Französischer Präsidentschaftskandidat Fillons Etappensieg

Politisches Kabarett wie in Deutschland kannte Frankreich bislang nicht. Seit Montag ist das anders: Da kam die Partei „Die Republikaner“ zusammen, um ihren Kandidaten abzusetzen – und sprach ihm stattdessen das Vertrauen aus.

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Der umstrittene Konservative ist wild entschlossen, an seiner Kandidatur für das Amt des französischen Staatspräsidenten festzuhalten. Quelle: AP

Paris Was sich Anfang der Woche im Vorstand der konservativen Partei „Die Republikaner“ in Paris abgespielt hat, würde den Auftritt jedes Kabarettisten schmücken. Zur Erinnerung: Ende vergangener Woche distanziert sich ein großer Teil der Führungsspitze der von ihrem Präsidentschaftskandidaten François Fillon. Die Wirkungen des Skandals um fiktive Jobs und seine Beleidung der Justiz halten sie für unerträglich. Dann brach Fillon auch noch sein Wort und trat nicht wie versprochen nach der Eröffnung eines juristischen Verfahrens durch drei Ermittlungsrichter zurück. Mehrere hundert Abgeordnete und Fillon-Mitarbeiter forderten ihn auf, den Platz des Kandidaten freizugeben.

Fillon antwortete, indem er seine Anhänger zu einer Demonstration in Paris aufrief. Am Sonntag kamen mehrere zehntausend Fillon- Begeisterte zusammen, woraufhin der Ex-Premier triumphierend feststellte: „Niemand kann mich dazu bewegen, auf die Kandidatur zu verzichten.“

Montagabend traten dann die Vorstandsmitglieder der Republikaner zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: Der Versuch, Fillon einen ehrenvollen Rücktritt zu ermöglichen. Ergebnis der Sitzung: Ein kurzes Kommuniqué, in dem festgehalten wird, dass sich der Vorstand „einstimmig hinter Fillon und seine Kandidatur stellt.“ 

Selten haben gestandene Politiker sich so zum Gespött gemacht. Die Überlegung, Fillon möge sich doch bitte selbst aus dem Rennen nehmen, war von Anfang an naiv und illusorisch. Der Mann, dem die französische Justiz vorwirft, seinen Familienangehörigen mit einer Scheinbeschäftigung durch das Parlament Einnahmen von rund einer Millionen Euro verschafft zu haben, hat nicht mehr viel zu verlieren. Gibt er jetzt auf, ist seine politische Karriere am Ende. Da kann er auch das praktisch Unmögliche versuchen und mit dem Kopf durch die Wand gehen. Sprich: gegen den Willen eines großen Teiles der Parteimitglieder und trotz des Widerwillens von Millionen Franzosen an der Wahl teilnehmen.

Fillon hatte offenbar frühzeitig erkannt, dass er ungeachtet seiner Verfehlungen rein durch wilde Entschlossenheit seinen Gegnern überlegen war. Die konnten sich in den vergangenen Wochen weder auf einen gemeinsamen Gegenkandidaten einigen, noch hatte eines der politischen Schwergewichte der Partei den Mut, Fillon in aller Öffentlichkeit laut und deutlich zu sagen, dass ein Mann, gegen den die Justiz ermittelt, der Richter beschimpft und der mehrfach vor laufenden Kameras die Unwahrheit gesagt hat, nicht Kandidat einer Partei sein kann, die sich als Garant der Institutionen der französischen Republik sieht.

Lange war der frühere Premierminister und heutige Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, als Ersatzkandidat im Spiel. Ende vergangener Woche ließ Juppé seine Vertrauten streuen, dass er zur Verfügung stehe, falls Fillon freiwillig zurücktrete – eine Bedingung, von der er selber hätte wissen können, dass sie nicht in Erfüllung gehen würde. Am Montagvormittag zog Juppé die Konsequenzen und erklärte, dass er „auf keinen Fall als Kandidat zur Verfügung steht.“

Der frühere Staatspräsident Nicolas Sarkozy, von vielen Republikanern immer noch als Übervater der Partei verehrt, versuchte mit allerlei Gesprächen im Hintergrund, Fillon aufs Abstellgleis zu schieben. Doch der bewegte sich einfach nicht von der Stelle. Seine Gegner hätten es wissen können, kreideten sie ihm schließlich – anonym – an: „Der hat sich in seinem Bunker verschanzt.“ Ein Wortführer von Sarkozy, der ebenfalls seinen Namen nicht in der Presse sehen will, wurde grob: „Das ist ein Irrer, den bekommen wir nur mit dem Sondereinsatzkommando der Gendarmerie aus seinem Bunker heraus.“


Eine Drohung, die Bände spricht

Das Einsatzkommando wurde allerdings nie gerufen, und so genießt Fillon nun wieder ganz offiziell die Unterstützung der Führungsspitze seiner Partei. Neben seinen starken Nerven hat ihm ein Schlag unter die Gürtellinie seiner Gegner geholfen. Völlig unverblümt drohte der 63-Jährige damit, dass im Falle seines Rückzuges ein großer Teil seiner Wähler zur rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen überlaufen werde.

Allein diese Drohung spricht Bände, nicht nur über die Bereitschaft Fillons, sich über alle guten Gepflogenheiten hinwegzusetzen. Sie zeigt auch, wie wenig überzeugend seine Aussage ist, nur er alleine verfüge über ein Programm, mit dem Le Pen aufgehalten werden können. Wenn dem so wäre, wie könnten dann seine Anhänger postwendend zu der Kandidatin übergehen, die Frankreich aus der Euro-Zone herausführen will und deren Vorschläge mehr an ein Konzept für ökonomische Sterbehilfe erinnern als an ein ernstzunehmendes Wirtschaftsprogramm.

Fillons Drohung zeigt, dass nicht nur er, aber eben auch er die Anhänger der Konservativen so nahe an die Positionen der Le-Pen-Partei Front National herangeführt hat, dass nur ein kleiner Anstoß genügt, um sie den letzten Schritt hin nach ganz rechts außen gehen zu lassen.

Welche Chancen hat der knallharte Taktiker nun? In den Umfragen ist er seit Januar um gut zehn Prozentpunkte auf zuletzt 17 Prozent abgesackt. Die Leute, die er durch seine Affäre um fiktive Beschäftigung und seine vielfachen Halbwahrheiten enttäuscht hat, sind bereits entweder zum sozialliberalen Kandidaten, Emmanuel Macron, übergegangen oder eben zu Marine Le Pen.

Ob und wie viele dieser Wähler er zurückgewinnen kann, ist sehr die Frage. Die Frauen und Männer, die sich in den vergangenen Wochen aus seinem Mitarbeiterstab verabschiedet haben, werden nicht zurückkommen. Dazu gehört unter anderem Patrick Stefanini, der zweimal für Jacques Chirac einen siegreichen Präsidentschaftswahlkampf organisiert hat. Dazu zählt aber auch Bruno Lemaire, unter Sarkozy Europaminister und der Mann, der in Fillons Kampagne für seine europa-  und außenpolitische Glaubwürdigkeit stand.

Das ist nun Fillons Problem: Seine Kandidatur hat er gerettet. Dass er aber seine empörten Wahlkämpfer und seine Glaubwürdigkeit mit seinem hemdsärmeligen Vorgehen zurückgewinnen kann, ist unwahrscheinlich.

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