Freytags-Frage

Was müssen wir tun, damit Afrika wirtschaftlich erfolgreich wird?

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Industrien agieren gegen die Interessen der Ärmsten

Fangen wir mit den organisierten Interessen am Beispiel der Landwirtschaft an: Die Landwirte wollen den Schutz vor Wettbewerb aus Entwicklungsländern nicht aufgeben, der trotz einiger Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) immer noch extrem hoch ist und viele Arbeitsplätze in Afrika gar nicht erst entstehen lässt, weil sich Landwirtschaft oberhalb der Bedarfswirtschafts zur reinen Selbstversorgung vielfach nicht lohnt. Andere Sektoren, die Importe aus Entwicklungsländern immer blockieren, sind die Textil- und Bekleidungsindustrie und die Stahlindustrie.

Aber nicht nur sie agieren gegen die Interessen der Ärmsten. Die Globalisierungsgegner mögen zwar die Landwirtschaft in Deutschland nicht, weil sie zu industriell ist. Sie mögen es aber auch nicht, wenn die Landwirtschaft in Entwicklungsländern produktiver wird. Sie träumen von ökologisch produzierenden Kleinbauern und regionalen (lokalen) Wertschöpfungsketten. Sie sollten bedenken, dass diese Vorstellung sich nicht realisieren lässt, letztlich nicht nachhaltig ist und die Entwicklung in Afrika massiv behindert.

Die Märkte müssen sich Produkten aus Afrika öffnen

Vielmehr bedarf es der ökonomischen Zusammenarbeit. Entwicklung findet vor allem dort statt, wo die Unternehmen und Beschäftigten sich gut in die Weltwirtschaft integriert haben - dies wird besonders an den Schwellenländern sichtbar, die in den vergangenen Dekaden stark gewachsen sind und in denen sich eine Mittelschicht gebildet hat.

Aus Sicht der deutschen Politik und der deutschen Wirtschaft geht es also um zweierlei. Zum einen die schon erwähnte Marktöffnung für Produkte aus den Ländern Afrikas – dies sind neben Rohstoffen vor allem landwirtschaftliche Produkte und eher einfache Industriewaren. Hier liegt nach wie vor viel Potential. Allerdings bedarf es einer gemeinsamen europäischen Initiative, denn sowohl Agrarpolitik als auch Handelspolitik liegen in der Zuständigkeit der EU. Da das Flüchtlingsproblem ein europäisches ist, kann man es auch mit europäischen Politiken, vor allem mit deren Reform lösen.

Neben der Marktöffnung ist es zum anderen sehr wichtig, dass Jobs in Afrika nicht nur in der Produktion von traditionellen Produkten am unteren Ende der Wertschöpfungskette entstehen, sondern auch qualifizierte Arbeitsplätze weiter oben in der Kette. Dazu kann die deutsche Wirtschaft aktiv mit Investitionen beitragen, muss dafür aber von der deutschen Politik sinnvolle Unterstützung erhalten. Hier gibt es Möglichkeiten mit Export- und Investitionsgarantien, deren volles Potential die Bundesregierung erst noch erfassen muss – und offenbar will. Dies wäre ein Fortschritt, denn für viele Unternehmen stellen die Governance-Probleme in Afrika ernsthafte Barrieren für Investitionen dar. Gerade für den innovativen deutschen Mittelstand böte Afrika viele Chance, die die Bundesregierung mit einem geschickten Instrumentenmix aus Wirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit fördern kann – ohne dabei in die Probleme mit direkten Subventionen zu laufen.

Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz der Bundeskanzlerin extrem wichtig und kann sehr wertvoll sein – für die Partner in Afrika und die deutsche Wirtschaft gleichermaßen. Gleichzeitig kann er dazu beitragen, dass es in Zukunft weniger Anlässe für Menschen in Afrika geben wird, ihre Heimat zu verlassen. Wenn es Afrika besser geht, geht es auch Europa besser. Und anders als viele glauben, ist die ökonomische Integration ein Positivsummenspiel.

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