Friedensnobelpreisträger Santos: Mal Falke, dann Friedenstaube

Erst Friedensstifter, dann gefallener Friedensengel und nun Nobelpreisträger: Kolumbiens Präsident hat in den vergangenen Tagen Höhen und Tiefen durchlebt. Nun geht er gestärkt in die Verhandlungen mit der Farc-Guerilla.

Es ist schwierig, Kolumbiens Präsidenten politisch einzuordnen.

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Es war in Kolumbien 4 Uhr morgens, als der Friedensnobelpreis in Oslo Präsident Juan Manuel Santos zuerkannt wurde. Aber schon wenige Minuten später, waren sich alle Medien des Landes einig: „Das ist ein riesiger Rückhalt für den Friedensprozess“, schrieb das politische Wochenmagazin „Semana“ auf seinem Portal. Und die wichtigste Tageszeitung „El Tiempo“ ergänzte: Santos erhalte den Preis für seine „entschiedenen Anstrengungen, mehr als 50 Jahre Krieg im Land zu Ende zu bringen“.

In Kolumbien, das seit dem Referendum vom Sonntag in einer tiefen politischen Krise steckt, wird die Auszeichnung mit Stolz aufgenommen und als Fingerzeig gesehen, dass der Friedensprozess zwischen den Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) und der Regierung trotz der Ablehnung in der Bevölkerung nun zu einem raschen und positiven Ende gebracht werden muss.

Zur Erinnerung: Santos hatte am Sonntag den in vierjährigen Anstrengungen ausgehandelten Friedensvertrag der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt. Und diese hatte sich mit einer hauchdünnen Mehrheit überraschend und gegen alle Umfragen dagegen ausgesprochen. Es war eine Art Brexit auf Kolumbianisch. Vor allem die Straferleichterungen für die Linksrebellen, die selbst für schwere Menschenrechtsverbrechen nicht ins Gefängnis müssen, wenn sie geständig sind, stößt der Bevölkerung auf. Auch sind viele Kolumbianer dagegen, dass für die zur politischen Partei gewandelte Guerilla-Organisation bei den kommenden Wahlen jeweils fünf Sitze im Senat und Abgeordnetenhaus reserviert sind.

Die umstrittensten Nobelpreisträger

Jassir Arafat

Für die einen ist er ein Terrorist, für die anderen ein Freiheitskämpfer: Jassir Arafat, von 1996 bis 2004 Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete. Er kämpfte sein Leben lang gegen Israel und für einen palästinensischen Staat in Nahost. Arafat war Anführer der Fatah-Bewegung, die Anschläge auf Israel verübte. 1993 stimmte er Friedensverhandlungen mit Israel zu. Ziel war es, zwei Staaten zu schaffen, Israel und Palästina, die sich gegenseitig anerkennen und der Gewalt absprechen sollten.

Für die Aufnahme der Friedensverhandlungen erhielt Arafat gemeinsam mit den Israelis Shimon Peres und Jitzchak Rabin 1994 den Friedensnobelpreis. In den folgenden Jahren aber stockten die Verhandlungen – Arafat unterstützte die zweite Intifada, einen gewaltsamen Aufstand gegen Israel.

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Die Europäische Union

Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz durften 2012 den Friedensnobelpreis für die Europäische Union in Empfang nehmen. Das Nobelpreiskomitee würdigte den Staatenbund, der über sechs Jahrzehnte zur Entwicklung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten beitrug. Für die Vergabe des Preises im Jahr 2012 – auf dem Höhepunkt der Euro-Krise – hagelte es Kritik von Brüssel-Gegnern. Die EU maße sich zu viele Entscheidungen an, in der Schuldenkrise sei es der Kommission nicht gelungen, zu versöhnen. Stattdessen seien neue Gräben in Europa enstanden. SPD-Politiker Thilo Sarrazin sprach von einem „Friedensmoralpreis“; der Preis sei eine Ermutigung, keine Auszeichnung für vergangenen Arbeit, bemängelte der streitbare Ex-Senator.

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Barack Obama

Mit dieser Auszeichnung hatte Barack Obama wahrlich nicht gerechnet. Der US-Präsident schlief, als das Nobelpreiskomitee in Norwegen die Entscheidung bekannt gab, dass der neue Mann im Weißen Haus den Friedensnobelpreis 2009 erhalten werde. Obamas Töchter hörten die Nachricht und weckten den mächtigsten Mann der Welt, der zum Zeitpunkt der Verleihung nicht einmal ein Jahr im Amt war. Die Preisverleiher lobten Obamas „außergewöhnliche Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie und zur Zusammenarbeit zwischen den Völkern“. Er habe noch nichts erreicht, schimpften seine Kritiker. Obama habe nur nette Reden gehalten. In der Folge schien der Nobelpreis mehr Bürde als Hilfe für den Demokraten zu sein, der die Truppen in Afghanistan aufstockte und mehr Drohnenangriffe genehmigte, als je ein US-Präsident zuvor.

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Muhammad Yunus

2006 erhielten Muhammad Yunus und die von ihm gegründete Grameen Bank den Friedensnobelpreis. Das Nobelpreiskomitee würdigte den Versuch, mit Mikrokrediten in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Armut zu bekämpfen. Kleinstunternehmen sollten mit Hilfe der Darlehen für ihren eigenen Unterhalt sorgen können. Inzwischen zeigte sich: Der Versuch ist gescheitert. Statt eine eigene Existenz aufbauen zu können, ist die Mehrheit der Kreditnehmer in eine Verschuldungsspirale geraten. Immer neue kommerzielle Mikrokreditgeber drückten immer mehr Kredite in den Markt. Viele Kreditnehmer brauchen neue Mikrokredite, nur um die alten bezahlen zu können. Familienmitglieder und Freunde mussten für die Kreditnehmer bürgen – und gerieten so selbst in den Abgrund. Mancherorts kam es zu einer Reihe von Selbstmorden. Unter anderem im indischen Andhra Pradesh, das besonders großzügig mit Mikrokrediten bedacht wurde.

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Woodrow Wilson

Der 28. Präsident der USA regierte das Land von 1913 bis 1921. Er erhielt 1919 den Friedensnobelpreis für seine Bemühungen zur Beendigung des Ersten Weltkriegs und für seinen Einsatz zur Gründung des Völkerbunds – einem Vorgänger der Vereinten Nationen.

Unumstritten war Wilson allerdings nicht – weder im Ausland noch im Inland. So ließ der US-Präsident die Karibikinsel Haiti besetzen. Ausgangspunkt war ein Lynchmord am diktatorischen Präsidenten Jean Vilbrun Guillaume Sam. Die USA nahmen 1915 die Insel ein und besetzten sie 19 Jahre. In den USA führe er die Rassentrennung in politischen Behörden und im Militär wieder ein und unterstütze die Versuche, den Afroamerikanern beim Wahlrecht schlechter zu stellen als die weißen Bürger.

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Theodore Roosevelt

Vor Wilson hatte 1906 bereits Theodore Roosevelt die prestigeträchtige Auszeichnung erhalten. Er hatte im russisch-japanischen Krieg vermittelt und maßgeblich zum Ende des Konflikts beigetragen. Das Problem: Roosevelt war ein knallharter Imperialist. Legendär ist sein Satz: „Speak softly and carry a big stick; you will go far” – auf Deutsch: „Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, [und du] wirst du weit kommen.“

Der US-Präsident sprach sich für eine Expansionspolitik aus und schuf eine Interessensphäre, in der die USA seiner Meinung nach mit Polizeigewalt auftreten sollten.

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Henry Kissinger und...

Der Vietnamkrieg dauerte 20 Jahre und kostete mindestens zwei Millionen Menschen das Leben. Am 27. Januar 1973 wurde das Pariser Abkommen unterzeichnet, es leitete das Ende des Kriegs ein. Maßgeblich an der Ausarbeitung des Papiers beteiligt waren der vietnamesische Politiker Le Duc Tho und der spätere US-Außenminister Henry Kissinger. Sie wurden für ihren Einsatz mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Kissinger allerdings, von 1969 bis 1973 Nationaler Sicherheitsberater, hatte vor und nach dem Pariser Abkommen eine wenig pazifistische Haltung an den Tag gelegt. Er unterstützte Militärputsche der USA, etwa in Chile, gab grünes Licht für die völkerrechtswidrige Invasion Osttimors durch Indonesien 1975 und organisierte Angriffe der USA im Vietnamkrieg gegen das neutrale Kambodscha.

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Der Präsident widmete die Auszeichnung in einer ersten Reaktion der Bevölkerung: „Aus tiefstem Herzen Danke“, sagte der Geehrte. Dieser Preis ist für alle Kolumbianer, vor allem für die Millionen Opfer!“

Die Position von Santos war seit Sonntag extrem geschwächt. Mancher in Kolumbien legte dem Staatschef sogar den Rücktritt nahe, zumal er in der Bevölkerung nicht sehr beliebt ist. Das „NO“ im Referendum war seine größte Niederlage als Politiker. Und er schien zerrieben zu werden zwischen der Farc-Guerilla auf der linken Seite und der radikalen Opposition auf der rechten Seite.

Aber nun geht der 65 Jahre alte Santos gestärkt in die Verhandlungen über die Korrekturen an dem Friedensabkommen. Sowohl die Rebellen, die bisher keine Neuverhandlungen des Vertragswerks wollten, wie auch die rechte Opposition, müssen nun von ihren maximalen Forderungen Abstand nehmen. Vor allem für die Gegner des Friedensprozesses, die sich um Ex-Präsident Álvaro Uribe scharen und die Rebellen als Terroristen und Drogenhändler sehen, mit denen man am besten nicht verhandelt, ist der Nobelpreis für Santos ein Dämpfer.