Eine weitere Schwierigkeit kommt für den IWF hinzu: Es scheint so zu sein, dass die Strukturen und Gewichte in der Weltwirtschaft nicht mehr die alten sind. Die Wachstumspole haben sich deutlich verschoben und mit ihnen die Möglichkeit der makroökonomischen Stimulierung. Die OECD ist auf der wachstumspolitischen Kriechspur angelangt. Waren es früher die Entwicklungsländer, die in makroökonomischen Schwierigkeiten steckten und von den Industrieländern unterstützt werden mussten, so ist es heute gerade umgekehrt. Zwei Beispiele: Die Eurozone schickt auf der Suche nach frischem Geld Vertreter nach China. Brasilien muss sich der Geldflut (Stichwort Quanitative Easing) aus den USA erwehren.
Auch damit muss der IWF, dessen Klientel eher die Entwicklungsländer sind, umgehen lernen. Solange Europäer und Amerikaner den Ton im IWF angeben und genau die Rezepte einfordern, die die westliche Welt in die Krise gebracht haben, dürfte die Glaubwürdigkeit dieser altehrwürdigen Institution eher sinken. Eine generelle Überholung der Politik des IWF wird bereits seit langem angemahnt, ist aber noch nicht umgesetzt worden. Die Krise und ihre Persistenz allem hektischen Krisenmanagement zu Trotz sollten den Anlass bieten, endlich aktiv zu werden.
Ansatzpunkte einer Reform sollten zum ersten in der theoretischen Fundierung liegen. Unter Umständen müssen die makroökonomischen theoretischen Grundlagen der Wirtschaftspolitik gründlich überarbeitet werden. Geldpolitische Multiplikatoren scheinen sich geändert zu haben. Hier könnte der IWF mit seiner exzellenten Forschungskapazität Anstöße für ernsthafte theoretische und empirische Forschung liefern. Foren wie die auf der Frühjahrstagung bieten sicherlich gute Gelegenheiten für derartige Anstöße.
Zweitens muss der IWF die langfristigen Wirkungen von kurzfristigen Stimulierungen bedenken. Billiges Geld und höhere Staatsausgaben könnten kurzfristig in der Tat stimulierend wirken, sie haben langfristig in der Regel negative Konsequenzen. Zwar haben Reformpakete oftmals den gegenteiligen Effekt - kurzfristige Verluste, langfristige Gewinne - jedoch ist das allemal vorzuziehen. Man darf nämlich nicht glauben, man könne aus einer Situation wie der Eurokrise ohne größere Blessuren herauskommen. Die Rechnung kommt auf jeden Fall, man sollte sie nicht auf die lange Bank schieben.
Schließlich sollten auch die politökonomischen Zusammenhänge genauer in den Blick genommen werden. Durch die Organisationsstruktur besteht ein zweiseitiges Kontrollproblem: Die Mitglieder als Eigentümer kontrollieren den IWF, der die Mitglieder kontrollieren soll. Das kann eigentlich nicht funktionieren. Es sollte nach Mechanismen gesucht werden, dass die Verquickung mit nationaler Politik verringert wird.
Insgesamt besteht also Bedarf zu Änderungen hinsichtlich seines theoretischen Rahmens, der Fristigkeit seiner Politik und seiner Verbindung zu nationalstaatlicher Politik, will der IWF an Schlagkraft hinzugewinnen und den strukturellen Wandlungen der Weltwirtschaft gerecht werden. Da solche Veränderungen Zeit brauchen, sollte bald damit begonnen werden.