Gefängnisse als Geldanlage Das lukrative Renditemodell Knast

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Großes Geschäft mit großen Leid

Zuallererst sparen die Privaten an den Personal, sagt Friedman. „Es gibt in deren Haftanstalten mehr Prügeleien und Aufstände als in staatlichen“, so der Insider. In Oklahoma kam dabei kürzlich sogar ein Häftling zu Tode. Betreiber zahlen den Mindestlohn und leisten sich so wenige Wärter wie möglich – was auch die Gewerkschaft TSEA bestätigt. Üblich sei auch die Gefängnisarbeit zu Ein-Dollar-Stundenlöhnen, sagt Friedmann. Häftlinge pumpen Basketbälle für Handelsketten auf oder drucken Nummernschilder für den Staat. CCA sei dabei besonders dreist: „Sie haben die Insassen die Feuerschutz-Rampe bauen lassen“, erzählt Friedmann und fragt: „Wollen Sie, dass Häftlinge die Bauweise ihres Gefängnisses in- und auswendig kennen?“

Journalisten-Fragen stellt sich CCA nicht. Ein Sprecher verspricht aber, schriftlich auf Fragen zu antworten – und lobt sein Sicherheitskonzept, das vom Staat regelmäßig überprüft werde. Ja, sagt Alex Friedmann, „Kontrolleure sollen die Verträge prüfen, aber sie sind völlig unterbesetzt und schaffen es bestenfalls, die Berichte von CCA zu lesen.“ Wenn es dann einen Vorfall wie in Oklahoma gebe, heiße es nur: „Wir prüfen das und tragen alles zur Aufklärung bei.“ Andere Gefängnisbetreiber wie Geo und die Management & Training Corporation (MTC) wollen ebenfalls keine Einrichtungen von Innen zeigen. Letzterer Betreiber wirkt gebrandmarkt nach einem Schmiergeld-Skandal in Pennsylvania: Zwei föderale Richter nahmen 2,6 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern vom Unternehmen an, damit sie mehr Häftlinge verurteilen und in deren Gefängnisse schicken.

Eine Bundesstaaten kappten zuletzt die Kooperation mit den Privaten: Idaho löste den Vertrag mit CCA auf; der dünnen Personaldecke wegen war dort ein Aufstand ausgebrochen. In Kentucky setzen Vergewaltigungsfälle in einem Frauengefängnis der Zusammenarbeit mit dem Betreiber aus Nashville ein Ende. Trotzdem präsentierte CCA im dritten Quartal 2015 ein Umsatzplus von 12,6 Prozent – nicht zuletzt, weil illegale Einwanderung die föderalen Gefängnisse aus allen Nähten platzen lässt und zusätzliche Betten nachgefragt werden.

Das sind die höchsten Kautionen für Manager
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Wie lukrativ gerade das Geschäft mit den Illegalen ist, zeigt der Fall von Juana Perez. Die damals 24-Jährige war mit ihrer Tochter Anna Mitte Mai in die Vereinigten Staaten geflüchtet, wo ihr Mann als Koch arbeitet. Zu Hause in Guatemala wurde sie von José verfolgt, einem Gang-Anführer, der sie heiraten wollte – und sie und ihre Tochter umzubringen drohte, falls sie sich weigere. Sie flohen über Mexiko in die USA und wurden im Niemandsland jenseits des Rio Grande vom Grenzschutz aufgegriffen. Damit begann das große Geschäft für CCA.

An der Flucht von Juana Perez und ihrer Tochter hat CCA geschätzte 35 000 Dollar verdient. Die Haftanstalt in Dilley, Texas, wo Mutter und Tochter strandeten, betreibt CCA. Im Auftrag der föderalen Regierung bringt der Konzern dort illegale Einwanderer unter. Pro Kopf und pro Tag kostet ein Platz 298 Dollar in der Einrichtung, deren Name an ein Urlaubsparadies erinnert: South Texas Family Residential Center. Keiner hatte Juana erzählt, dass sie für einen Asylantrag fast zwei Monate hinter Gittern leben müsse. Erst durfte sie keinen Antrag stellen, zwei Wochen später bot man ihr die Freilassung gegen Kaution von 5000 Dollar an. Als sie diese nicht bezahlen konnte, wurde sie nach einem halbem Monat auf 2000 Dollar gesenkt – und als ihr jemand das Geld zuschickte, kam sie nach zwei Wochen endlich raus und rein ins Asylverfahren.

Die Putzfrau wird bar bezahlt, der Klempner arbeitet ohne Rechnung: Schwarzarbeit ist auch in Deutschland Usus. In Zeiten steigender Einkommen geht sie zurück. Doch wie steht es mit Schwarzarbeit von Flüchtlingen?

Wieso das so lange gedauert hat? Juana Perez sitzt in einem kleinen Fertighaus weitab von Nashville, die Tochter schläft auf ihrem Arm. Sie weiß es nicht, aber vermutet: „Dieses Unternehmen wollte einfach nur Geld an uns verdienen.“

Das massenhafte Verknacken hat in den USA viel mit Gesellschaftspolitik zu tun. So sieht das Larry Miller, ein demokratischer Abgeordneter im Bundesstaat Tennessee: „Steckt Kriminelle ins Gefängnis und werft den Schlüssel weg“, das sei ein Slogan, mit dem man hierzulande Wahlen gewinne.

Miller würde gern mehr Geld in die Armutsbekämpfung stecken. Doch die Knastwirtschaft in Tennessee floriert – und das trotz sinkender Gewaltkriminalität. Deshalb fürchtet er das Gegenteil dessen, was er für eigentlich sinnvoll hält: „Der Gouverneur ist Republikaner und sitzt auf einer Supermehrheit in beiden Kammern“, sagt Miller. „Wenn er will, kann er weiter privatisieren.“

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