Gescheiterte Verfassungsänderung Ein Autoritätsverlust für Viktor Orban

Viktor Orban muss die nächste Schlappe einstecken: Nach dem gescheiterten Anti-EU-Referendum erteilt auch das Parlament Ungarns starkem Mann eine Absage. Wer von einem Niedergang seiner Macht spricht, irrt allerdings.

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Der Regierungschef wollte in der Verfassung ein Verbot der Ansiedlung „ausländischer Bevölkerungen“ verankern. Quelle: dpa

Wien Das Wort Niederlage kam lange Zeit nicht im Vokabular von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán vor. Doch sein Vokabular hat sich in den letzten Wochen geändert. Denn nach dem gescheiterten Anti-EU-Referendum muss die rechtspopulistische Regierungspartei Fidesz im Budapester Parlament eine für Orban schädliche Niederlage einstecken.

Der vorgelegte Gesetzentwurf gegen die Flüchtlingsquote der Europäischen Union fand überraschend keine Mehrheit. Sowohl die Abgeordneten der linken Opposition als auch die rechtsextremistische Jobbik-Partei stimmten – aus ganz unterschiedlichen Gründen – gegen die geplante Verfassungsänderung. Für die notwenige Zweidrittelmehrheit fehlten Orbán zwei Stimmen.

Der Regierungschef wollte in der Verfassung ein Verbot der Ansiedlung „ausländischer Bevölkerungen“ verankern, um keine 2300 Flüchtlinge nach dem EU-Verteilungsschlüssel aufnehmen zu müssen. Dieser Plan ging genauso schief wie bereits das Referendum Anfang Oktober. Das Plebiszit gegen den EU-Verteilungsplan für Flüchtlinge scheiterte wegen einer zu geringen Beteiligung der Ungarn.

Seit seinem Regierungsantritt im Jahr 2010 hatte der mit einem übergroßen Ego ausgestattete Regierungschef keine Niederlage im Parlament erlebt. Deshalb ist das Votum zweifellos eine neue Erfahrung für Orbán. Doch daraus einen Niedergang seiner Macht ableiten zu wollen, wäre ein Irrtum. Es ist nur ein Autoritätsverlust – mehr aber auch nicht. Orbán und seine rechtsnationale Fidesz haben Ungarn fest in den Schwitzkasten genommen. Sie haben nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft und den Medien, in der Bildung und der Kultur die Schlüsselpositionen mit loyalen Parteigängern besetzt. Das Ergebnis: Fremdenfeindlichkeit gehört heute zur DNA des Landes der Maygaren.

So haben die rechtsextremen Jobbik-Mitglieder die Verfassungsänderung gegen Migranten nur nicht unterstützt, weil sie ihnen schlicht nicht weit genug geht. Jobbik kritisiert, dass Orbán vermögende Ausländer auch weiter ein Aufenthaltsrecht gewähren will. Mittlerweile ist quasi ein Konkurrenzkampf zwischen der Regierungspartei und der größten Oppositionspartei Jobbik entstanden, welche der beiden rechten Parteien besser Ausländer in Ungarn abwehren kann.

Die xenophobe Neurose in Ungarn weitet sich immer weiter aus. Die Zeit für eine Abkehr der Ausländerfeindlichkeit wird immer knapper, denn Ungarn droht in diesem politisch vergifteten Klima noch stärker nach rechts abzudriften. Orbán muss begreifen, dass das Land schnell einen wirtschaftlichen Niedergang erleben könnte, wenn er bei der Fremdenfeindlichkeit überdreht. Denn Ungarn ist auf ausländische Investoren – insbesondere aus Deutschland – mehr denn je angewiesen.

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