Gastbeitrag zu Trumps Erfolgschancen Warum eigentlich nicht?

Immer wieder spekulieren Kommentatoren über ein Scheitern Trumps. Dabei wird oft vergessen, dass sowohl Wähler als auch die Republikaner ernsthaft am Erfolg des Präsidenten interessiert sein könnten. Ein Gastkommentar.

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Bislang gibt es kaum Anzeichen dafür, dass der US-Präsident nach gewonnener Wahl auf den „politics as usual“-Kurs einschwenkt. Quelle: AFP

Natürlich kann weiterhin nicht ausgeschlossen werden, dass ungeklärte Vorgänge wie die Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf 2016 zu einem vorzeitigen Ende der Trump-Präsidentschaft führen. Aber auch über weniger spektakuläre Varianten des Scheiterns wird spekuliert. Manche vermuten, dass sich die Wähler enttäuscht von Trump abwenden werden, weil er seine Wahlversprechen nicht umsetzen kann. Die ohnehin mit Trump fremdelnden republikanischen Mandatsträger könnten dann – endlich – auf Distanz gehen.

Das muss kein unplausibles Szenario sein. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass sowohl die Wähler wie auch die Partei ernsthaft am Erfolg des Präsidenten interessiert sein könnten. Schließlich ist es ihm gelungen, Wähler für die Partei zu mobilisieren, deren politische Positionen teilweise deutlich von Grundüberzeugungen der Republikaner abweichen. Diese Wähler sehen in Trump die Chance verkörpert, dass ihre politischen Präferenzen etwa mit Bezug auf Handel, Immigration und die internationale Rolle der USA durchgesetzt werden. Die Partei wiederum will dieses Wählerpotential an sich binden.

„Politics as usual is not an option“ war die zentrale Botschaft, die von Trump im Wahlkampf ausging. Das kam besonders gut bei Wählern an, die zwar zur Kernklientel, aber nicht zur Stammwählerschaft der Republikaner gehören. Die entscheidenden Stimmen gewann Trump unter Wählern hinzu, die 2008 und 2012 für die Demokraten gestimmt hatten. Erreicht wurde dies durch eine Kampagne, die auf die amerikanische Kerngesellschaft zielte. Speziell an die weißen Mittelschichten richtete sich die Botschaft, dass Politik etwas zu ändern vermag und zwar nicht nur zugunsten von Minderheiten und benachteiligten Gruppen. Die beiden vorherigen Machtwechsel, die George W. Bush und Barack Obama ins Weiße Haus gebracht hatten, waren in erster Linie durch die Mobilisierung von Randgruppen erreicht worden.

Entsprechend groß war deren Einfluss auf die Politik in Washington. Demgegenüber sah sich die Kerngesellschaft, die als unverzichtbar für den sozialen Zusammenhalt der USA gilt, in ökonomischer wie auch kultureller Hinsicht lange Zeit vernachlässigt. Bei den Wahlen 2016 stand mit Trump ein geeignetes Vehikel dafür bereit, den Protest gegen Stil und Substanz eines verselbständigten politischen Zentrums und die Duopolisierung der Macht im Zweiparteienstaat zu transportieren.

Bislang gibt es kaum Anzeichen dafür, dass Trump nach gewonnener Wahl auf den „politics as usual“-Kurs einschwenkt. Er verzichtet weitgehend darauf, Washingtoner Insider, die mit der politischen Maschinerie vertraut sind, in die Regierung zu berufen. Er scheut nicht davor zurück, Konfrontationen mit Repräsentanten von Minderheiten einzugehen, die aus kerngesellschaftlicher Perspektive in den letzten Dekaden eine Vorzugsbehandlung erfahren haben. Zudem legt er nach wie vor keinen übermäßigen Wert darauf, der Welt (und den Medien) gefallen zu wollen.


Unklare Erfolgskriterien

Diese stilistischen Unterschiede prägen die ersten Arbeitswochen der neuen Administration. Von den Trump-Wählern könnten sie bereits als Erfolg einer Politik des „politics as usual is not an option“ verbucht werden. Für eine seriöse Bewertung der politischen Substanz ist es hingegen noch zu früh. Auffallend ist allerdings, dass sich die von der Regierung verbreiteten ökonomischen Erfolgsmeldungen vor allem auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in Branchen beziehen, die kerngesellschaftsnahe Anforderungsprofile aufweisen und den Karriereerwartungen ihrer Mitglieder weitgehend entsprechen dürften.

Noch im Oktober 2016 sahen die Republikaner eine katastrophale Niederlage bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen auf sich zu kommen. Das Präsidentenamt schien außer Reichweite, obgleich historisch betrachtet nach acht Jahren demokratischer Herrschaft ein Machtwechsel der Regelfall ist. Auch der Senat galt als verloren und besonders pessimistische Stimmen sahen gar die Mehrheit im Repräsentantenhaus gefährdet. Eingetreten ist indes das genaue Gegenteil. Die Republikaner kontrollieren nicht nur das Weiße Haus, sondern sogar beide Parlamentskammern.

Der Partei ist sehr wohl bewusst, dass dieser unerwartete Erfolg den von Trump mobilisierten Wählern zu verdanken ist. Ebenso klar ist ihr, dass diese sich wieder abwenden dürften, wenn der Eindruck entsteht, dass die republikanischen Mandatsträger dem Präsidenten in den Rücken fallen. Die Partei könnte somit womöglich doch das Schicksal ereilen, das ihr seit längerem prophezeit wird: aufgrund des demographischen und kulturellen Wandels in den USA zumindest auf Bundesebene mittelfristig strukturell mehrheitsunfähig zu werden.

Um diesem Schicksal zu entgehen, müssen die Republikaner versuchen, die Trump-Wähler an sich zu binden. Das wird kaum gelingen, ohne deren politische Präferenzen zu integrieren, auch wenn diese sich in zentralen Punkten wie Handel, Immigrationspolitik und Sicherheit deutlich von Grundpositionen der Partei unterscheiden. Trump repräsentiert diese Wählerpräferenzen gegenwärtig am besten. Die Republikaner werden daher sorgfältig kalkulieren, mit welchen politischen Kosten es verbunden wäre, dem Präsidenten ihre Unterstützung zu versagen.

Die wenigsten Wähler erwarten, dass politische Programme vollständig und wortgetreu umgesetzt werden. Sie haben oft auch Verständnis dafür, dass Politiker zwar das in ihren Augen „Richtige“ wollen, aber an widrigen Umständen scheitern. Scheitern ist in der Politik ohnehin kaum eindeutig zu definieren. Das wird es den das Scheitern Trumps Vorhersagenden zwar erleichtern, den Eintritt ihrer Prognose festzustellen. Wie weit diese Auffassung in der amerikanischen Gesellschaft geteilt wird, ist erheblich schwieriger festzustellen. Klar ist allerdings, dass die Annahme des zwangsläufigen Scheiterns Trumps die Auseinandersetzung mit den Gründen für seinen Wahlerfolg nicht befördert. So leicht sollte es dem Trump-Lager nicht (wieder) gemacht werden.

Der Autor forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu politischen Entwicklungen in konsolidierten Demokratien.

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