Frauen-Fahrverbot in Saudi-Arabien Frau am Steuer – Abenteuer

Die Polizei ist alarmiert, die Religionspolizei steht Knüppel bei Fuß: An diesem Samstag wollen Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren. In dem islamischen Königreich ist das ein revolutionärer Akt.

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Eine saudische Frau sitzt am Steuer des Familien-Autos. Saudi-Arabien ist das weltweit einzige Land, in dem Frauen nicht Auto fahren dürfen. Quelle: dpa

Riad/Istanbul „Das ist ein Werk des Teufels und der Amerikaner“, wettern konservative Religionsgelehrte. Das Innenministerium wittert sogar eine Gefahr für die „Sicherheit und Stabilität“ des Landes. In Saudi-Arabien sind fünf verschiedene Organe der Sicherheitskräfte und der Religionspolizei in Alarmbereitschaft versetzt worden. Droht dem islamischen Königreich etwa eine Invasion? Nein, der Grund für die Aufgeregtheit ist – zumindest auf den ersten Blick – ganz harmlos. Eine Gruppe von Frauenrechtlerinnen hat diesen Samstag zum Aktionstag gegen das Frauenfahrverbot erklärt. Sie wollen in verschiedenen Städten Auto fahren und Demonstrationen organisieren.

Alleine schon die Ankündigung lässt das Königreich in seinen Grundfesten erzittern. Daran ändern auch die Beteuerungen der Feministinnen nichts, die mit ihrer Kampagne nach eigener Aussage keine politischen Ziele verfolgen. Die Frauen haben sich sogar extra einen Slogan ausgedacht, in dem sie Respekt für ihre konservativen Widersacher ausdrücken: „Das Autofahren der Frau ist eine Option und keine Verpflichtung.“ Mit anderen Worten: Frauen, die auch in Zukunft nicht selbst fahren wollen, können sich auch weiterhin von einem männlichen Familienmitglied oder einem Chauffeur herumkutschieren lassen. Das Logo der Kampagne ist selbstironisch-lustig. Es zeigt ein Lenkrad, über dem ein Paar schwarz umrandete Augen zu sehen sind – eine Muslimin mit Gesichtsschleier.

Doch die islamisch-konservativen Hardliner sind der Meinung, der Platz der Frau sei ausschließlich am heimischen Herd. Sollten sich die Frauen ohne männliche Kontrolle von dort wegbewegen können, würde dies ihrer Ansicht nach der Unmoral Tür und Tor öffnen. Eher eine skurrile Randnotiz ist das Argument eines Islam-Gelehrten, der kürzlich behauptet hatte, das Lenken von Fahrzeugen wirke sich negativ auf die Eierstöcke aus.

Saudi-Arabien ist das einzige Land der Welt, das Frauen das Autofahren verbietet. Saudi-Arabien ist das einzige Land weltweit, das Frauen das Autofahren verbietet. Frühere Versuche, das von vielen islamischen Religionsgelehrten unterstützte Verbot zu kippen, waren fehlgeschlagen. Auch die ersten weiblichen Mitglieder des „Schura-Rates“, die König Abdullah im vergangenen Januar ernannt hatte, waren mit einem Versuch gescheitert, eine Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen.


Kein vernünftiger öffentlicher Personennahverkehr

Anders als in vielen anderen islamischen Ländern, hat jede saudische Frau einen männlichen „Vormund“, der in rechtlichen und vielen geschäftlichen Angelegenheiten für sie zuständig ist – in der Regel ist das der Vater, der Ehemann oder ein Bruder. Die Herrscher von Saudi-Arabien haben die Strafen noch einmal verschärft. Der Sprecher des Innenministeriums, Mansur al-Turki, sagte der Zeitung „Al-Hayat“ (Freitagsausgabe), auch jeder Bürger, der Frauen über soziale Netzwerke wie „Twitter“ dazu auffordere, an diesem Samstag gegen das Verbot zu demonstrieren oder sich ans Steuer zu setzen, müsse mit einer Bestrafung rechnen.

Zuvor hatten die Behörden bereits angekündigt, allen Frauen, die durch Aktionen gegen das Frauenfahrverbot „den gesellschaftlichen Frieden“ gefährdeten, drohe eine Anzeige. Bestraft werden solle außerdem der männliche „Vormund“ jeder Frau, die gegen das Verbot verstößt, sowie jeder Mann, der einer Frau sein Auto überlässt. Das Innenministerium kündigte am Mittwoch an, man werde mit Härte gegen jeden vorgehen, der „kranken Träumen nachhängt“ oder „die Gesellschaft spalten will“.

Damit reagierte die Regierung auf die Kritik der Islam-Gelehrten. Denn am Dienstag waren vor dem Sommerpalast von König Abdullah in Dschidda plötzlich 150 Religionsgelehrte aufgetaucht, um sich über das Schweigen der Behörden zu den Appellen der aufmüpfigen Frauen zu beschweren.

Die Aktivistinnen ließen sich davon allerdings nicht einschüchtern. Ludschain al-Hathlul veröffentlichte am Mittwoch ein Video, das sie in der Hauptstadt Riad auf dem Weg vom Flughafen nach Hause zeigt. Die junge Frau steuert lachend den Wagen. Ihr Vater sitzt auf dem Beifahrersitz und filmt.

Da es in dem reichen Wüstenstaat keinen vernünftigen öffentlichen Personennahverkehr gibt, macht das Fahrverbot den Alltag für Frauen kompliziert, die aktiv am Leben teilnehmen wollen. Frühere Versuche von Frauenrechtlerinnen, das Verbot zu kippen, schlugen fehl. Internationale Schlagzeilen machte im Frühjahr 2011 die Software-Beraterin Manal al-Scharif. Nachdem die junge Mutter Videos, die sie am Steuer eines Autos zeigen, im Internet veröffentlicht hatte, fassten einige Frauen den Mut, es ihr gleichzutun. Doch dann wurde Al-Scharif in Dammam für neun Tage in Haft genommen. Ihre Kampagne „Women2Drive“ fand danach ein jähes Ende.

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