Frankreichs Sozialisten im PR-Desaster Das Waterloo der Zwerge

Frankreichs Sozialisten werden mit Spott übergossen. Mit einer Kampagne wollten sie auf die ihre Leistungen aufmerksam machen – und landen damit im Land der Märchen. Dabei ist die Lage für Hollandes Partei alles andere als fabelhaft.

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Die Zwergen gingen fröhlich zu Arbeit – das fällt den meisten französischen Sozialisten momentan nicht leicht. Quelle: Reuters

Paris Eine machtvolle Kundgebung zur Unterstützung von Frankreichs Staatschef François Hollande wollte dessen Regierungssprecher Stéphane Le Foll am frühen Montagabend auf die Beine stellen. Die Sozialisten und ihre Wähler sollen „aufwachen“ und sehen, welche guten Dinge der Präsident in den vergangenen vier Jahren ans Laufen gebracht habe, begründete Le Foll das Meeting in einem Hörsaal der Medizinischen Fakultät in Paris.

Doch der vierschrötige Politiker, der seit Jahren zu den treuesten Stützen des Präsidenten zählt, hatte bei der Vorbereitung keine glückliche Hand. Schon Tage vor dem Motivations-Treffen machte er sich zum Gespött des Internets. Als Titel wählte ausgerechnet „Hé oh la gauche“. „Wer hat denn diesen blöden Slogan gefunden, sind wir bei den sieben Zwergen?“ fragt eine Isabelle auf Twitter. Denn „hé oh, hé oh, on rentre du boulot“ “, das singen die sieben Zwerge, wenn sie mit der Hacke auf der Schulter aus dem Bergwerk watscheln. Zu Hause wartet Schneewittchen.

Jeder Franzose summt das freudestrahlend mit, wenn er die ersten zwei Silben hört. Die Twitterin Bénédicte hat eine eigene Erklärung: „Da haben wohl ein paar PR-Agenturen gewettet, wer den Sozialisten den größten Blödsinn andreht?“ Ein anderer Tweet stellte angesichts des Veranstaltungsortes die höhnische Frage: „Meeting an der Medizinischen Fakultät – die Forensik war wohl nicht frei?“ Und Le Figaro schrieb wegen der Ortswahl von einer „Notoperation“. Bösartig, aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Denn wie die Zeitung am Montag darlegt, zählt die einst starke Sozialistische Partei nur noch knapp 80 000 zahlende Mitglieder. Vor zwei Jahren waren es noch 50 Prozent mehr.

Le Foll versuchte am Montag, seinen missglückten Slogan zu verteidigen: „Hé oh, das ist eine Interjektion, damit die Sozialisten aufwachen und sehen: Was wir geleistet haben, kann sich sehen lassen.“ Daran haben viele Franzosen große Zweifel, obwohl die wirtschaftlichen Daten sich tatsächlich langsam bessern. Die Enttäuschung über Hollande ist groß, so groß, dass nach aktuellem Stand der Präsident in allen denkbaren Konstellationen 2017 schon im ersten Wahlgang aus dem Rennen scheiden wird. Inzwischen ist die Lage so ernst für ihn, dass der lange völlig abgeschlagene, weit links stehende Jean-Luc Mélenchon fast dieselben Umfragewerte erreicht wie Hollande.

Ob der wirklich kandidiert, wie er es vorhat, ist deshalb noch nicht ausgemacht. Immer deutlicher geht sein Wirtschaftsminister Emmanuel Macron auf Distanz. Macron würde von allen linken Kandidaten am besten abschneiden, würde heute gewählt. Hollande wie auch der Apparat der Sozialisten fürchten mittlerweile, Macron könne angesichts seiner Popularität demnächst seine eigene Kandidatur erklären und Hollande damit ausbooten. Der Präsident erinnerte seinen Minister vor kurzem daran, dass er „loyal sein“ müsse. Macron reagierte kühl: Er wisse, was er Hollande verdanke, aber deshalb stehe er nicht auf ewig „in dessen Schuld.“

Zum Zwergenmeeting war Macron nicht eingeladen, unter dem Vorwand, er sei ja kein Mitglied der Partei. Das trifft allerdings auch auf andere der 24 Minister zu, die am Montagabend in die Grube, pardon, in den Hörsaal einfuhren. Ein weiterer Abwesender: Premier Manuel Valls. Der zog es vor, am Mont Saint-Michel Hände zu schütteln.

Der sozialistische Parteichef Jean-Christophe Cambadélis dagegen zeigte sich und hatte sich morgens entschlossen gegeben: „Die Sozialisten müssen endlich aufhören, zu weinen!“ Siegeszuversicht klingt anders. Auch Cambadélis hat, wie sein Parteifreund, eine Neigung zu völlig schiefen Titeln. „Alliance Populaire“ wollte er eine linke Sammlungsbewegung nennen, die ebenfalls für Hollande Stimmung machen soll. Irgendjemand machte ihn wohl darauf aufmerksam, das sei sehr nah, zu nah an „Alianza Popular“, Name der Sammlungsbewegung spanischer Faschisten, die sich nach dem Tod des Diktators Franco gründete.

Kurz entschlossen wählte Cambadélis einen neuen Namen: „Belle Alliance Populaire“. Hätte er doch im Geschichtsunterricht besser aufgepasst! Belle-Alliance, das ist der Name des Gasthauses, in dem Napoléon im Juli 1815 Stellung bezog. Und dort erlebte er – sein Waterloo.

Am Abend der Schlacht, die das Schicksal des Feldherrn und Staatsmannes besiegelte, reichten sich Wellington und Blücher in Belle-Alliance die Hand. Ausgerechnet ein Synonym für eine vernichtende Niederlage zum Motto der französischen Sozialisten zu erheben, auf die Idee muss man erst mal kommen. Ach ja, und Cambadélis Allianz traf sich auch in einem Café: dem „Panama Art Café“ an einem Pariser Kanal. Der Man hat ein Händchen für Kommunikation.

Vielleicht versuchen Le Foll und Cambadélis es demnächst gemeinsam, etwa mit „Vorwärts zum Waterloo der Zwerge“.

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