Gängelung von NGOs in Ungarn Soros will Orbán widerstehen

Ein Gesetz spaltet Ungarn: Das Parlament hat am Dienstag ein umstrittenes Gesetz zur Regulierung von NGOs gebilligt. Finanzinvestor George Soros warnt vor einem Flächenbrand Osteuropas.

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Das heftig umstrittene Verbot von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), ist am Dienstag vom Parlament durchgenickt worden. Quelle: dpa

Wien Ungarns Premier Viktor Orbán arbeitet hart daran, das osteuropäische Land nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Ganz oben auf der Liste: Das heftig umstrittene Gesetz über Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die finanzielle Förderung aus dem Ausland erhalten.

Dem am Dienstag bestätigten Gesetz zufolge müssen sich NGOs künftig gerichtlich registrieren, wenn sie pro Jahr mehr als umgerechnet rund 23.300 Euro aus dem Ausland erhalten. In den meisten ihrer Publikationen müssen sie dann darauf verweisen, dass sie ausländische Mittel bekommen. Außerdem müssen sie jeglichen Sponsor aus dem Ausland angeben, der ihnen mehr als knapp 1600 Euro jährlich gibt. Dagegen laufen Nicht-Regierungsorganisationen seit Wochen Sturm.

Ziel des neuen Gesetzes ist insbesondere der gebürtige Ungar George Soros, dem mit seiner Open Society in Budapest sich für Demokratie und eine pluralistische Gesellschaft einsetzt. In den vergangenen Monaten hatte Orbán bereits die private Elitehochschule von Soros, die Central European University (CEU), mit einer Gesetzesinitiative bekämpft. Das indirekte Ziel des Parteichefs der rechtspopulistischen Fidesz, nämlich die Schließung der Budapester Universität, scheint nicht Wirklichkeit zu werden. Die Universität hat erklärt, in Ungarn bleiben zu wollen. Soros ist dort im Jahr 1930 geboren worden.

In öffentlichen Erklärungen haben die Stiftungen vor einer „Stigmatisierung“ der NGOs gewarnt. Unter den Unterzeichnern war auch die Volkswagen Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Bertelsmann Stiftung, Körber Stiftung oder die Zeit-Stiftung. Am Dienstagnachmittag findet eine Demonstration vor dem Budapester Parlament statt, zu dem zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen aufgerufen haben.

Soros' Stiftung Open Society, warnt unterdessen eindringlich davor, dass das EU-Land Ungarn im Umgang mit Nicht-Regierungsorganisationen einen ähnlich diskriminierenden Weg wie Russland einschlagen könnte. „Das NGO-Gesetz ist eine modifizierte Kopie der russischen Vorlage“, sagte Goran Buldioski, Direktor der Open Society dem Handelsblatt in Budapest. Die Open Society unterstützt seit dem Fall des Eisernen Vorhangs den Aufbau demokratischer und pluralistischer Zivilgesellschaften in Osteuropa und setzt sich für Minderheiten ein. „Mit dem ungarischen NGO-Gesetz kann in Osteuropa ein Flächenbrand ausgelöst werden.“ Orbán habe das Land in wenigen Jahren in der Wertegemeinschaft so isoliert wie kein anderer Premier – das zweite Beispiel sei Polen, warnt der gebürtige Makedonier Buldioski.

Orbáns Kritiker warnen davor, dass mit dem neuen NGO-Gesetz vor allem die illegalen Geldzuflüsse aus dem Osten gefördert werden.  „Der Einfluss dubioser Kräfte, die mit einem Koffer voller Geld nach Budapest reisen, wird noch größer werden. Schon heute nimmt Russland großen Einfluss auf Ungarn“, sagte ein Stiftungsmitarbeiter in der ungarischen Hauptstadt, ohne allerdings einen klaren Beweis vorzulegen.  „Wir wollen russische Verhältnisse in Ungarn unbedingt verhindern“, sagt Soros-Vertrauter Buldioski. „Wir haben große Angst, dass der Druck auf Kritiker der ungarischen Regierung im Land noch stärker werden wird.“ Orbán gehe es darum, die NGOs zu kriminalisieren.

Die Open Society will den Kampf gegen das kontroverse NGO-Gesetz auch nach der Verabschiedung im Parlament nicht aufgeben. Buldioski sagte dem Handelsblatt, dass seine Stiftung die rechtliche Prüfung vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg oder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg unterstützen werde. Nach Auffassung der Open Society ist das Gesetz „unfair“. Beispielsweise werde der Nationale Fußballverband ausgenommen, der aus dem Ausland jährlich eine hohe Förderung erhalte.

Gegen eine finanzielle Transparenz in Ungarn über Finanzmittelzuflüsse aus dem Ausland, wehren sich die Nichtregierungsorganisationen nicht grundsätzlich. Die Stiftung von Soros verweist darauf, dass sie bereits heute ihre Finanzierung detailliert ausweise. „Wir haben gar nichts zu verstecken“, sagte Buldioski, der seit über einen Jahrzehnt in Ungarn für Soros arbeitet. Sein Vorschlag: Eine EU-weite Richtlinie für Nicht-Regierungsorganisation, aber auch eine freiwillige Selbstverpflichtung. Mit beidem könne man gut leben.

Ungarn wählt im Frühjahr nächsten Jahres ein neues Parlament. Da die Flüchtlingsfrage längst nicht mehr die Massen mobilisiert, sucht sich Fidesz-Chef Orbán nach Meinung politischer Analysten in Budapest, neue Gegner. Multimilliardär Soros ist einer der Ziele.

„Die ungarische Regierung befindet sich längst im Wahlkampf. Sie will den politischen Spannungsbogen bis zu diesem Urnengang erhalten“, sagt Frank Spengler, Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Budapest. Ausländische Parteistiftungen sind vom neuen NGO-Gesetz nicht direkt betroffen.

Soros, ursprünglich 1930 als György Schwartz in der ungarischen Hauptstadt geboren, ist nicht zuletzt wegen seines Milliardenvermögens für Orbán ein politisch einfaches Ziel. Der ungarische Regierungschef wirft dem liberalen Finanzunternehmer Einmischung vor. 

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