Freihandelsabkommen Politiker streiten über Investitionsschutz

EU-Kommissar De Gucht tritt für einen neuen Investitionsschutz im Rahmen des US-Abkommens ein. Doch Bundeswirtschaftsminister Gabriel warnt vor den beunruhigenden Folgen solcher Vorschriften.

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„US“ steht in der Produktion im BMW-Werk in Dingolfing auf einem Zettel an einem Fahrzeug für den amerikanischen Markt: Können Unternehmen künftig Gesetze verhindern, weil Investitionen geschützt sind? Quelle: dpa

Brüssel Die EU-Kommission will im geplanten Freihandelsabkommen mit den USA einen neuen Investitionsschutz vereinbaren. Dieser müsse einen Missbrauch der Gerichte durch Unternehmen sowie das Recht der Regierungen auf Gesetzgebung besser als bisherige Vereinbarungen schützen, sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Donnerstag in Brüssel.

Zugleich begann die Kommission eine öffentliche Konsultation. Innerhalb von 90 Tagen sollen alle Interessenten ihre Meinung zur Frage des Investitionsschutzes sagen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ging am Donnerstag auf Konfrontationskurs zu De Gucht. In einem Brief an den Kommissar schrieb er, die Bundesregierung sei der Auffassung, „dass spezielle Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und den USA nicht erforderlich sind“. Deutschland und die USA gewährten „hinreichenden Rechtsschutz vor nationalen Gerichten“. Beim Investitionsschutz liege „ein sensibler Kernpunkt, der am Ende über die Zustimmung Deutschlands zu einem Transatlantischen Freihandelsabkommen entscheiden kann“, warnte Gabriel.

De Gucht widersprach: „Wenn wir nichts tun, dann werden die derzeitigen Regeln mit ihrem Potenzial für Missbrauch weiter gültig bleiben.“ Auf die Frage, ob ein Freihandelsabkommen mit den USA ohne Investitionsschutz überhaupt möglich sei, antwortete er: „Ich bezweifle das. Denn das (Abkommen) ist eine normale Praxis. Die USA müssten auf die normale Praxis verzichten. Und es gibt keinen guten Grund, warum sie das tun sollten.“

„Ich weiß, dass es von einigen Regierungen Kritik gibt. Aber ich bin sicher, dass am Ende die Wahrheit siegt“, sagte De Gucht. Die öffentliche Konsultation diene auch dazu, Missverständnisse und falsche Vorstellungen von einem Investitionsschutzabkommen zu beseitigen. Das von allen EU-Regierungen beschlossene Verhandlungsmandat sehe das Investitionsschutzabkommen vor. Zudem gebe es bereits 1400 solcher Abkommen. Deutschland hat allerdings in einer Protokollnotiz zum Mandat Bedenken gegen den Investitionsschutz festgehalten.


Bizarre Konsequenzen des Investitionsschutzes

Gabriel hatte an De Gucht geschrieben, demokratisch zustande gekommene Regelungen zum Schutz des Gemeinwohls dürften durch den Investitionsschutz nicht „ausgehebelt oder umgangen werden“. Es dürfe auch kein Marktzugang einklagbar sein.

De Gucht räumte ein, dass bisherige Investitionsschutzabkommen „sehr beunruhigende“ Folgen gehabt hätten. So habe beispielsweise der Tabakkonzern Philip Morris die australische Regierung verklagt, weil ein Gesetz den Verkauf von Zigaretten in neutralen Packungen vorschreibt.

Die Kommission erinnerte auch an die Klage des Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesregierung wegen des beschleunigten Atomausstiegs. „Solche Fälle wären gemäß dem neuen Abkommen, das wir vorschlagen, nicht möglich“, sagte De Gucht.

„Wir müssen das Recht auf Gesetzgebung im öffentlichen Interesse absichern. Und das wird umfassend geschehen“, sagte der Kommissar. „Und wir müssen die Möglichkeiten, missbräuchliche Klagen einzureichen, einschränken.“ De Gucht bezeichnete den Fall des Tabakherstellers Philip Morris „als das beste Beispiel dafür, dass wir handeln müssen“.

Im Juli 2013 hatten die Verhandlungen der EU mit den USA über die Schaffung der größten Freihandelszone der Welt. Am Ende soll die „Transatlantische Handels- und Investitions-Partnerschaft“ mit einem gemeinsamen Wirtschaftsraum für mehr als 800 Millionen Verbraucher stehen. Angestrebt wird ein Verzicht auf Zölle, Quoten und andere Handelsbarrieren sowie die Angleichung von Test- und Produktstandards.

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