Freytags-Frage

Was müssen wir tun, damit Afrika wirtschaftlich erfolgreich wird?

Angela Merkel will, dass sich weniger Afrikaner auf den Weg nach Europa machen. Wie die deutsche Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, dabei helfen kann und warum wir eine neue Entwicklungshilfe brauchen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch im Niger Quelle: dpa

Mali, Niger und Äthiopien – so heißen die drei afrikanischen Staaten, die die Bundeskanzlerin in dieser Woche besucht hat. Es sind Staaten, aus denen besonders viele Menschen nach Europa aufbrechen.  Ziel der Reise war es im Wesentlichen, die Flüchtlingsströme zu unterbinden. Dies ergibt grundsätzlich Sinn, denn die meisten Menschen wollen ihre Heimat gar nicht verlassen. Sie werden vor allem durch Not oder Gewalt dazu gezwungen.

Nicht nur für die Betroffenen ist die erzwungene Wanderung ein Problem; auch die Zurückgebliebenen leiden darunter, dass relativ produktive und unternehmerische Typen abwandern. Es ist davon auszugehen, dass die wirklich Bedürftigen eher nicht gehen, sondern vor allem die aktiven Bewohner – es findet ein sogenannter Brain Drain statt. Es fehlen damit in Zukunft genau diejenigen, die für einen Aufschwung und eine politische Stabilisierung gebraucht werden.

Entwicklungshilfe erreicht ihr Ziel zu oft nicht

Allerdings können diese Menschen in den Zielländern ihre potentielle Produktivität nur selten abrufen und somit zum eigenen Wohl und im Interesse der Zielländer einsetzten. An der humanitären beziehungsweise moralischen Pflicht, Menschen in Not zu helfen zweifelt niemand, außer den dumpfen Rechten wie Herrn Höcke von der AfD. Deshalb ist es auch für die Zielländer von Vorteil, wenn es Afrikanern in Ihren Heimatländern gut geht und sie gar nicht erst aufbrechen müssen. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung mehr Unterstützung für afrikanische Länder initiiert.

Mit Geld und guten Worten ist es jedoch nicht getan. Zu oft hat sich erwiesen, dass Entwicklungshilfe ihre Ziele nicht erreicht, sondern eher die Probleme verschärft, weil korrupte Eliten das Geld missbrauchen und weil die Hilfe zu einer passiven Haltung der Empfänger und verzerrten Anreizen bei den Geberorganisationen führt („Entwicklungshilfe schafft Jobs, aber nur bei den Hilfsorganisationen!“). Ganz ohne geht es auch nicht, aber sie sollte dann zum Aufbau einer umfassenden Infrastruktur und von Bildungskapazitäten eingesetzt werden. Vorschläge dafür gibt es genügend.

Die Mittelschicht Afrikas hat weniger Grund auszuwandern

Auch Ermahnungen, Menschenrechte ernst zu nehmen, sind richtig, aber wenig effektiv; die Kanzlerin erntete in Äthiopien offenbar höfliches Schweigen. Warum sollte ein Diktator in Subsahara-Afrika sich ändern, nur weil Angela Merkel ihn höflich daran erinnert, die Bevölkerung menschenwürdig zu behandeln. Solange ein totalitärer Führungsstil nicht zu persönlichen Konsequenzen führt, wird in Diktaturen selten etwas geändert.

Deshalb ist es für die Bundesregierung wichtig, eine alternative Strategie zu wählen, die viel Zeit kostet und gleichzeitig noch eine Reihe von politischen Konflikten im Inland hervorrufen wird. Diese Strategie kann mit den Worten Marktöffnung und Integration prägnant zusammengefasst werden. Mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung kann in Afrika eine breite - zum Teil bereits erkennbare – Mittelschicht entstehen, die sowohl weniger Anreiz besitzt auszuwandern als auch dazu beiträgt, die Fluchtursachen – Konflikt und Unterdrückung durch Regierungen – abzuschwächen. Denn die Mittelschicht ist das Rückgrat einer modernen, demokratisch verfassten und offenen Gesellschaft. Die Probleme, die eine zumindest der Wahrnehmung nach schrumpfenden Mittelschicht können wir im amerikanischen Wahlkampf beobachten.

Die aus einer ökonomisch rationalen Strategie der Entwicklungszusammenarbeit resultierenden Konflikte innerhalb Deutschlands sind interessanterweise mit mindestens zwei Gruppen zu erwarten, die sich ansonsten eher kontrovers gegenüberstehen: 

Interessenvertreter, wie zum Beispiel die konventionelle Landwirtschaft – und die Globalisierungsgegner. Zusammen – nicht notwendigerweise gemeinsam – haben sie in der Vergangenheit bereits einige sinnvolle Politikmaßnahmen blockiert.

Industrien agieren gegen die Interessen der Ärmsten

Fangen wir mit den organisierten Interessen am Beispiel der Landwirtschaft an: Die Landwirte wollen den Schutz vor Wettbewerb aus Entwicklungsländern nicht aufgeben, der trotz einiger Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) immer noch extrem hoch ist und viele Arbeitsplätze in Afrika gar nicht erst entstehen lässt, weil sich Landwirtschaft oberhalb der Bedarfswirtschafts zur reinen Selbstversorgung vielfach nicht lohnt. Andere Sektoren, die Importe aus Entwicklungsländern immer blockieren, sind die Textil- und Bekleidungsindustrie und die Stahlindustrie.

Aber nicht nur sie agieren gegen die Interessen der Ärmsten. Die Globalisierungsgegner mögen zwar die Landwirtschaft in Deutschland nicht, weil sie zu industriell ist. Sie mögen es aber auch nicht, wenn die Landwirtschaft in Entwicklungsländern produktiver wird. Sie träumen von ökologisch produzierenden Kleinbauern und regionalen (lokalen) Wertschöpfungsketten. Sie sollten bedenken, dass diese Vorstellung sich nicht realisieren lässt, letztlich nicht nachhaltig ist und die Entwicklung in Afrika massiv behindert.

Die Märkte müssen sich Produkten aus Afrika öffnen

Vielmehr bedarf es der ökonomischen Zusammenarbeit. Entwicklung findet vor allem dort statt, wo die Unternehmen und Beschäftigten sich gut in die Weltwirtschaft integriert haben - dies wird besonders an den Schwellenländern sichtbar, die in den vergangenen Dekaden stark gewachsen sind und in denen sich eine Mittelschicht gebildet hat.

Aus Sicht der deutschen Politik und der deutschen Wirtschaft geht es also um zweierlei. Zum einen die schon erwähnte Marktöffnung für Produkte aus den Ländern Afrikas – dies sind neben Rohstoffen vor allem landwirtschaftliche Produkte und eher einfache Industriewaren. Hier liegt nach wie vor viel Potential. Allerdings bedarf es einer gemeinsamen europäischen Initiative, denn sowohl Agrarpolitik als auch Handelspolitik liegen in der Zuständigkeit der EU. Da das Flüchtlingsproblem ein europäisches ist, kann man es auch mit europäischen Politiken, vor allem mit deren Reform lösen.

Neben der Marktöffnung ist es zum anderen sehr wichtig, dass Jobs in Afrika nicht nur in der Produktion von traditionellen Produkten am unteren Ende der Wertschöpfungskette entstehen, sondern auch qualifizierte Arbeitsplätze weiter oben in der Kette. Dazu kann die deutsche Wirtschaft aktiv mit Investitionen beitragen, muss dafür aber von der deutschen Politik sinnvolle Unterstützung erhalten. Hier gibt es Möglichkeiten mit Export- und Investitionsgarantien, deren volles Potential die Bundesregierung erst noch erfassen muss – und offenbar will. Dies wäre ein Fortschritt, denn für viele Unternehmen stellen die Governance-Probleme in Afrika ernsthafte Barrieren für Investitionen dar. Gerade für den innovativen deutschen Mittelstand böte Afrika viele Chance, die die Bundesregierung mit einem geschickten Instrumentenmix aus Wirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit fördern kann – ohne dabei in die Probleme mit direkten Subventionen zu laufen.

Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz der Bundeskanzlerin extrem wichtig und kann sehr wertvoll sein – für die Partner in Afrika und die deutsche Wirtschaft gleichermaßen. Gleichzeitig kann er dazu beitragen, dass es in Zukunft weniger Anlässe für Menschen in Afrika geben wird, ihre Heimat zu verlassen. Wenn es Afrika besser geht, geht es auch Europa besser. Und anders als viele glauben, ist die ökonomische Integration ein Positivsummenspiel.

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