Geld, Handel, Schulden Die globale Wirtschaft sortiert sich neu

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Freier Warentausch ohne WTO

Beschlüsse zu einem Handelspakt wurden im November 2011 von Barack Obama und den Staatschefs von elf Pazifikstaaten in Honolulu getroffen. Quelle: Reuters

Der Ort hätte kaum bedeutungsvoller gewählt sein können. Amerikas Vorposten Richtung Asien, Manifestation des Herrschaftsanspruchs der USA im Pazifik und Geburtsort des US-Präsidenten: In Honolulu, Hawaii, haben sich Barack Obama und die Staatschefs von elf Pazifikstaaten im November am Rande des Gipfels der asiatischen Staaten (APEC) zu einem Handelspakt bekannt. „Trans-Pacific-Partnership“ heißt das Wunderwerk, die Beteiligten wollen alle Güter außer Arbeit liberalisieren. Mit Japan, Mexiko, Kanada, Australien, Malaysia sind viele große Handelsnationen der Region dabei – außer China.

Damit steht das Bündnis für eine neue Form der Handelsliberalisierung, die sich gerade Bahn bricht. Die Welthandelsorganisation (WTO) spielt kaum noch eine Rolle, es geht um Fressen oder Gefressenwerden in einer Welt ohne echte Weltmächte. Mittel der Wahl sind regionale Kooperationen und bilaterale Verträge, Freihandel zwischen Staat und Staat. 1995, als die WTO gegründet wurde, gab es weltweit weniger als 100 solcher Abkommen, heute sind es deutlich über 200. Damals flossen 18 Prozent des Welthandels zwischen den beteiligten Nationen, heute sind es 35.

Bilaterale Freihandelsverträge weltweit:

Anzahl der bilateralen Freihandelsverträge weltweit Quelle: WTO

Obamas Gegenschlag

Auf den ersten Blick spiegeln sich darin Konflikte zwischen Nationen und Regionalmächten: Die Staaten Südamerikas emanzipieren sich im Windschatten Brasiliens mit dem Bündnis „Unasur“ von den USA, die Vereinigten Staaten versuchen im Gegenzug, über bilaterale Abkommen einzelne Staaten aus dem Verbund zu lösen. Russland versucht, seine einstigen Satelliten an sich zu binden, im Herbst wurde mit der Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Kasachstan, Armenien, Kirgistan und Tadschikistan ein Freihandelsabkommen unterzeichnet.

Obamas Pazifik-Pakt ist vor allem als Gegenschlag zum mächtiger werdenden Netzwerk um die Organisation asiatischer Staaten (Asean) zu verstehen. Auch hier deutet Japan seit Kurzem Kooperationsinteresse an, schon im Sommer nächsten Jahres könnte ein Freihandelsabkommen von Asean, China und Japan zustande kommen.

Zweifellos hat der verschärfte Handelswettbewerb auch seine dunkle Seite. Gerade haben Brasilien und China neue Zölle erlassen, die es vor allem Unternehmen aus Europa und den USA schwerer machen.

Schon warnt Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds: „Der Freihandel steht am Scheideweg.“ In der Theorie sind zudem die Folgen bilateraler Abkommen für das Wohlergehen der gesamten Menschheit negativ. Die beteiligten Staaten erarbeiten sich zwar Wohlfahrtgewinne, doch diese werden von den Verlusten der Außenstehenden, die zugleich benachteiligt werden, übertroffen.

Regionale Integration

Doch die neue Offenheit des traditionell protektionistischen Japans nach Ost wie West verdeutlicht, dass der Trend zur regionalen Handelsliberalisierung jenseits der WTO keineswegs zwangsläufig zu Konflikten führen muss. Zwar scheint sich eine Art Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsmächten darum zu entspinnen, wer die meisten kleineren Staaten an sich binden kann. Zugleich entsteht ein dichtes Netz an regionaler Integration und transkontinentalen Verträgen, das zu einer dichteren Verzahnung führt als jede WTO-Runde im Korsett der Meistbegünstigtenklauseln.

So hat sich Australien bereits dem Prinzip der Einseitigkeit verschrieben: Anstatt darauf zu warten, bis einem selbst dieselben Vorteile eingeräumt werden wie allen Vertragspartnern, soll einseitig der Heimatmarkt geöffnet werden. Nur so könne eine neue Dynamik erzeugt werden.

Es profitieren kleine offene Volkswirtschaften, die sich mit möglichst vielen Nationen gut Freund stellen. In einem nächsten Schritt könnten über sie auch die großen Mächte in De-facto-Partnerschaften landen.

So hat der Exportstar Südkorea 2011 mit den USA und der EU Freihandelsabkommen ausgehandelt. Wenn alles glattläuft, kommt 2012 ein Vertrag mit China und Japan hinzu, der grenzüberschreitende Investitionen ermöglicht. Ähnlich Peru: 2010 wurde der Handel mit China freigegeben, in diesem Jahr folgten Costa Rica, Panama und Südkorea. Der wirtschaftliche Erfolg gibt beiden recht – und animiert andere, es ihnen gleichzutun.

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