Gesundheitsreform in den USA Der Kampf um Trumpcare

Die Gesundheitsreform der republikanischen Führung läuft auf Obamacare light heraus. Daher ist sie bei den Sozialstaatsgegnern hoch umstritten. Ob das Konzept eine Mehrheit im Parlament findet, ist ungewiss.

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Das Konzept für die Gesundheitsreform, das nun vorliegt, ist ein Kompromiss: der Versuch, die populären sozialpolitischen Elemente von Obamacare zu erhalten, ohne die marktliberalen Dogmen der Republikaner aufzugeben. Quelle: AP

Washington Donald Trump war zufrieden, so sehr, dass der morgendliche Schwall an Twitterbotschaften, das Markenzeichen seiner Präsidentschaft, zur Abwechslung einmal nicht zum Wutanfall geriet. „Unsere wundervolle Gesundheitsreform ist nun veröffentlicht und wird zur Debatte gestellt“, freute sich Trump am Dienstag kurz nach Sonnenaufgang. Die Frage ist nur, wie lang die gute Laune des Präsidenten anhalten wird.

Bisher ist nichts erreicht, die eigentliche Arbeit beginnt erst. Trumps Vorhaben, Obamacare, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama, zu ersetzen, wird zur ersten großen Prüfung, zum Test seiner Autorität. Seine Parteifreunde, die Republikaner, haben zwar eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern, dem Abgeordnetenhaus und dem Senat. Doch sie sind zerstritten; ob Regierung und Fraktionsführung sie auf Kurs bringen können, ist alles andere als ausgemacht.

Das Konzept, das nun vorliegt, ist ein Kompromiss; der Versuch, die populären sozialpolitischen Elemente von Obamacare zu erhalten, ohne die marktliberalen Dogmen der Republikaner aufzugeben. Das gelingt nur eingeschränkt. Trumpcare lässt sich am Besten als Obamacare light beschreiben. Der Grundgedanke ist, den Amerikanern die Möglichkeit zu bieten, sich zu versichern – ohne sie dazu zu verpflichten. Daher hantieren die Republikaner mit Begriffen wie „Wahlfreiheit“ und „Konsumentensouveränität“.

An die Stelle staatlicher Zuschüsse soll eine freiwillige Krankenversicherung treten, die mit Steuerrabatten zwischen 2000 und 4000 US-Dollar pro Jahr begünstigt werden soll. Dafür bleibt die Verpflichtung für Versicherer, Menschen unabhängig von ihren Vorerkrankungen aufzunehmen, erhalten. Auch die Möglichkeit für junge Leute, bis zum Alter von 26 Jahren bei ihren Eltern mitversichert zu sein, soll fortbestehen.

Abgeschafft werden dagegen einige Steuern, die die Obama-Regierung erhoben hatte, um Gesundheitssubventionen für Bedürftige zu finanzieren. Zudem wird die Versicherungspflicht gestrichen. Dieser Aspekt der Reform ist problematisch, da er dazu führen könnte, dass sich vornehmlich Kranke versichern werden – was die Kosten in die Höhe treiben und letztlich zu einem Kollaps des Versicherungsmarkts, einer sogenannten Todesspirale, führen könnte. Um dies zu verhindern, wollen die Republikaner Versicherern erlauben, höhere Prämien von Kunden zu verlangen, die sich nicht durchgehend versichert haben. Ob dieser Anreiz ausreicht, ist fraglich.

Der Widerstand gegen den Reformplan formiert sich bereits. Die oppositionellen Demokraten lehnen das Konzept nahezu geschlossen ab. Und in den Reihen der Republikaner gibt es zwei unzufriedene Lager. Zum einen die Erzkonservativen im Abgeordnetenhaus. Sie sehen in den Steuerrabatten ein verdecktes Sozialprogramm. „Das ist Obamacare in einer anderen Form“, klagte Jim Jordan, der Anführer des rechten Flügels im Abgeordnetenhaus, in einem Interview mit der Nachrichtenseite Politico.

Moderate Senatoren hingegen befürchten, dass sozial schwache Amerikaner sich trotz der Steuernachlässe keine Krankenversicherung mehr leisten können. Das liegt vor allem daran, dass Trump die von Obama verfügte Ausweitung von Medicaid, der Gesundheitsversicherung für Bedürftige, im Jahr 2020 auslaufen lassen will. Der linksliberale Ökonom Paul Krugman kritisiert daher: „Das ist nicht Obamacare 2.0. Es ist Obamacare 0.5 – ein halbherziger Versuch, die Erfolge der Reform zu erhalten, ohne dafür auch nur entfernt genug Geld auszugeben.“

Einige Experten rechnen damit, dass bis zu 15 Millionen Amerikaner ihren Versicherungsschutz verlieren könnten. Die Republikaner streiten das ab, haben aber keine eigenen Schätzungen vorgelegt. Brisant ist, dass viele Trump-Wähler, etwa in den Bergbau-Regionen der Appalachen, auf Medicare angewiesen sind. Viele Abweichler kann sich Trump in den eigenen Reihen nicht erlauben. Die Mehrheit der Republikaner ist gerade im Senat hauchdünn.

Für Trump ist die Gesundheitsreform von enormer Bedeutung. Einen großen legislativen Erfolg hat er bisher nicht vorzuweisen – anders als sein Vorgänger Obama, der gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft ein Konjunkturpaket durch den Kongress brachte. Sollten die Republikaner ihren innerparteilichen Streit über die Gesundheitspolitik nicht bald lösen, stehen auch ihre anderen Großprojekte in Frage: etwa die Steuerreform, die sie ihren Wählern versprochen haben, und das Programm zur Modernisierung der amerikanischen Infrastruktur, für das Trump sich stark macht.

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