Da die Umbildung nun wesentlich größer ist als vorher erwartet, könnte sich das verzögern.

Der Abschied von Bayrou löst ein gehöriges politisches Problem für Macron, schafft aber auch ein neues. Der aus Südwestfrankreich stammende Bayrou, der erst am Mittwochnachmittag eine Pressekonferenz geben wird, gilt als nachtragend. Freiwillig hat er nicht auf sein Amt verzichtet. Noch am Dienstag bezeichnete der Politiker, der die Zentrumspartei Modem geführt hat, den Amtsverzicht von Goulard als „eine  Entscheidung aus persönlichen Motiven.“

Dabei ist Goulard gegangen, um sich besser gegen den Vorwurf verteidigen zu können, auch sie stecke in der Affäre um Assistenten von EU-Parlamentariern der Modem-Partei, die ganz oder teilweise für die Partei statt für ihre Abgeordneten gearbeitet hätten. Bayrou versuchte, die Vorwürfe zu ignorieren. Doch Goulards Rücktritt verstärkte den Druck auf ihn enorm.

Macron hat die Säuberung des politischen Lebens von Selbstbereicherung, Lobbyismus und Vetternwirtschaft zu einem seiner Wahlkampfthemen gemacht und dem zum Teil seinen Sieg. Dazu passte überhaupt nicht, dass die Modem-Minister selber Gegenstand von Ermittlungen der Justiz sind. Macron hat gelinde gesagt nichts dafür getan, Bayrou und de Sarnez zu halten. Genau das dürfte der frühere Modem-Chef ihm nun verübeln.

Bayrou hat sich im Frühjahr Macron angeschlossen. Sein Verzicht auf eine eigene Kandidatur brachte dem jungen Politiker vermutlich die entscheidenden Punkte, die er benötigte, um sich in der ersten Wahlrunde für die Stichwahl zu qualifizieren. In Bayrous eigener Sicht verdient er dafür einen Preis. Bereits bei der Aufstellung der Kandidaten für die Parlamentswahl kam es zu einem Clash: Bayrou bemängelte, dass es zu wenig Plätze für Modem-Kandidaten gebe und drohte mit einer Aufkündigung des Bündnisses. Seinen Ministerposten sah er als sakrosankten Teil einer Abmachung zwischen zwei Politikern an.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Skandal um die möglicherweise illegale Parteienfinanzierung hätte Macrons Autorität rasant untergraben. Der Präsident kann Frankreich nicht reformieren, wenn er zugleich in seiner Regierung fünfe gerade sein lässt. Gleichzeitig ist er heute der Staatschef – und muss sich an Abmachungen nicht mehr gebunden fühlen. Ein Umstand, der Bayrou umso mehr ärgern wird. Die spannende Frage ist deshalb, ob die Modem-Politiker das Bündnis mit Macron fortsetzen oder sich auf Sicht neutral verhalten, vielleicht gar der Opposition anschließen.

Macrons Partei „La République en Marche“ hat im Parlament die absolute Mehrheit und kann im Ernstfall auf die Stimmen von Modem verzichten. Doch bei der bevorstehenden Auseinandersetzung um die Arbeitsmarktreform könnte Bayrou dem Präsidenten Ärger bereiten, wenn er sich als Mann des Zentrums auf die Seite der Gegner schlagen sollte.

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