G20-Treffen Der Auftritt der Madame No

Wie kommt die Weltwirtschaft aus der Krise? Finanzminister Schäuble predigt Sparen und Strukturreformen anstatt milliardenschwerer Konjunkturprogramm. Vor dem G20-Treffen bekommt er überraschend starke Rückendeckung.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
IWF-Chefin Lagarde dringt neben Konjunkturprogrammen nun auch auf Strukturreformen in den G20-Staaten. Angebots- und Nachfragepolitik seien gleichermaßen wichtig, sagte sie. Quelle: AFP

Schanghai Für Wolfgang Schäuble (CDU) ist es ein Auftakt nach Maß. Der Bundesfinanzminister sitzt auf dem Podium im Raum „Kaifeng“ im Shangri-La-Hotel in Schanghai. Neben ihm einige der mächtigsten Lenker der Weltwirtschaft, darunter Chinas Finanzminister Jiwei Lou und die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde. Noch hat das Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Schanghai offiziell nicht begonnen, Schäuble und seine Mitdiskutanten wollen sich in einem „High Level Seminar“ aber schon mal einstimmen.

Und die Botschaft dieser Diskussionsrunde, die mehr als zweieinhalb Stunden dauert, ist ganz nach Schäubles Geschmack: Damit die Weltwirtschaft zurück auf einen sicheren Wachstumspfad findet, braucht es vor allem Strukturreformen in den Ländern. Der Bundesfinanzminister predigt das seit Jahren: Nicht milliardenschwere Konjunkturprogramme bringen dauerhaft Wachstum, sondern gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Damit hat er sich in Europa nicht nur beliebt gemacht, wie er selbst sagt. Überraschend ist, wie viel Zustimmung Schäuble nun in Schanghai erfährt.

IWF-Chefin Lagarde fordert Strukturreformen in den G20-Staaten. Angebots- und Nachfragepolitik seien gleichermaßen wichtig, sagt sie. Das sind neue Töne vom IWF. Bisher hatte der Währungsfonds die G20-Staaten nur zu neuen Konjunkturprogrammen aufgefordert, um die Weltwirtschaft in Schwung zu bekommen. Das war ein schon traditioneller Appell.

Lagarde betont, dass Strukturreformen wichtig seien, um das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern zu stärken. Und dies sei dringlich und notwendig, sagt die IWF-Chefin. Denn die Risiken für die Weltwirtschaft nehmen zu. Gerade erst hatte der IWF seine Prognosen für das globale Wachstum nach unten korrigieren müssen. „Das muss nicht notwendigerweise das Ende der Geschichte sein“, warnt Lagarde.

Die IWF-Chefin mahnt daher die G20-Staaten, sich an ihre Zusagen zu halten. Die Länder hatten 2014 im australischen Brisbane einen Plan verabschiedet, der insgesamt 800 Reformmaßnahmen auflistete. Die Umsetzung müsse beschleunigt werden, forderte Lagarde. Und lag damit auf einer Linie mit Schäuble. Auch der deutsche Finanzminister ist genervt, dass die G20-Länder dazu tendieren, jährliche neue Aktionspläne zu beschließen und dabei die Umsetzung der vorherigen Zusagen vergessen.

Lagarde und Schäuble sind mit ihren Forderungen nicht allein. Angesichts der vielen Unsicherheiten – von der Schwäche der Schwellenländer über die Turbulenzen an den Finanzmärkten bis zu den Nebenwirkungen der Geldflutung durch die Notenbanken – stimmen nun viele mit ein in den Ruf nach Strukturreformen.


Chinas Finanzminister lobt ausdrücklich Deutschland

Das gilt vor allem für den Gastgeber des Schanghaier Treffens: China sehe Strukturreformen bei seiner G20-Präsidentschaft als oberste Priorität, sagte Finanzminister Jiwei Lou. Bisher seit der Reformprozess in den G20-Staaten hinter Chinas Erwartungen zurückgeblieben. Ausdrücklich lobt Lou Deutschland. Es sei der Wachstumsmotor in Europa, was vor allem durch rechtzeitige Reformen gelungen sei. Schäuble hört das gerne. Genauso wie die Mahnung des chinesischen Finanzministers, dass die Schuldenstände der meisten Staaten noch immer viel zu hoch seien.

Doch nicht nur Lagarde und China unterstützen Deutschland. Auch OECD-Chef Angel Gurria mahnt: „Wir müssen den Reformprozess beschleunigen.“

Angestachelt von so viel Unterstützung legt Schäuble kurze Zeit später bei einer weiteren Veranstaltung in Schanghai nach. Die Forderungen nach Konjunkturprogrammen, wie sie vor allem aus den USA immer wieder ertönen, erteilte er eine deutliche Absage. „Es gibt bereits genügend Stimulus im System“, betont der deutsche Finanzminister. „Über weitere Stimulierungsmaßnahmen zu sprechen, lenkt nur von den wirklichen Aufgaben ab, die sich uns stellen.“ Schäuble betonte, dass die Schuldenstände in vielen Staaten noch immer viel zu hoch seien.

Schon deshalb hat sich aus seiner Sicht das Modell kreditfinanzierter Konjunkturprogramme erledigt. Aber auch Impulse durch die expansive Geldpolitik vieler Notenbanken sieht der deutsche Finanzminister
kritisch. Die Niedrigzinsen würden immer mehr Risiken mit sich bringen und drohten auf Dauer kontraproduktiv zu wirken, so Schäuble.

Die Frage wird für die deutsche Delegation nun sein, ob sich diese Positionen in den offiziellen G20-Diskussionsrunden, die Freitagabend beginnen, ähnlich durchsetzen. Mit den Amerikanern gibt es dann gewichtige Gegenspieler. Am Ende des G20-Treffens dürfte deshalb ein Abschlusskommuniqué stehen, das beides betont: die Notwendigkeit von Strukturreformen, aber auch die Möglichkeit weiterer Konjunkturimpulse.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%