Geld, Handel, Schulden Die globale Wirtschaft sortiert sich neu

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Die Ära des billigen Geldes

Fed-Chef Ben Bernanke Quelle: REUTERS

Das weiße Hemd hängt zerknittert aus der Anzugshose, die Pupillen sind geweitet, der Dunst des Alkohols vernebelt seine Sicht. Es ist Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank Fed, der ein ums andere Mal ein paar Dollar in die Jukebox wirft und stets den gleichen Hit wählt: „Money for nothing“ der britischen Rockband Dire Straits.

So überzeichnet und doch treffend schildert das US-amerikanische Satiremagazin „The Onion“, was der Fachausdruck „quantitative easing“ technokratisch verschleiert: In den USA wird mehr Geld gedruckt als je zuvor. Die Zinsen der Notenbanken sind niedriger denn je, ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Nullzins-Politik

Im November 2008 begann der ehemalige Princeton-Professor und Nachfolger der Notenbanklegende Alan Greenspan, die US-Finanzmärkte mit billigem Geld zu fluten. Nullzinsen, unbegrenzte Geldleihe an Banken und zusätzliche Ankäufe auf den Märkten für Staatsanleihen.

Und die Fed ist nicht die einzige Notenbank, die auf diese Strategie setzt. Neben der Bank of Japan und der Bank of England schwenken immer mehr Notenbanken auf diesen Kurs um. Experten sind sich sicher: Die Welt erlebt in den nächsten Jahren eine Ära der globalen geldpolitischen Lockerung.

Bernankes erstes Kaufprogramm hatte ein Volumen von 1,7 Billionen Dollar. Im November 2010 folgte dann ein zweites Programm, das mit 600 Milliarden Dollar deutlich kleiner ausfiel. Doch Experten rechnen fest damit, dass es 2012 ein drittes Anleihekaufprogramm geben wird.

Billiges Geld: Entwicklung der Leitzinsen (in Prozent)

Entwicklung der Leitzinsen Quelle: Leitzinsen.info

Eifrige Käufer

Das hinterlässt Spuren in den Büchern der Notenbanken. Die Bilanz der Fed ist durch die bisherigen Ankäufe von 800 Milliarden Dollar auf 2,8 Billionen Dollar gewachsen. 56,3 Prozent davon sind laut Berechnungen von Diego Valiante, Ökonom am Centre for European Policy Studies in Brüssel, Staatsanleihen. Damit finanziert die Fed 11,3 Prozent der Schulden der USA.

Mervyn King, Chef der Bank of England, gab bisher 230 Milliarden Euro für den Kauf von Wertpapieren aus. Die Notenbank holte sich sowohl Staats- und Unternehmensanleihen als auch Geldmarktpapiere ins Portfolio. 17,7 Prozent des Vermögens der britischen Notenbank schuldet ihr der Staat.

Im Mai 2010 stieg unter dem damaligen französischen Notenbankpräsidenten Jean-Claude Trichet auch die Europäische Zentralbank (EZB) in den Ankauf von Staatsanleihen ein. Bisher haben die europäischen Währungshüter Papiere im Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro gekauft, und es ist nicht abzusehen, dass es dabei bleibt. Doch im Vergleich mit ihren Londoner und New Yorker Kollegen schneiden die Frankfurter noch gut ab. Der Anteil der Staatsschulden am Vermögen der EZB beträgt nur 5,5 Prozent – noch.

Langanhaltende Flut

Doch nicht nur der Staat lebt auf Pump bei den Notenbanken. Auch die Finanzinstitute hängen am Zentralbank-Tropf. So hat James Felkerson von der Universität Missouri-Kansas City berechnet, dass die Fed insgesamt 29 Billionen Dollar in das US-amerikanische Bankensystem gepumpt hat. Damit können die Europäer noch nicht mithalten. Hier sind es etwa eine Billion Euro.

Gleichzeitig sind die Zinsen so niedrig wie nie. In den USA herrschen Nullzinsen, die EZB senkte auf ihren beiden vergangenen Sitzungen den Leitzins von 1,5 auf 1,0 Prozent. In 2012 sind Zinsen unter 1,0 Prozent wahrscheinlich. Bei den Briten sind es 0,5 Prozent – und das bei einer Inflation von 5,0 Prozent.

Die Geldflut der Notenbanken kann lange anhalten. Das zeigt die Bank of Japan. Seit den Achtzigerjahren flutet sie die Märkte. Doch egal, wie viel Geld sie druckt, das meiste davon bleibt im Bankensystem gefangen. In der Euro-Zone und in den USA werden die Banken das Geld, wenn sich die Lage bessert, an Unternehmen und Haushalte weitergeben – und dann droht Inflation.

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