Gartensiedlungen als Rettung Wie Großbritannien gegen die Wohnungsnot kämpft

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Erbitterter Kampf um verwildertes Brachland

Auch fehlt es an der ausreichenden Finanzierung. Wie die WirtschaftsWoche auf Anfrage aus dem zuständigen Ministerium für Wohnungsbau erfuhr, werden die neuen Gartensiedelungen in den nächsten zwei Steuerjahren nur sechs Millionen Pfund an öffentlichen Fördermitteln erhalten. Mit diesem Geld sollen allerdings keine Häuser gebaut, sondern lediglich Planungsarbeiten beschleunigt werden.

Der Rest der Kosten soll von privaten Bauträgern übernommen werden, die dann auch die Kaufpreise für die neuen Wohnungen und Häuser festlegen können. Aus diesem Grund ist es derzeit auch nicht möglich zu beurteilen, ob die neuen Siedlungen tatsächlich Wohnraum für Niedrigverdiener zur Verfügung stellen werden. Zwar heißt es, ein Fünftel der neuen Häuser und Wohnungen sollten um bis zu 20 Prozent unter dem gängigen Marktpreis an Erstkäufer abgegeben werden, die jünger sind als 40 Jahre. Bisher ist aber nicht einmal bekannt, ob es sich bei den Neubauten in erster Linie um Mietobjekte oder um Immobilien handelt, die verkauft werden sollen. Angesichts des massiven Anstiegs der Hauspreise in den letzten Jahren sind vor allem die jüngeren Briten nicht mehr in der Lage, sich eine Immobilie zu kaufen. Doch der Mietmarkt ist dünn und teuer.

Shopping-Boom und Immobilien-Schock
Brexit-Demonstranten in Großbritannien Quelle: REUTERS
Britische Pfundnoten Quelle: dpa
In Großbritannien beliebt: der Brotaufstrich Marmite. Quelle: dpa
Großbritannien-Fan Quelle: AP
Der britische Finanzminister Philip Hammond und die Premierministerin Theresa May Quelle: REUTERS
British-Airways-Maschine Quelle: AP
Touristen in London Quelle: dpa

Ein weiteres Problem für die neuen Gartenstädte und -dörfer: Die Siedlungen sollen oft im Umland von Städten gegründet werden. Dort Baugenehmigungen zu erhalten, ist nicht leicht, da sich am Rande der britischen Städte sogenannte "Grüngürtel" befinden. Wohnungsbauminister Sajid Javid hat sich verpflichtet, diese Schutzregionen, die als grüne Lunge für die Städte fungieren, nicht anzutasten.

In einem soeben veröffentlichten Weißbuch der Regierung werden landesweit 14 solcher geschützter Zonen ausgewiesen – sie wurden erstmals im Jahr 1938 etabliert und dann 1955 ergänzt. In diesen Gebieten darf bisher nicht gebaut werden, um ihre Nutzung tobt jetzt ein erbitterter Kampf. Denn anders als der Name es suggeriert sind die sogenannten "Grüngürtel" keine idyllischen Parklandschaften sondern oft verwildertes Brachland.

"Wir müssen die Teile des Grüngürtels neu bewerten die eigentlich nicht grün sind", fordert Alan Williams, der Entwicklungsdirektor der privaten Baugesellschaft One Housing, die sich dem sozialen Wohnungsbau verschrieben hat. Im Gegensatz dazu kämpft eine Bürgerrechtsbewegung namens "The Campaign to Protect Rural England" (CPRE) um den Erhalt der "Grüngürtel" und warnt davor, diese Stück für Stück zu verkleinern. Kevin FitzGerald, ein ehrenamtlicher Direktor von CPRE, sagt: "Die Pläne (der Regierung) werden der Sargnagel für unser ländliches Hertfordshire sein. Wunderschöne Dörfer die eigentlich durch den Grüngürtel geschützt werden sollten, dürften einfach von den Wucherungen der Nachbarstädte verschluckt werden".

Die Regierung ruderte angesichts solch lautstarken Widerstands bereits zurück. Es ist kein Zufall, dass in ihrem neuen Vorschlag nur noch von drei Gartenstädten die Rede ist und statt dessen 14 kleinere Einheiten, die sogenannten Gartendörfer, vorgeschlagen werden.

Wenig Erfolg hatte bisher auch das bereits 2014 begonnene Projekt einer neuen Gartenstadt in Ebbsfleet, obwohl die neue Trabantenstadt mit dem Hochgeschwindigkeitszug nur 17 Minuten von London entfernt ist. Trotz großzügiger öffentlicher Fördermittel von mehreren Millionen Pfund und dem Versprechen in Ebbsfleet 15.000 neue Wohneinheiten zu bauen blieb die Nachfrage so schwach, das bisher lediglich 500 fertiggestellt wurden. Woran das angesichts der Knappheit an erschwinglichem Wohnraum liegt, ist nicht ganz klar.

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