Gewalt in Caracas Venezuela am Rande des Bürgerkriegs

Hunderttausende demonstrierten in Venezuela erneut gegen Präsident Maduro. Jener kündigte an, eine halbe Million Milizen mit Waffen auszustatten. Die internationale Gemeinschaft zeigt sich besorgt. Doch was tun?

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Gewalt auf den Straßen von Caracas: Polizisten jagen Demonstranten bei einem Protest in der venezolanischen Hauptstadt am 20. April. Wegen ihres enormen Tränengaseinsatzes tragen sie Gasmasken. Quelle: AP

Caracas Angesichts dramatischer Szenen in Venezuela fordert die internationale Gemeinschaft von Präsident Nicolás Maduro ein Zurückziehen der brutal agierenden Milizen. Im Internet kursierende Bilder zeigten, wie auf Demonstranten von Motorrädern aus geschossen wurde, zudem prügelten Polizisten auf Protestierende ein, von denen einige aber ebenfalls gewalttätig wurden.

Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro sagte, die Demokratie in Venezuela sei „tödlich verletzt“. Auch am Donnerstag demonstrierten laut Schätzungen Hunderttausende für Neuwahlen und gegen ein Abdriften in die Diktatur.

„Wir verurteilen vor allem, dass das Regime die Colectivos bewaffnet hat, damit sie unkontrolliert Repression ausüben“, sagte der frühere uruguayische Außenminister Almagro. Als Colectivos werden mit den seit 1999 regierenden Sozialisten sympathisierende Milizen bezeichnet, die mit Waffen und Schlagketten Gegner attackieren.

Maduro bot zugleich einen Dialog an. „Es wird nie einen Bürgerkrieg in unserem Vaterland geben“, teilte er per Internetbotschaft mit. Seit Tagen setzt die Polizei massiv Tränengas ein, gerade in Caracas.

Bilder von einer Frau, die sich einem gepanzerten Fahrzeug inmitten von Tränengas entgegenstellt oder von einem nackten Mann, der einen Panzerwagen besteigt und ein Ende der Gewalt fordert, wurden in sozialen Medien tausendfach verbreitet. Der Mann hatte sich zuvor mit ausgestreckten Armen und einer Bibel in der Hand zwischen schwer bewaffnete Polizisten gestellt, die sich mit Gasmasken auf ihren Motorrädern gegen das versprühte Tränengas schützten. „Werft keine Bomben mehr“, rief er mit Blick auf den massiven Tränengaseinsatz.

Maduro wittert ein Komplott und forderte die Verteidigung der von Hugo Chávez begonnenen sozialistischen „Revolution“ - dank der Öleinnahmen wurde lange massiv in Sozialprogramme und Wohnungsbau investiert. Aber Misswirtschaft ließ das Land zuletzt abstürzen.

Bisher starben bei den Protesten, die durch die zeitweise Entmachtung des Parlaments ausgelöst wurden, neun Menschen, fast tausend Menschen wurden bislang festgenommen. Das Land steht vor dem Ruin. Wegen der Bedienung milliardenschwerer Auslandsschulden und der höchsten Inflation der Welt können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden, die in Euro oder Dollar zu bezahlen sind.

Präsident Maduro macht den niedrigen Ölpreis und Sanktionen für die Misere verantwortlich - 2016 brach die Wirtschaftsleistung um rund 18 Prozent ein. Antibiotika, Diabetes- oder Epilepsie-Medikamente sind kaum noch zu bekommen. Die Kindersterblichkeit stieg deutlich an. Auf Müllkippen suchen Menschen, gestört von Geiern, nach Essensresten.


Uno fordert Ende der Zusammenstöße in Venezuela

Almagro will den internationalen Druck auf Präsident Nicolás Maduro erhöhen, der ihn zu einer Art Staatsfeind erklärt hat. Zu Ostern brannten in dem Land Judas-Figuren mit dem Konterfei Almagros - er wirft Maduro vor, die Gewaltenteilung und die Demokratie ausgehebelt zu haben. Die OAS ist aber in ihrer Haltung zu Venezuela gespalten.

Ihr gehören die 35 Staaten Nord-, Mittel- und Südamerikas sowie der Karibik an. Boliviens sozialistischer Präsident Evo Morales warf zum Beispiel den USA vor, Maduro stürzen zu wollen. „Der Plan des Imperiums ist es, den verfassungsgemäß gewählten Präsidenten zu stürzen, als Warnung an alle antiimperialistischen Regierungen.“

Maduro regiert mit Dekreten weitgehend am von der Opposition dominierten Parlament vorbei. Zuletzt kündigte er an, 500.000 Milizen mit Gewehren auszurüsten.

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich äußerst besorgt über den blutigen Machtkampf. „Wir rufen dazu auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Spannungen zu verringern und weitere Zusammenstöße zu verhindern“, sagte er. Die Bundesregierung forderte die Freilassung von politischen Gefangenen.

Der größte US-Autobauer General Motors (GM) stoppte am Donnerstag seine Geschäfte in Venezuela, nachdem die Regierung eine Fabrik des Konzerns beschlagnahmt hatte. Die Aktion habe zu irreparablem Schaden für GM, seine 2678 Mitarbeiter und die Zulieferer geführt, teilte GM mit.

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