G7-Gipfel 7 Themen, 7 Köpfe

Alle G7-Partner reisen mit eigenen Nöten und Zielen zum Gipfel nach Japan. Auch die Kanzlerin. Vor einem Jahr stand sie noch glänzend da, doch nun ist sie auf Solidarität angewiesen.

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Als Superhelden werden die sieben Regierungschefs im Vorfeld des Gipfels in Japan dargestellt. In super Kondition ist aber eigentlich nur einer von ihnen. Quelle: dpa

Berlin Ein bisschen Schmeichelei ist sicher dabei, wenn Shinzo Abe die Kanzlerin mit „Hochachtung“ als „die stärkste Politikerin“ mit „der größten Einflusskraft“ beschreibt. Bei seinem Besuch in Deutschland vor drei Wochen vermeidet der japanische Ministerpräsident trotz gehöriger Differenzen jeden Misston. Dennoch wird Angela Merkel seinen dringenden Wunsch für den G7-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag im japanischen Ise-Shima kaum erfüllen. Sie hat auch ganz andere Sorgen als der rechtskonservative Premier.

Abe pocht darauf, dass die sieben Staats- und Regierungschefs großer Industrienationen zur Ankurbelung der Weltwirtschaft – und damit möglichst auch des schwächelnden japanischen Wirtschaftswachstums – „mit einer Stimme eine konkrete Botschaft aussenden“. Er meint damit etwa eine expansive Fiskalpolitik, also schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. Und das lehnt Merkel ab. Finanzminister Wolfgang Schäuble ließ beim Treffen mit seinen G7-Kollegen schon wissen: „Ich glaube, die deutsche Finanzpolitik ist ziemlich erfolgreich.“

Für Merkel wiederum kommt es vor allem darauf an, dass die G7-Chefs (US-Präsident Barack Obama, Kanadas neuer Premierminister Justin Trudeau, Großbritanniens Premier David Cameron, Frankreichs Staatschef François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi) in der Flüchtlingskrise zusammenrücken. Und so hat jeder von ihnen eigene Nöte und Ziele. Die Gemengelage in Ise-Shima:

Flüchtlinge und Terror

Als Deutschland vor einem Jahr den G7-Gipfel ausrichtete, stand Merkel glänzend da. Beste Umfragewerte, hohe internationale Anerkennung. Inzwischen ist sie in der Wählergunst abgesackt und wegen der Flüchtlingskrise politisch schwer unter Druck. Nun gehört sie zu jenen, die Solidarität brauchen. Am besten ein Signal für gemeinsame Anstrengungen bei der Bekämpfung von Fluchtursachen und Hilfe für Flüchtlinge etwa internationale Entwicklungsbanken. Die Botschaft an die Bürger zuhause wäre: Deutschland steht mit dem Problem nicht alleine da. Ähnliches gilt für Italien. Frankreich wiederum, das 2015 zwei fürchterliche Terroranschläge erlebte, braucht entsprechende Solidaritätsbekundungen für den Anti-Terror-Kampf.

Wirtschaft

Von Abes Wunsch nach einer starken konkreten Botschaft für die Wirtschaft wird vermutlich nicht viel mehr als ein Appell in der Abschlusserklärung übrig bleiben. Japanische Diplomaten rechnen mit einer Formulierung wie: Jede Regierung wird nach ihren Möglichkeiten das Wirtschaftswachstum fördern. Mit den USA liegt Japan in der Währungspolitik im Clinch. Tokio sieht in der Aufwertung des Yen ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Ein schwächerer Dollar wiederum stützt die Konjunktur in den USA.

Pandemien

Die sieben reichen Industrienationen wollen die internationale Reaktion auf den Ausbruch von Pandemien verbessern und beschleunigen. Auf dem Gipfel wollen die G7-Führer ausdrücklich die Reformen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützen, die eine „zentrale Rolle“ bei einer koordinierten Antwort auf solche gesundheitliche Notfälle spielen soll. Das geht aus dem diskutierten Entwurf des Abschlusskommuniqués hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die G7 ruft darin zur Finanzierung des geplanten Nothilfefonds (CFE) auf und begrüßen auch den Pandemiefonds (PEF), den die Weltbank mit privaten Versicherern aufsetzen will. Es geht bei der „Stärkung der globalen Gesundheitsarchitektur“ darum, welche Lehren aus dem Ebola-Ausbruch in Afrika gezogen werden müssen. Experten glauben, dass viele Leben gerettet und Kosten gespart worden wären, wenn die Epidemie früher eingedämmt worden wäre. Die Kosten hätten dann nur ein Zehntel der mehr als zwei Milliarden US-Dollar ausgemacht.


Krieg und Frieden

Der Syrien-Krieg und der Russland-Ukraine-Konflikt sind Dauerthemen der G7. Japan erwartet mehr Solidarität bei den Territorialstreitigkeiten mit China um Inseln und Riffe im Ost- und Südchinesischen Meer – einer der gefährlichsten Krisenherde der Welt. Tokio habe sich klar gegen Moskau wegen der Annexion der Krim positioniert – nun müssten die G7-Partner erkennen, dass Japan ebenfalls von gewaltsamer Veränderung seines Territoriums durch China bedroht sei, heißt es von japanischer Seite. Das sei eine Herausforderung für das internationale Rechtssystem.

Hunger und Armut

Nahrungsmittelsicherheit, eine Stärkung der Gesundheitssysteme, eine bessere Vorbereitung auf Pandemien, die stärkere Rolle von Frauen, Korruptionsbekämpfung und mehr Unterstützung für Flüchtlinge sind Kernforderungen der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in den G7-Prozess eingebunden sind. NGOs fordern einen stärkeren Einsatz der G7: 805 Millionen Menschen weltweit hätten nicht genug Nahrung, um ein gesundes und aktives Leben führen zu können. Durch Nahrungsmangel kämen jährlich 3,1 Millionen Kinder ums Leben, kritisierte die Organisation Global Citizen.

Klima

Eher selten schlagen Gipfel-Abschlussdokumente hohe Wellen. Oft sind die Formulierungen schwammig. Beim Gipfel 2016 in Bayern reichte allerdings die Bekräftigung der G7, das Zwei-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit auch wirklich anzustreben, für Jubel bei Klimaschützern. Denn das war eine Grundvoraussetzung für den Erfolg des Uno-Klimagipfels in Paris Ende des Jahres, wo dann 195 Staaten das Zwei-Grad-Ziel akzeptierten. Nun will Merkel die dafür nötige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien voranbringen. Erstmals ist in der Runde Kanadas smarter Premier Trudeau dabei. Im Kanzleramt gilt er als „Grüner“, auf den Merkel in ihrem Bestreben nach weiterem international koordiniertem Vorgehen beim Klimaschutz setzen kann. Sie wird die Gelegenheit nutzen, mit dem 44-Jährigen allein zu sprechen.

Brexit

Von Obama bis Merkel wird die G7-Runde den Briten die harten Konsequenzen in Finanz- und Wirtschaftsfragen vor Augen führen, sollte seine Bevölkerung bei dem Referendum am 23. Juni gegen einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union stimmen. Es werden aber auch Negativfolgen für die EU und die Weltwirtschaft befürchtet.

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