Viel Einarbeitungszeit möchte sich Donald Trump nicht gönnen. Noch gar nicht Richtung im Weißen Haus angekommen, will der künftige Präsident die Krankenversicherung Obamacare beerdigen – und die Handelspolitik der USA kräftig überarbeiten. Importe aus China sollen mit einer hohen Strafsteuer versehen werden, die Freihandelsabkommen NAFTA und TPP neuverhandelt oder aufgekündigt werden. Und – sollte die WTO protestieren – der Abschied aus der Welthandelsorganisation eingeleitet werden.
„Eine solche neue Ära des Protektionismus wäre für die Weltwirtschaft negativ“, sagt Jeremy Lawson, Chefvolkswirt von Standard Life Investments. Er hofft, dass Trumps „aggressive Rhetorik“ nur Drohgebärden sind, „um US-Unternehmen einen besseren Zugang zu ausländischen Märkten zu verschaffen und Anreize für die Produktion im Heimmarkt zu setzen“.
Doch so ganz überzeugt ist auch Lawson – wie viele aus der Ökonomenzunft – nicht mehr. „Es besteht ein erhebliches Risiko, dass Trump meint, was er sagt.“
America first, ist bekanntlich die Devise. Das heißt: Gemacht wird nur, was Jobs und Wohlstand in den USA schafft. Die Stärkung der heimischen Industrie soll gelingen, in dem das, was in den Vereinigten Staaten konsumiert wird, auch größtenteils dort hergestellt wird. „Wir werden zwei einfache Regeln befolgen“, versprach Donald Trump bei seiner Antrittsrede am Freitagmittag. „Kauft amerikanische Produkte und stellt Amerikaner ein.“
Die Außenhandelsstrategie von Donald Trump hat damit – das zeigen auch die Strategiepapiere seines Übergangsteams – nur ein Thema: die Abschottung. „Unfaire Handelspraktiken“ und „unfaire Importzölle“ möchte die neue Regierung demnach den Kampf ansagen. Das Mittel dazu: die Handelspartner mit eigenen Importzöllen zu bestrafen.
Mammutverträge wie das transpazifische Freihandelsabkommen TPP lehnt Trump ab; Handelsabkommen möchte der künftige Präsident künftig nur bilateral schließen. Die sollen naturgemäß den US-Unternehmen freien Zugang zu Märkten im Ausland sichern – ohne, dass die USA Konkurrenten auf dem Heimatmarkt fürchten müssen.
Donald Trump: Ein Kurzporträt des 45. US-Präsidenten
Donald Trump wurde am 14. Juni 1946 im New Yorker Stadtteil Queens geboren.
Im Alter von 13 Jahren wurde er von seinen Eltern aufs Internat geschickt. Später folgte er dem Vater ins Immobilienmetier und machte auch mit Misswahlen und Spielcasinos Geld. Trump hatte unter anderem mit der Fernsehshow „The Apprentice“ Erfolg, sie machte „The Donald“ als Reality-TV-Star einem großen Publikum in den USA bekannt.
Trumps Erfolge als Unternehmer sind umstritten. Wie reich er wirklich ist, bleibt Spekulation. Bis heute weigert sich der Unternehmer, seine Steuererklärung offenzulegen.
Wegen seiner zahllosen Ausfälle wurde Trump heftig angegangen und vielen zum Feindbild. Trump wird oft parodiert, anderen ist er Idol. Seinen Anhängern steht er - getreu dem Motto„Make America Great Again“ für Neuanfang, ein Aufbrechen verkrusteter Strukturen, eine Rückbesinnung auf Amerika und einen radikalen Abschied von der politischen Agenda Barack Obamas.
Tabubrüche waren und sind typisch für Trump. Er hetzte gegen Ausländer, verhöhnte Behinderte, sagte skandalöse Dinge über Frauen. „Ich könnte jemanden auf der Straße erschießen und würde trotzdem keinen einzigen Wähler verlieren“, sagte er einmal.
Trump, dem viele Affären nachgesagt wurden, ist zum dritten Mal verheiratet. Mit seiner ersten Frau Ivana hat er die Kinder Donald (39), Eric (33) und Ivanka (35). Die zweite Frau, Marla Maples, brachte die gemeinsame Tochter Tiffany (23) zur Welt. Mit seiner dritten Frau, dem aus Slowenien stammenden Model Melania, hat er den zehnjährigen Sohn Barron. Die Familie gehört für den Baulöwen zu den bei weitem wichtigsten Konstanten.
Hatten viele Ökonomen zu Beginn noch gehofft, Trump würde sich mäßigen, ist inzwischen Ernüchterung eingekehrt. Die Debatte hat sich verlagert: statt zu diskutierten, wie ernst es Trump mit seinen Drohungen meint, streiten sich Ökonomen und Juristen in den USA nun, wie mächtig der Präsident in Handelsfragen ist – und ob er Strukturen, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden, in wenigen Wochen einreißen wird.
Grundsätzlich kann Trump mithilfe des Kongress neue Steuern erheben, Verträge abändern und neue Abkommen zu geltendem Recht machen.
Die Wahlversprechen Donald Trumps
- Schaffung von 25 Millionen Jobs in der ersten Amtszeit
- Bau einer Mauer auf der kompletten Grenze zu Mexiko, für die Mexiko bezahlt
- Abschiebung von zwei Millionen illegalen Immigranten
- „Extreme Überprüfung“ aller Einreisenden
- Einstellung von Visa an Angehörige von Staaten, die „kriminelle illegale Einwanderer“ nicht „zurücknehmen“
- Verschärfung der Visa-Regeln
- Die Gesundheitsversicherung Obamacare soll abgeschafft und ersetzt werden
- Das Handelsabkommen Nafta soll neu verhandelt werden
- Rückzug aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP
- Auswahl eines Richters von einer Vorschlagsliste mit 20 Namen
- Für jede neue Regulierung sollen zwei alte abgeschafft werden
- Reduzierung der Steuerklassen von sieben auf drei
- Runterfahren der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent
- Aufhebung der „Begrenzungen“ für Jobs in der Energiebranche
- Wiederbelebung gestoppter Energie-Infrastrukturprojekte wie der Keystone-Pipeline
- Einstellung der Zahlungen an UN-Klimaprogramme
- Strafzölle für Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlegen
- Ausweitung des Militäretats
- Die US-Wirtschaft soll um vier Prozent wachsen
Die Republikaner haben in beiden Kammern – Senat und Abgeordnetenhaus – eine Mehrheit und können durchregieren. Zwingend angewiesen auf die Zustimmung des Kongress, in dem auch einige Republikaner sitzen, die pro Freihandel sind, ist Trump aber nicht. Er könnte viele Dinge im Alleingang anstoßen.
„In den vergangenen Jahrzehnten hat der Kongress die Rechte des Präsidenten – vor allem auf kurze Sicht – ausgebaut“, sagt Gary Hufbauer, Handelsexperte beim Peterson Institute für International Economics. Trump sei nun – mit einigen Kniffen – in Handelsfragen ähnlich mächtig wie in seiner Rolle als oberster Befehlshaber der Streitkräfte.
Die Gunst des Präsidenten
Beispiel NAFTA: Das nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen Mexiko, Kanada und den USA kann jederzeit von einer Partei aufgekündigt werden. Präsident Trump kann eine Austrittserklärung verfassen, die sechs Monate später in Kraft tritt. Anschließend würden die WTO-Regeln gelten.
Die USA, Mexiko und Kanada könnten auch neue Bedingungen vereinbaren, ein NAFTA II müsste aber vom Kongress abgesegnet werden. Anders ist es, wenn Trump – nach einem Austritt der USA aus der Freihandelszone – etwa unfaire Handelspraktiken erkennt. Dann könnte er eigenmächtig einen Strafzoll – auch in Höhe von 35 Prozent – etwa gegen Mexiko erheben. Der Kongress muss in diesem Fall lediglich informiert werden.
„US-Unternehmen und Handelspartner könnten klagen, dass Trump seine Macht überschritten habe oder die Argumentation brüchig sei“, sagt Hufbauer.
Eine Entscheidung aber könnte lange dauern. Zu lange wohl für die gescholtenen Nachbarn. „Ausländische Staaten werden nicht auf die Urteile warten, sondern sich rächen“, so der Handelsexperte. Kurzum: Ein Handelskrieg wäre entfesselt – und die Zeiten vorbei, in denen Produkte, auch Vans und Limousinen der deutschen Autobauer, kostenfrei zwischen Mexiko und den USA verschifft werden.
Apropos Deutschland: Donald Trump könnte sich auch die Bundesrepublik vorknüpfen und neue Mauern für den Warenaustausch hochziehen. Zum Beispiel mit Verweis auf ein Handelsgesetz von 1974, Abschnitt 122. Demnach kann ein US-Präsident einen Zoll von 15 Prozent auf Güter aus jenen Ländern erheben, mit denen die Vereinigten Staaten ein hohes Leistungsbilanzdefizit haben. Dies ist im Handel mit Deutschland fraglos der Fall.
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
Quelle: dpa
Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Satte 54,6 Milliarden Euro betrug der Handelsüberschuss Deutschlands mit den Vereinigten Staaten in 2015. Eine Verlängerung des Strafzolls über die ersten 150 Tage hinaus ist allerdings nur mit Zustimmung des Kongress möglich.
Lobbyisten aus dem In- und Ausland werben derzeit im Dauertakt um die Gunst des neuen Präsidenten. Dabei reden die Konzernvertreter naturgemäß primär ihre Branche stark, verweisen etwa auf die Wichtigkeit ihres Sektors für den Arbeitsmarkt in den USA. Was sie eint: die Warnung vor Handelsschranken. Problem Nummer eins: Dass Trump darauf hört, scheint derzeit aber unwahrscheinlich. Problem Nummer zwei: Stoppen kann den neuen US-Präsidenten nur seine eigene Vernunft.