Freytags-Frage

Darf man mit Lebensmitteln spekulieren?

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Fleischkonsum ist ein Preistreiber

Damit sind wir beim zweiten Preistreiber, dem Fleischkonsum. Dieser steigt seit Jahren an mit Folgen für die Preise. Für die Fleischproduktion wird viel mehr Getreide für das Verfüttern verbraucht, als die Menschen beim Verzehr und der Aufnahme der gleichen Kalorien benötigen würde. Das bedeutet, dass der tatsächliche Input an Getreide durch verstärkten Fleischkonsum deutlich über dem liegt, den die Menschen bei gleicher Kalorienzahl durch den direkten Verzehr des Getreides verbrauchen würden.

Dadurch steigen unter sonst gleichbleibenden Bedingungen auch die Getreidepreise. Während in Deutschland (mit Thüringen an der Spitze) eine Grenze erreicht worden zu sein scheint, ist in Schwelle- und Entwicklungsländern eine weitere Nachfragesteigerung zu erwarten. Die Preissteigerung drohen somit, sich fortzusetzen.

Weitere Treiber sind politischer Natur. Zunächst ist die Landwirtschaftspolitik in den Industrieländern zu sehen, die systematisch Anbieter aus Entwicklungsländern von den eigenen Märkten fernhält.

Das hält die Preise in den Industrieländern künstlich hoch. Es sorgt aber auch dafür, dass es sich in Entwicklungsländern oft gar nicht lohnt, in Landwirtschaft zu investieren, vor allem wenn die Überschüsse aus den Industrieländern zu Dumpingpreisen exportiert werden. Die senkt zwar kurzfristig die Preise, zerstört aber die Strukturen (und treibt die Preise langfristig).

Insofern ist es positiv zu werten, dass auf dem Ministertreffen der Welthandelsorganisation im Dezember in Nairobi Exportsubventionen für landwirtschaftliche Produkte endgültig verboten wurden. Das Angebot in Entwicklungsländern wird oft auch dadurch unterdrückt, dass die Landwirte wenig Marktmacht haben und sich gegen die teils staatlichen, teils privaten Zwischenhändler nicht zur Wehr setzen können. So bleiben die Farmen klein und Skalenerträge können nicht ausgenutzt werden.

Die Preise sind dann zu hoch, weil die Kosten hoch sind. Zudem haben Regierungen in Exportländer wie Russland (Getreide) und Argentinien (Rindfleisch) auf die Preissteigerungen der letzten Dekade mit Exportverboten reagiert, um die Priese im Inland zu senken. Dadurch ist aber die internationale Preisvolatilität nur angeheizt worden.

Schließlich führt die politisch gewollte Nutzung von Getreide als Input für Biosprit dazu, dass immer weitere landwirtschaftliche Flächen der Produktion von Nahrungsmitteln entzogen werden. Mit einem Kilogramm Mais kann man entweder eine dreiköpfige Familie mit einem Kind einen Tag lang (zugegeben etwas einseitig) ernähren oder 15 Kilometer mit dem Auto fahren! Zudem sorgt die Nachfrage nach Getreide für Biosprit vielfach für einen Verzicht auf eine Dreifelderwirtschaft und dauerhaftes Auslaugen der Böden. Dies steigert langfristig die Preise auf indirekte Weise.

Diese Befunde sind durch viele empirische Studien dadurch untermauert worden, dass diese Studien nicht zeigen konnten, dass Finanzakteure ursächlich für steigende und schwankende Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse verantwortlich waren; einen Überblick bietet das Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle. Insofern ist nicht zu erwarten, dass ein Verbot des Terminhandels zu Preisglättungen führen wird, selbst wenn dadurch manche exzessive Praxis der Finanzmarktakteure unterbunden werden sollte.

Es gibt bereits heute landwirtschaftliche Märkte, auf denen der Terminhandel untersagt ist, zum Beispiel der Zwiebelmarkt in den Vereinigten Staaten; die Preise schwanken ganz beachtlich. Der Schweizer Nationalrat hat die Initiative übrigens als volkswirtschaftlich schädlich eingestuft und rät der Bevölkerung, sie abzulehnen. Den Hunger in der Welt kann sie nicht beenden; dafür bedarf es besserer Politik (übrigens auch in der Schweiz). Die Schweizer sollten diesen Rat ernst nehmen.

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