Gary Hufbauer "Finanzsanktionen bringen mehr als Handelssanktionen"

Sie gelten als Allheilmittel der Außenpolitik – doch Wirkung zeigen Sanktionen wie jene gegen Nordkorea selten. US-Experte Gary Hufbauer über die Gründe, den Vergleich zum Iran und einen vermeintlichen Widerspruch.

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Die Situation zwischen den USA und Nordkorea bleibt wegen Nordkoreas Atomwaffen und Raketentests angespannt. Quelle: dpa

Es ist früher Nachmittag in New York am 14. Oktober 2006, einem Samstag, als im Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River 15 Arme gleichzeitig in die Höhe schießen. Nach tagelangem, zähem Ringen verabschieden die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates einstimmig Resolution 1718: Auf viereinhalb Seiten beschließen sie eine Reihe von Handelssanktionen gegen Nordkorea.

Fünf Tage zuvor hatte das Regime in Pjöngjang zum ersten Mal Atomwaffen getestet. Die Sanktionen zielen hauptsächlich auf die Einfuhr von Waffen und Material zum Raketenbau, schließen aber auch Luxusgüter ein. „Gangster-Methoden“, wetterte Nordkoreas UN-Botschafter seinerzeit. „Eine klare Botschaft“, verkündete der damalige US-Präsident George W. Bush.

Ein halbes Dutzend Mal hat der UN-Sicherheitsrat seither die Strafmaßnahmen gegen Nordkorea verschärft. Doch statt Annäherung gab es immer neue Raketen- und Atomtests. Kürzlich hat der Sicherheitsrat einstimmig für eine von den USA eingebrachte Resolution gestimmt, es sind die bislang schärfsten Sanktionen gegen das Regime in Pjöngjang.

Auslandseinnahmen des nordkoreanischen Regimes

Anders die Entwicklung an einem über Jahre ähnlich brisanten Schauplatz: Iran. Dessen Atomprogramm liegt seit anderthalb Jahren auf Eis. Seit das Atomabkommen von Wien im Januar 2016 in Kraft ist, werden die internationalen Sanktionen gegen die aufstrebende Regionalmacht im Mittleren Osten schrittweise aufgeboben: Programm gestoppt, Ziel erreicht.

Nordkorea, Iran und der Aufstieg zur Nuklearmacht: Wann wirken Sanktionen – und wann nicht? Ein Gespräch mit einem, der es wissen muss:

Herr Hufbauer, Sie haben mit Kollegen am Washingtoner Petersen Institute mehr als 200 Fälle von Wirtschaftssanktionen untersucht. Ergebnis ihrer Einzelfallstudien: In mehr als zwei Drittel der Fälle blieben Sanktionen wirkungslos. Warum?
Gary Hufbauer: Wir haben drei wesentliche Schlussfolgerungen gezogen. Erstens: Sind die Ziele, die mit Sanktionen erreicht werden sollen, anspruchsvoll, ist die Erfolgsrate extrem gering. Wenn bescheidene Ziele verfolgt werden, ist die Chance auf diplomatische Erfolge etwas größer. In etwa einem Drittel dieser Fälle erreichte der sanktionierende Staat sein Ziel.
Zweitens: Bei großen, autokratischen Staaten sind die Erfolgschancen besonders gering. Das liegt daran, dass Regierungen die Folgen von Sanktionen leichter auf ihre Bevölkerung abwälzen können, wenn die politisch keine Stimme hat.
Drittens werden häufig die Erfolgschancen von Sanktionen gleichgesetzt mit ihrer Härte, nach dem Motto: Wenn wir nur hart genug zuschlagen, wird das andere Land schon einknicken. Die Erfahrung lehrt etwas anderes.

Präsident Moon agiert als Vermittler

Ist das Atomabkommen mit dem Iran ein Beispiel, was Sanktionen zu leisten imstande sind?
Das war aus unserer Sicht ein überraschender Fall. Sanktionen der USA gegen Iran gab es seit etwa 1990. 2010 wurden die Sanktionen drastisch verschärft. Entscheidend war der Übergang zu Finanzsanktionen und zwar dahingehend, dass die großen amerikanischen und europäischen Banken keine Geschäfte mehr mit iranischen Banken machen durften. Das ist eine weitere zentrale Erkenntnis: Wir haben festgestellt, dass man mit Finanzsanktionen eine wesentlich größere Wirkung erzielen kann als mit Handelssanktionen.

Wie kommt das?
Finanzsanktionen haben einen sich selbst verstärkenden Effekt. Wenn große Banken wie Deutsche Bank, Union Bank, JP Morgen und andere ausgesperrt werden, ist es schwierig, in dem Land über andere Kreditgeber Geschäfte zu finanzieren. Bei Handelssanktionen, ob Import oder Export, ist es anders: Als Ersatz für den offiziellen Handel nehmen dann der Schmuggel und der Handel auf dem Schwarzmarkt zu. Davon profitieren das Regime und seine Anhänger.

Anders ausgedrückt: Es ist deutlich schwieriger, Sanktionen gegen den Finanzsektor zu umgehen als Handelssanktionen?
Ganz genau. Es macht sich Angst davor breit, ob in Zukunft überhaupt noch neue Kredite und Anschlussfinanzierungen vergeben werden. Das verstärkt den Effekt der Sanktionen erheblich.

Waren im Fall Iran denn wirklich die Sanktionen ausschlaggebend?
Der Kontext war sicher mitentscheidend. Die Geheimoperationen gegen das iranische Atomprogramm waren äußerst erfolgreich, etwa der berühmte Computervirus Stuxnet. Iran hatte die latente Gefahr eines Militärschlags durch die USA und Israel. Zudem steuerte das Land zu einem etwas weniger autokratischen System. Und erst als der moderate Hassan Rohani im November 2013 an die Macht kam, gab es Fortschritte.

Wie verhält es sich mit Nordkorea? Ist denkbar, dass sich durch Chinas Beteiligung an den Sanktionen das Verhalten des Regimes in Pjöngjang ändert?
Ich denke, die Sanktionen können allenfalls den gewünschten Effekt haben, wenn China wirklich ernst macht und den Handel mit Nordkorea vollständig blockiert. Nur wenn die Not im Land die militärische und politische Elite erreicht, kann es vielleicht gelingen. Es gibt aber noch einen anderen wichtigen Unterschied in der Verteidigung des Nuklearprogramms. Die iranische Führung hat offiziell immer behauptet, das Atomprogramm diene rein zivilen Zwecken. Das ist bei Nordkorea ganz anders: Atomwaffen zu haben war immer das Hauptanliegen der Regierung. Die Chancen, dass die Sanktionen funktionieren, sind daher sehr klein.

Weil es letztlich auf einen Regimewechsel hinausläuft. Viel anspruchsvoller geht es nicht.
Die amerikanische Regierung, insbesondere Außenminister Rex Tillerson, versucht vom Ziel des Regimewechsels abzurücken. Aber weil sich die nordkoreanische Regierung so eng an die Entwicklung von Atomwaffen gebunden hat, sind die beiden Ziele Regimewechsel und Aufgabe des Atomwaffenprogramms kaum voneinander zu trennen.

Obwohl Sanktionen selten eine Verhaltensänderung bewirken und obendrein Unternehmen im sanktionierenden Staat schaden können, sind sie ein sehr beliebtes Mittel der Außenpolitik. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?
In den USA gab es immer schon gemischte Gefühle. Unter Präsident Carter zum Beispiel begehrten die amerikanischen Bauern gegen ein Getreide-Embargo auf, mit dem die Regierung den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan sanktionierte. Das war 1980 sogar Thema im Wahlkampf. Sanktionen werden gerne für ein Allheilmittel gehalten. Im Westen wäre die Kritik an einer Regierung vernichtend, wenn sie es in einer Krise nicht zunächst mit Sanktionen probieren würde. Es gäbe gar keine öffentliche und parlamentarische Unterstützung für den nächsten, militärischen Schritt, wenn nicht erst das Ritual von Sanktionen durchlaufen wird. In den USA kommt hinzu, dass der Kongress verfassungsrechtlich die Hoheit über die Handelsbeziehungen hat, nicht aber über den Einsatz des Militärs. Sein Recht, sich auf diese Weise in die Außenpolitik einzumischen, setzt der Kongress in immer stärkerem Maße ein. Wirtschaftssanktionen werden daher ein unverzichtbares Werkzeug der Diplomatie bleiben.

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